Absa Cape Epic im Oktober? Was auf den ersten Blick für meisten Szene-Experten merkwürdig erscheint, ergibt im Zuge der weltweiten Corona-Pandemie Sinn: Als sich im Frühjahr 2020 das Covid-19-Virus erstmalig rund um den Globus verbreitet, scharren die Top-Stars der Szene und viele ambitionierte Hobby-Athleten in Südafrika mit den Hufen. Das Absa Cape Epic 2020 scheint bis einen Tag vor seinem Start trotz einer rasanten Pandemie-Entwicklung gesichert zu sein, ehe auf Druck vieler Teams und Sponsoren doch noch die Reißleine gezogen wird und die 17. Auflage des Rennens abgesagt werden muss.
Die Organisatoren planen zunächst mit einer Veranstaltung ein Jahr später im Frühjahr 2021, doch auch da macht ihnen die weltweite Pandemie einen Strich durch die Rechnung. Es folgte die Terminverschiebung in den Oktober 2021 und damit die Umwandlung des Frühjahrs-Klassikers in der MTB-Szene zum krönenden Saisonabschluss.
Auch wenn vermutlich bei einem Termin im Frühjahr eine noch breitere Masse an Spitzenathlet*innen nach Südafrika gereist wäre, erwartet uns wie aus den vergangenen Jahren bekannt ein packendes Spektakel, das mit tollen Bildern und interessanten Rennverläufen aufwarten wird. Wenige Tage vor dem Start des Rennens wollen wir uns einen Überblick über die relevantesten Informationen zur Hatz am Westkap verschaffen!
Der Mythos
Als vor 17 Jahren die Organisatoren des Absa Cape Epic zum ersten Mal ein Fahrerfeld mit 550 Teilnehmern auf die 788 Kilometer lange Strecke von Knysna nach Stellenbosch schickten, konnte wohl keiner ahnen, welche Entwicklung das Rennen in Südafrika nehmen würde. Über Jahre hinweg wuchs die Veranstaltung und mit ihr die Prominenz des Starterfeldes. Insbesondere die mediale Präsenz weltweit verhalf dem Event zum aktuellen Status als wichtigstes Etappenrennen im Mountainbike-Bereich. Seriensieger wie der Deutsche Karl Platt und der Schweizer Christoph Sauser erlangten Heldenstatus, wie es hierzulande nur von Fußball-Stars bekannt ist.

Die Strecke
Staubig, heiß und steinig – die Strecke des Absa Cape Epic hat es auch in seiner bereits 17. Auflage in sich. 619 Kilometer und 15.250 Höhenmeter müssen die rund 650 Zweierteams in acht Tagen absolvieren. Im Gegensatz zu vielen Jahren zuvor wird es dieses Jahr abgesehen vom Prolog kein individuelles Zeitfahren geben. Diese Strecke war mit Ausnahme der vierten Etappe auch ursprünglich für das Rennen im Frühjahr 2020 geplant.
Der Start findet einmal mehr direkt am Fuße des Kapstadter Tafelbergs statt. Start- und Zielort des 20 Kilometer langen Prologs ist die Universität von Kapstadt. Auf den Trails unterhalb des Wahrzeichens der zweitgrößten Stadt Südafrikas müssen die Teams erstmals im Kampf gegen die Uhr alles in die Waagschale legen. Nach der Zieleinfahrt erwartet die Teilnehmer ein rund zweistündiger Auto-Transfer ins nordöstlich gelegene Witzenberg-Gebiet in die Stadt Ceres.

Erst am zweiten Tag wird es auf der ersten richtigen Etappe des Cape Epics so richtig ernst für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Auch wenn seit 2013 erstmals die erste Etappe des Cape Epics weniger als 100 Kilometer umfasst, dürfte die 98 Kilometer lange Strecke rund um den Start- und Zielort Ceres die Sportler außer Atem bringen. Rund 1.800 Höhenmeter stellen sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem ersten Teilstück in den Weg.
Auf der zweiten Etappe wartet bereits die Königsetappe mit 94 Kilometern und 2.050 Höhenmetern auf die Fahrerinnen und Fahrer. Auf dem Weg von Ceres in das Weingut Saronsberg im Tulbagh-Tal muss das Witzenberg-Gebirge überwunden werden. Viele Trail-Abschnitte und ein fordernder Sandstein-Untergrund machen den zweiten Abschnitt zur wohl herausforderndsten Etappe der Rennwoche.
Der dritte Tagesabschnitt führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf einer Strecke von 88 Kilometer inklusive 2.100 Höhenmetern rund um das Weingut Saronsberg, ehe am vierten Tag eine Überführungs-Etappe auf dem Weg ins Slankhoek-Tal ansteht. Bewusst haben die Organisatoren hier im Vergleich zur ursprünglich für 2020 geplanten Strecke die Anforderungen reduziert. Ursprünglich geplant waren über 100 Kilometer auf direkter Route nach Wellington – nun führt die Strecke über 73 Kilometer und 1.650 Höhenmeter ins Slankhoek-Tal. Nichtsdestotrotz erwartet die Teilnehmer*innen auf der vierten Etappe ein undankbares zackiges Profil mit vielen Singletrails und steilen Anstiegen. Zudem müssen alle Teilnehmer*innen im Ziel den Transfer nach Wellington vornehmen, wo es am nächsten Tag auf der fünften Etappe weitergeht.

