Wir befinden uns im Jahre 2017 n.Chr. In ganz Baden-Württemberg ist Mountainbiking gesetzlich stark eingeschränkt … In ganz Baden-Württemberg? Nein! Eine mit Bikern bevölkerte Gemeinde baut zwischen Burgen und Weinbergen mehr und mehr legale Trails in die beschaulichen Hügel. Und alles im besten Einvernehmen zwischen Behörden und Bikern.

Die junge Geschichte des Trailbaus im Bottwartal rund um Beilstein, Baden-Württemberg, erinnert auf den ersten Blick ganz an das Dorf von Asterix und Obelix. Wie bei den vorchristlichen Galliern blüht das fröhliche und unbeschwerte Leben im Tal trotz der umliegenden „römischen Besatzung“: Die Gemeinde stellt den Bikern Unmengen Holz zur Befestigung der Strecken zur Verfügung. Ein komplettes Netz aus Singletrails, abseits bestehender Wege, wird gemeinsam von Bikern, Gemeinde, Landratsamt und Förster wild- und naturschutzfreundlich geplant und schrittweise umgesetzt. Die Biker bauen die Trails, das Landratsamt bezahlt die Wegweiser. Zu seiner Neujahrsansprache unterstreicht der Bürgermeister den Wert des Mountainbikens für die Gemeinde-Entwicklung und dankt für das gute Miteinander und das große ehrenamtliche Engagement beim Trailbau.

Trailriding at its best
# Trailriding at its best

Dabei herrscht unter den Bikern wie auch bei den beliebten Comic-Helden eine Grundstimmung von wechselseitigem Respekt und Vertrauen. Das trägt die Entwicklungen und schafft die Basis für neue Kooperationen und Events wie dem Memorial-Bike-Day oder geführte Shuttletouren. Die alteingesessenen Weinschänken, auf schwäbisch liebevoll „Besen“ genannt, heißen die neuen, oft verschlammten Gäste herzlich willkommen.

Baumaterial satt: Die Holzspende der Gemeinde Beilstein
# Baumaterial satt: Die Holzspende der Gemeinde Beilstein
Es geht los – Und alle packen mit an
# Es geht los – Und alle packen mit an

So hat sich die Bikedestination Bottwartal im Raketentempo entwickelt. Heile Welt quasi, wie man sie als Mountainbiker in Baden-Württemberg kaum mehr zu denken wagte. Wie kam es dazu, und wie lässt sich diese hoffnungsvolle Entwicklung auf andere Regionen übertragen?

Eine rote Baumarktschaufel macht den Anfang

Bestimmt ist die kitschig-schöne Landschaft aus Weinbergen, Burgen und Mischwäldern gespickt mit Dörfern aus Fachwerkhäusern am Rande der Löwensteiner Berge hilfreich. Sie sorgt auch für die nötigen Höhenunterschiede. Doch eine schöne Landschaft alleine reicht noch lange nicht zur Bike-Destination. Alles begann mit einer roten Baumarktschaufel. Schon vor Jahren zog Stefan Pyttlik, alias Jonny Love, regelmäßig damit in den Wald, um beim Trails anlegen den Kopf frei zu bekommen. Seine Saat fiel auf fruchtbaren Boden: Die attraktiven Anlieger entlang verwachsener Wanderwege wurden dankend von den verstreuten Locals genutzt.

Die Arbeit beginnt
# Die Arbeit beginnt
Die rote Baumarktschaufel macht den Anfang
# Die rote Baumarktschaufel macht den Anfang
Harte Arbeit: Der Bau des Fischteichtrails im Beilsteiner Gemeindewald
# Harte Arbeit: Der Bau des Fischteichtrails im Beilsteiner Gemeindewald

Dann hat das Jonny Love Bike-Shuttle mit Defender und Anhänger den nächsten Impuls gesetzt und Fahrer aus den umliegenden Metropolen angelockt. Stefan ist Trailbuilder der ersten Stunde, Motor und Mastermind. Es braucht Menschen wie Stefan, die sich mit Leib und Seele dem Trailbau verschreiben und deren Engagement, das proportional zu den Widerständen wächst.

