
C8 Sports 2016
Für gewöhnlich ist Carbon-Recycling nicht einfach. Ehrlich gesagt ist das deutlich untertrieben, Carbon-Recycling ist äußerst schwierig – denn für gewöhnlich besteht das Material neben Kohlefasern aus Epoxidharz, einem duroplastischen Kunststoff. Das heißt: Der Kunststoff kann nicht geschmolzen werden, sondern muss aufwändig durch Chemikalien oder Pyrolyse (sauerstofffreie Erhitzung auf sehr hohe Temperaturen) von der Faser getrennt werden, wobei die Faser leider auch noch schlechtere mechanische Eigenschaften erhält, was hier häufig zu „Downcycling“ statt „Recycling“ führt.

Anders geht C8 Sports die Sache an: Sie verwenden einen thermoplastischen Kunststoff, um die Kohlefasern zu Produkten zu formen. Diese Kunststoffe können nach Verwertung wieder geschmolzen, umgeformt und neu verwendet werden. Der Haken: Die Herstellung ist deutlich schwieriger, denn dieser Kunststoff muss auf 400°C erhitzt werden, um verarbeitet werden zu können. Das ist etwas deutlich anderes, als bei gewöhnlichen Carbon-Produkten, an Handarbeit ist bei der Temperatur kaum zu denken. Deswegen haben die Schweizer den Prozess komplett automatisiert.
Der C8 Sattel wird also ohne Handarbeit, voll automatisiert hergestellt. Das spannende: Anders als sonst, werden Satteldecke und Gestell in einem Schritt hergestellt, der gesamte Sattel ist ein Teil, untrennbar miteinander verbunden. Möglich wird’s durch eine besondere Gestellform und ein großes Loch in der Satteldecke, welches gleichzeitig eine Damm-Entlastung bewirkt.
Wie können die Schweizer die Carbon-Herstellung einfach so automatisieren, während quasi alle anderen Carbon-Bike-Produkte in Handarbeit hergestellt werden? Der Grund ist eine gänzlich andere Technik: Während gewöhnlich sehr lange Kohlefasern in Form von Geweben oder Gelegen verwendet werden, verwendet C8 relativ kurze, 15 mm lange Schnipsel. Diese werden vorab mit dem Kunststoff imprägniert, dann kalt in die Negativ-Form des Produkts gelegt. Erst dann wird das Werkzeug geschlossen, das Material erhitzt und der Sattel in Form gepresst. Nach Abkühlen kann der Sattel aus dem geöffneten Werkzeug entnommen werden.
Das Ergebnis ist ein 69 g leichter Sattel, was zeigt, dass das verwendete Material trotz kürzerer Fasern ein riesiges Leichtbaupotential bietet.





Während der Sattel bereits direkt im Online-Shop bestellt werden kann (230 €), sind die anderen Teile noch nicht serienreif – das wird jedoch nach eigenen Angaben in Kürze der Fall sein.
Eurobike 2015
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27 Kommentare
» Alle Kommentare im Forumich sehe es auch so, Theorie und Praxis. Der Kunststoff muß aufgeschmolzen werden, die Fasern ausgerichtet (sonst sind die ja verklumpt - oder). Dann Transport zum Aufbereitet usw.
Ob das so Umweltfreundlich ist? Und 100% Recycling (also nicht Downcycling) ist mit Sicherheit nicht drin.
Bei uns in Deutschland muß der Hausmüll verbrannt werden per Gesetz. Das führt dazu, das die Müllverbrennungsanlagen - weil ein Gutteil des Hausmülls eher schlecht verbrennt - Kunststoff und Gummiabfälle zukaufen. Oder halt teureres Gas bzw. Öl verwenden zum erhöhen des Brennwertes. Da macht es mehr Sinn, den Joghurtbecher gleich in den Hausmüll zu werfen als in den Gelben Sack. Ansonsten kommen halt die Gummiabfälle des Scheibenwischerherstellers in die Anlage. Man müßte nur mehr darauf achten, daß der Kunststoff des Bechers vernünftig verbrennt.
Wenn ich meinen herkömmlichen Sattel wegwerfe, trenne ich das Gestell vom Rest des Körpers. Metall zum Bauhof und den Kunststoff in die Tonne.
Das Interessante an dieser Technologie ist ja eher, daß man hier recht einfach und kostengünstig leichte Teile herstellen könnte, da das aufwendige Laminieren von Matten entfällt.
