Look! At! The! Time! Mit einem hauchdünnen Vorsprung hat sich Danny Hart den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere gesichert – mit einem absoluten Wahnsinnslauf, der selbst den bislang so dominanten Aaron Gwin mit einem staunenden Blick zurückgelassen hat. Auch bei den Frauen war es so knapp und spannend wie lange nicht mehr. Was wir sonst noch aus dem Weltcup in der Schweiz lernen können, erfahrt ihr hier.
Nullkommanulllneunsechs Sekunden Vorsprung – also weniger als eine einzige Zehntelsekunde – betrug am Ende der Vorsprung von Danny Hart auf den Zweitplatzierten Aaron Gwin. Bei der letzten Zwischenzeit kurz vor den letzten Kurven lag der Brite sogar noch knapp eine halbe Sekunde hinter Gwin. Doch mit einer extrem beherzten (und guten!) Fahrt sicherte sich der MS Mondraker-Fahrer endlich den ersten Weltcup-Sieg seiner Karriere. Der legendäre Weltmeister-Titel von Danny Hart in Champery liegt mittlerweile fast fünf Jahre zurück. Mit dem Sieg in der Lenzerheide ist nun endlich der Beweis erfolgt, dass die „Redcar Rocket“ kein One Hit Wonder ist.
Wird es jetzt wieder spannend?
Was den Gesamtweltcup angeht: Nein. Obwohl es beim Rennen in der Schweiz so eng zuging wie lange nicht mehr, lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Gesamtwertung entschieden ist. Sofern Aaron Gwin und Rachel Atherton die letzten beiden Rennen des Jahres verletzungsfrei überstehen, werden sie die Gesamtführung nicht mehr abgeben. Der Amerikaner und die Britin fahren dieses Jahr konstant auf einem solch hohen Niveau, dass die anderen schlicht und ergreifend keine Chance haben. Gerade die Dominanz bei den Frauen nimmt mittlerweile beängstigende Ausmaße an: Rachel Atherton hat in der Schweiz den elften Weltcup in Folge gewonnen. Wow!
Aber, aber, aber!
Trotzdem kommt gerade nach diesem Weltcup wieder die berechtigte Hoffnung auf, dass es zukünftig wieder deutlich spannender werden dürfte. Vor allem die Art und Weise, wie das Finale der Herren und Damen abgelaufen ist, spricht dafür. Tahnée Seagrave kam mit einem hauchdünnen Vorsprung – nur 0,7 Sekunden trennten sie und Rachel – ins Ziel, und das mit einigen Fehlern im Finallauf. Und das Ergebnis des Rennens der Herren ist bekannt. Wichtig dabei ist die Tatsache, dass alle beteiligten Personen einen sauberen Rennlauf unter denselben, konstanten Bedingungen absolvieren konnten. Keine Wetterkapriolen, keine immer kaputter werdende Strecke, keine groben Fahrfehler – das Finale in der Lenzerheide war von vorne bis hinten eine sehr faire, saubere Sache. Wären Aaron Gwin und Rachel Atherton in ihrem Lauf gestürzt oder hätten einen gröberen Patzer eingebaut, dann hätten ein möglicher Sieg von Tahnée Seagrave oder ein tatsächlicher Sieg von Danny Hart einen etwas faden Beigeschmack. Aber so war die Freude über Danny Harts Sieg umso größer und die Stimmung umso ausgelassener.
Der Weltcup braucht neue Strecken!
Was das Rennen in der Lenzerheide ebenfalls eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat ist die berechtigte Forderung nach neuen Strecken im Weltcup-Kalender. Jedes Jahr dieselben sechs oder sieben Strecken ist vergleichbar einer Woche, in der man sich nur von Pizza ernährt: Schon super, aber irgendwie auch ziemlich langweilig und ungesund. Neue Strecken hingegen sorgen für mehr Spannung, mehr Spaß bei den Fahrern, mehr Motivation bei den Fotografen und Filmern und besseren Rennen. Die Strecke in der Schweiz ist mit Sicherheit nicht die spektakulärste im Weltcup, aber allein die Tatsache, dass es zuvor erst einen Weltcup in der Lenzerheide gab, machte das Rennen am Samstag deutlich interessanter. Deshalb: Hey Maribor, nächsten Sommer schon was vor? La Bresse, wie wär’s? Und überhaupt: What would Whistler do?
Heute habe ich leider kein Foto für dich.
Das nächste Wochenende ist weltweit reserviert für die nationalen Downhill-Meisterschaften. Spannend dürfte es gerade nach dem Rennen in der Lenzerheide bei unseren Kollegen in Großbritannien werden. Schaut man sich nach dem fünften Weltcup die Gesamtwertung an, fällt es sehr schwer, sieben männliche Fahrer für die WM festzulegen. Klar: Danny Hart ist dabei. Gee Atherton auch, wenngleich er in dieser Saison seinen Ansprüchen weit hinterher fährt. Greg Williamson und Adam Brayton, die in diesem Jahr überraschend stark fahren, dürften den Platz im Kader ebenfalls sicher haben. Laurie Greenland als aktuell fünftbester britischer Fahrer und ein amtierender Juniorenweltmeister darf eigentlich auch nicht zu Hause bleiben. Und dahinter? Liegen fast punktgleich mit Josh Bryceland, Joe Smith, Brendan Fairclough, Matt Simmonds, Bernard Kerr, Michael Jones, Ruaridh Cunningham, Phil Atwill und Kenta Gallagher fast ein Dutzend britischer Fahrer innerhalb weniger Punkte dicht beeinander. Wie soll man sich da bitte entscheiden? Vielleicht hat Heidi Klum ja eine Idee…
God save the Queen!
Wenn wir schon bei den Briten sind: Eines der Highlights fernab der zahlreichen Kameras an der Strecke war die Podiumzeremonie direkt nach dem Rennen. Zunächst wurde eine Darbietung einer lokalen Albhorn-Musikgruppe stilecht von Limp Bizkit über die Lautsprecheranlage unterbrochen. Anschließend sollte für den Juniorengewinner Finn Iles die kanadische Hymne gespielt werden. Das klappte auch, allerdings erst im vierten oder fünften Anlauf – nachdem diverse Hymnen anderer Länder fälschlicherweise abgespielt wurden. Und die Hymne der Briten für Rachel Atherton wurde gar nicht erst in der Playlist gefunden. Im Publikum herrschte eine Mischung aus Gelächter, Entsetzen und Fremdschämen. Was macht also Rachel in der Situation? Stellt sich ganz oben aufs Podium und intoniert die Hymne kurzerhand selbst – eine sehr coole Aktion, die absolut zu Rachel passt und ordentlich abgefeiert wurde. Kleiner Tipp an die Veranstalter: Bei einer millionenschweren Veranstaltung sollten solche Sachen vielleicht auf Anhieb funktionieren. Und überhaupt: Wieso werden bei der Übertragung zwanzig gleichaussehende Kurven gezeigt und dafür das technische Steinfeld direkt nach dem Start ausgelassen? Mal schauen, ob Lenzerheide im nächsten Jahr nicht doch die Chance bekommen wird, es besser zu machen.
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