Anti-Verein überwindet typische Konflikte

Erwartungsgemäß ließen die typischen Konflikte mit weiteren Waldnutzern nicht lange auf sich warten: Mutwillige Hindernisse auf den Trails, unschöne Begegnungen und persönliche Drohungen, soweit so normal. Doch anstatt sich in diesen Konflikten aufzureiben, wurde mit der Gründung der Trailsurfers Baden-Württemberg e.V. die nächste Stufe gezündet.

Die Trails nehmen langsam Form an
# Die Trails nehmen langsam Form an
Immer ein magischer Moment: Die erste Line
# Immer ein magischer Moment: Die erste Line

Mit über 120 Mitgliedern nach nur sechs Monaten hat die Szene gegenüber Behörden und Politik ordentlich an Gewicht gewonnen. Dabei agieren Trailsurfers eher wie ein moderner Anti-Verein. Ihre Website www.trailsurfers-bw.de ersetzt das Vereinsheim, es gibt keine Verpflichtungen für die Mitglieder und die Finanzierung wird über Sponsoren abgedeckt. Aktionen wie Trailbau, Biken oder Vereinspartys werden spontan per WhatsApp organisiert.

Spaßige Lines im lockeren Laubwald
# Spaßige Lines im lockeren Laubwald

Rückgrat der Entwicklungen ist die breite gesellschaftliche Unterstützung, die die Biker rund um Beilstein erfahren. Diese wird durch ständige Öffentlichkeitsarbeit auf allen Kanälen mit ausschließlich positiven Nachrichten befeuert. Neben den naheliegenden sozialen Netzwerken (die vor allem die Szene ansprechen) werden aber auch Gemeindeblätter und Lokalzeitungen als wichtige Sprachrohre in die Gesellschaft genutzt. Aktionen wie der jährliche Woodland-Cleaning-Day, bei dem Biker Unmengen Müll aus dem Wald entsorgen, bieten hier guten Gesprächsstoff und beseitigen so manches Vorurteil.

Trailsurfer befreien den Wald von Müll und Schrott am Woodland Cleaning Day
# Trailsurfer befreien den Wald von Müll und Schrott am Woodland Cleaning Day
Der Woodland Cleaning Day: Ein voller Erfolg
# Der Woodland Cleaning Day: Ein voller Erfolg
Shuttlen wie in Finale - mit Jonny Love
# Shuttlen wie in Finale - mit Jonny Love

Als Ergebnis daraus liegt nun in Beilstein ein Plan für ein komplettes Netz an Singletrails vor, der pragmatisch, respektvoll und gemeinsam zwischen Gemeinde, Landkreis, Forst und Bikern erarbeitet wurde. Trailbau ist harte Arbeit: In über 700 freiwilligen Arbeitsstunden wurden schon vier Singletrails fertiggestellt. Diese sind nun öffentlich und legal für jedermann befahrbar und werden durch das Landratsamt ausgeschildert. Fast wöchentlich kommen neue Streckenabschnitte dazu, wie ihr hier verfolgen könnt: www.trailsurfers-bw.de/index.php/streckenuebersicht.

Serious Business
# Serious Business

Allerdings: Zu guter Letzt gibt es doch Unterschiede zwischen der kleinen Bikergemeinde und dem gallischen Dorf. Ein gutes Einvernehmen mit den Nachbarn sorgt im Bottwartal für Zufriedenheit. Anstatt sich mit Palisaden gegen sein Umfeld abzugrenzen, gilt hier das Motto einer Trailsurferin aus der Region „built trails not walls“. Das Modell des Miteinanders strahlt bereits auf die Nachbarn ab: Erst kürzlich hat ein weiterer Landkreis den Bikern sein Vertrauen ausgesprochen.

Text: Steffen Link | Bilder: Trailsurfers BW
  1. benutzerbild

    Athabaske

    dabei seit 08/2008

    Ist zwar eine Möglichkeit, da ich aber direkt alle Trails in der direkten Umgebung hab, kurbel ich die Trails selber an. Das einzige was ab und zu genutzt wird, sind die Berg- und Talbusse.
    Gibt es für die Busse eine Fahrplanübersicht?
  2. benutzerbild

    Athabaske

    dabei seit 08/2008

    Danke!

    Den Wald- und den Limesbus kannte ich schon. Der Berg-und-Tal ist mir neu.

  3. benutzerbild

    Deleted 289649

    dabei seit 12/2015

    Mein Lieblingsepilog in dieser Staffel ist eindeutig
    "Die rote Baumarktschaufel macht den Anfang"

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