Ein Surren, ein Schmatzen, ein Luftzug, der dem Trampelfüssler über die Kopfhaut streicht. Es dauert nur ein paar Sekunden und er sieht das Springschwein auf der anderen Seite des Wanderwegs im Unterholz verschwinden. Bevor ein weiteres Springschwein zum Sprung ansetzt, ist er schon aus dem Gefahrenbereich verschwunden. Der Trampelfüssler hat Angst. Er sieht seine Kultur auf zwei Wanderbeinen bedroht. Was waren das noch Zeiten, als der Trampelfüssler uns nicht wahrgenommen hat. Vorsicht Wildwechsel!
Was auf deutschen Landstraßen gang und gäbe ist, wurde auf den Wanderwegen unserer Wälder sträflich vernachlässigt. Was wären nur für Konflikte vermieden worden durch das Aufstellen von Wildwechselschildern. Auch durch stete Wildpflege wäre es möglich gewesen, der stetig wachsenden Population der Springschweine Herr zu werden. Die Chance wurde vertan. Stattdessen hält eine Verbannungskultur als Zeichen übertrieben formulierter Ängste Einzug in das gesellschaftliche Leben der Trampelfüssler. Sie fühlen sich in ihrem Lebensraum bedrängt.
Als sich die Springschweine mit dem gemeinen Tretschwein zum All-in-one kreuzten, war es endgültig vorbei mit der Tierliebe. Die Aktionsradien der Tiere wurden noch größer und die Wildwechsel noch spektakulärer. Es musste etwas geschehen. Schliesslich bestand eine 0,0256-prozentige Gefahr, vielleicht von einem Springschwein angefallen zu werden. Die Situation nahm bedrohliche Ausmaße an für den gesellschaftlichen Frieden in unserer Republik. Die allgegenwärtige Gefahr für Baum, Strauch, Zwei- und Vierfüssler wurde durch die Medien weiter und weiter verbreitet. Von Quotenabschuss bis hin zur flächendeckenden Ausrottung durch Umsiedlung wurde alles diskutiert und medial ausgeschlachtet. Am Ende versuchte man, dem Herdentrieb durch Internierung Herr zu werden.
Überall in diesen Landen sprießen seitdem die Bikeparkreservate nur so aus dem Boden. Die Springschweinpopulation scheint gerettet. Die Oberen erwarten Dank von der springenden Minderheit. In ihren neuen Biotopen fühlen Springschweine sich im Regelfall auch sauwohl. Der Bürohengst hat die Springschweine zur Sesshaftigkeit domestiziert, aber nach einer Spur von Integration sucht man vergebens.
Nur was ist mit den Tretschweinen, Rennschweinen und Bergebern? Hat man sie vergessen?
Nein, für den Trampelfüssler ist Schwein gleich Schwein. Kennt man eins, kennt man alle, er pocht auf die vorgeschriebene Leitkultur. Kulturvielfalt hin oder her, was interessiert das den uninteressierten Amtsschimmel? Paarhufigkeit verbindet in den seltensten Fällen. Der unkontrollierbare Herdenzug ist ein weiteres Übel. Er gehört, mit dem Verweis auf die geschaffenen Rückzugsflächen, ausgemerzt. Jedoch werden diese kräftigen und ausdauernden Tiere des Spieltriebs an immer der gleichen Stelle schnell überdrüssig. Um sie artgerecht zu halten, bedarf es einer Möglichkeit, ihren Kilometerfraß zu befriedigen. Dabei ist die Wahl des Kilometers nachrangig. Das Tretschwein und seine Brüder nehmen alles von der Meile bis zum Meter. Die Studien zu deren ausgeprägten Sozial- und Imponierverhalten haben gerade erst begonnen, zu spät, um die Repressionen gegen eine Minderheit aufzuhalten. Stattdessen versucht man, sie zu kriminalisieren.
In anderen Ländern hat man schon Tatsachen geschaffen. Die Niederlande haben Anfang 2015 den Weg der restriktiven Wegeplanung eingeschlagen. Nur auf ausdrücklich freigegebenen Routen ist der Zug der Tretschweine noch erlaubt, ansonsten ist er verboten. In Baden-Württemberg und Belgien werden die Paarhufer über die Wegbreite eingeschränkt. Im Reich der Flamen und Wallonen sind die Tiere bei Missachtung örtlich gar zum Abschuss freigegeben.
In Österreich wird das Benutzen Jahrzehnte alter Routen teilweise komplett unterbunden, der Kadi ist nah. Die Verbannung in die letzen freizugänglichen Reservate hat begonnen. Die Wildheit, die Schönheit im Fluge zu betrachten, die Lebensfreude zu sehen beim Suhlen im Schlamm, alles aus und vorbei? Alles nur, weil der Trampelfüssler wie eine Krake allen Lebensraum für sich in Anspruch nimmt. Die Versuche, das gemeine Tretschwein und seine Artverwandten in die Reservate zu verbannen, wird weiter voran getrieben. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Zug der Herden nur noch Teil einer verblassenden Erinnerung sein wird.
Im Zuge dieser Verbannungskultur wird Bikepark um Bikepark gebaut. Eingelullt in dem Glauben, nicht mehr verfolgt zu werden, entfernen sich viele Artgenossen weg von den angestammten Verhaltensmustern. Ohne es zu merken, werden WIR von den Trampelfüsslern in eine genehme Verhaltenskultur gedrängt. Getrieben durch die Macht der Angst um die letzten freien Lebensräume sind WIR zu jedem Kompromiss bereit.
In diesem Sinne, Think Pink – Eure Muschi
Anmerkung: Für den Inhalt der Artikel aus der Serie “Muschi am Mittwoch” ist der benannte Autor verantwortlich. Die in den Artikeln vertretenen Ansichten und Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Für Anregungen und Kritik steht der Autor hier themenbezogen in den Kommentaren und allgemein per privater Nachricht zur Verfügung.
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