Der Sattel - sind das eckige Rails?
Das ist doch nur ein "neuer" Weg der Herstellung, der sich möglichst weit durchsetzen sollte, damit man eines Tages ein gutes Recycling System hat.
Für einen Sattel mag das alles gehen und Sinn machen. Für tatsächlich hochbelastete Bauteile wie einen Rahmen eher nicht.
Die Fasern lassen sich zwar halbwegs orientieren bei 15 mm Länge, das ist schon richtig. Aber dennoch wird man in Sachen Festigkeit und Belastbarkeit mit diesem Verfahren deutlich schlechter sein als mit handlaminierten Endlosfasern in Duroplastmatrix. Als Folge würde bei hochbelasteten Bauteilen das Gewicht deutlich steigen.
Die hohen Temperaturen ergeben sich übrigens durch die sehr hohe Viskosität (Faktor 100, um eine Zahl zu nennen, im Vgl. zu Duroplast bei gleicher Temperatur) thermoplastischer Verarbeitungsmassen.
Dennoch:
Ein großes Lob an das Unternehmen. Für ein gewisses Teilespektrum ist das eine super Sache.
das faservolumengehalt kann aber ein paar prozent höher liegen.
Beim Sattel find ich den Ansatz mega. Für die meisten Carbonbuden aber wohl unbezahlbar die Fertigung.
Was ich aber schwierig finde ist die Kurbel. Da hätte ich gerne mehr umlaufende Fasern. Ich kann mir nicht vorstellen in wie weit das einer normalen Kurbel von zB. THM überlegen sein soll. Vor Allem kann sowas doof gesagt auch einfach mal stump abbrechen. Bei einer handelsüblichen Carbonkurbel mit Schaumkern und umlaufenden Fasern ist das eher schwierig, die verrecken in erster Linie am Pedalgewinde.
Da ich seit Jahren in der Entsorgungsbranche tätig bin, sehe ich täglich was für ein Dreck letztendlich zusammenkommt und bin daher eher realistisch bis pessimistisch beim Thema Recycling.
Leider verwechselt der Deutsche seine gelb-grün-blau-weiß-schwarz Sack & Tonnen Trennwut gerne mit Recycling.
Wer mal gesehen hat was z.B. ein Zementwerk (Privatunternehmen) so alles als Brennstoffe einsetzt (Stichwort: Thermische Verwertung) die durchaus oft aus den bunten Tüten & Tonnen der Haushalte kommen und dann aber sieht/liest, dass in der Müllverbrennungsanlage (i.d.R. öffentlich rechtlich d.h. meist durch Steuern & Müllbeiträge finanziert) dann für teures Geld Ersatzbrennstoffe zugekauft werden müssen nur damit der Kram überhaupt ordentlich brennt, der kann sich durchaus ..... wundern.
Der richtige Weg beginnt IMHO damit, die Wegwerfgesellschaft endlich davon zu überzeugen Dinge auch mal bis ans Ende deren Lebenszeit zu nutzen und nicht immer gleich was neues zu kaufen nur weil es toller, "besser", geiler oder einfach nur hipper ist.
Und dann erst kommen die Themen Recycling, Downcycling, Verwertung oder Beseitigung ins Spiel. Und hier sollte die Umweltbilanz der vor Ort der letzten Nutzung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten berücksichtigt werden und nicht das technisch machbare, nur weil das der Lobby XY besser gefällt (= mehr Gewinn abwirft und/oder Schultergeklopfe von/für Politiker gibt)
Bei den Produkten hier, wird es auch eine Menge X geben, ab der das aufwendige Recyclingverfahren außerhalb eines Versuchsstadiums überhaupt machbar ist. Bis es sich rentiert (finanziell & in der Umweltbilanz) ist dann sehr wahrscheinlich noch einmal eine deutlich größere Menge nötig. Zusätzlich ist die Schweiz auch noch ein Nicht EU Staat, was eine Abfallverbringung zurück über die Grenze auch nicht wirklich einfacher macht, egal ob es ein ach so tolles Recyclingmaterial ist oder nicht.
Sprich, letztendlich landen die Dinger in der Praxis auch im normalen Müll und damit in irgendeiner Verbrennungsanlage. Es sei denn, der Hersteller investiert einen nicht unerheblichen Teil des Verkaufspreises in ein Rücknahmesystem das tatsächlich bis zu Ende durchgezogen wird. Denn auch hier gibt es sehr viel Augenwischerei bei dem normalen Endverbraucher.
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