Tags darauf wartet erneut eine echte Herausforderung auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Stolze 2.900 Höhenmeter auf 85 Kilometer Strecke gilt es auf der fünften Etappe zu bewältigen. Dabei wechseln sich steile Anstiege mit faszinierenden Abfahrten im Minutentakt ab – ein Terrain, das Cross Country-Spezialisten womöglich entgegenkommt? Auch der vorletzte Tagesabschnitt führt nochmals rund um die Weinhochburg Wellington: 95 Kilometer und 2.300 Höhenmeter auf einem Profil, das einem Sägezahn gleicht, dürfte nochmals für brennende Waden bei allen Beteiligten sorgen.
Doch das Ende der Qualen ist bereits in Sicht: Die letzte Etappe über lediglich 66 Kilometer führt die Fahrer einmal mehr ins Weingut Val de Vie, wo bereits bei der letzten Austragung die Finisher-Medaillen den erfolgreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern überreicht wurden.

Die Favoriten
In der jüngsten Vergangenheit war das Cape Epic geprägt von epischen Duellen zwischen verschiedenen Teams hauptsächlich aus dem Lager der Cross Country-Expert*innen: Bei der letzten Austragung im Jahr 2019 boten sich in der Herren-Konkurrenz der amtierende Olympia-Sieger Nino Schurter gemeinsam mit seinem schweizerischen Landsmann Lars Forster ein packendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Cannondale-Duett Manuel Fumic/Henrique Avancini. Bei den Damen war der Sieg 2019 eine klare Sache für die Dänin Annika Langvad, die gemeinsam mit der damaligen Straßen-Weltmeisterin Anna van der Breggen triumphieren konnte. Der letzte Triumph eines männlichen Duos aus der Szene der Marathon-Spezialisten – Karl Platt und Urs Huber 2016 – ist bereits fünf Jahre her, bei den Damen waren mit Jennie Stenerhag aus Schweden und Esther Süss aus der Schweiz vor vier Jahren zuletzt zwei Marathon-Fahrerinnen siegreich.
In diesem Jahr ist die Situation insbesondere aufgrund der späten Lage im Rennkalender jedoch ein besondere: Viele Cross Country-Asse wie auch die beiden männlichen Sieger aus dem Jahr 2019 haben eine unglaubliche Menge an Renn- und Reisekilometern hinter sich und haben sich dementsprechend nach den letzten wichtigen Rennen frühzeitig in die Saisonpause verabschiedet. Parallel dazu fand erst vor etwas mehr als einer Woche das Saison-Highlight auf der Langstrecke, die Marathon-Weltmeisterschaft statt, sodass insbesondere die Spezialisten in dieser Disziplin noch voll im Saft stehen dürften. Dennoch könnte sich abermals sowohl bei den Herren als auch bei den Damen ein Duell der Disziplinen anbahnen – insbesondere im Hinblick auf das meist sehr zackige und Cross Country-typische Streckenprofil der einzelnen Etappen.

Damen – Frei und Stigger gegen die Langstreckenasse?
Mit zwei prominenten Namen startet das Specialized Factory Racing Team bei den Damen in das Cape Epic 2021: Nachdem das Werksteam der amerikanischen Bike-Schmiede zu Beginn dieses Jahres einen massiven Umbruch erlebt hatte, werden nun gänzlich neue Gesichter versuchen, in die Fußstapfen der fünffachen Cape Epic-Siegerin Annika Langvad zu treten. Short-Track-Weltmeisterin Sina Frei aus der Schweiz und die Österreicherin Laura Stigger gelten seit vielen Jahren als mitunter größte Talente im Mountainbike-Sport und sind inzwischen aus der absoluten Weltspitze nicht mehr wegzudenken.
Auf dem Papier sind die beiden gegenüber der teils ausschließlich auf die Langstrecke konzentrierten Konkurrenz deutlich überlegen. Doch die Vergangenheit zeigt, dass beim Cape Epic einfache Rechnungen meist nicht aufgehen. Stigger und Frei bestreiten erstmalig ein gemeinsames Etappenrennen und besitzen zudem kaum Erfahrungen in anderen Konstellationen bei Mehrtagesrennen – ein klares Handicap auf dem Weg zum möglichen Sieg in Südafrika.

Die fehlende Erfahrung dürfte zumindest bei drei weiteren favorisierten Damen-Duos kein Hindernis darstellen: Allen voran die Schweizerin Ariane Lüthi und die Südafrikanerin Robyn de Groot dürften dank ihrer langjährigen Expertise beim Cape Epic und ihrer zusätzlichen physischen Stärke zu den ärgsten Rivalinnen von Frei und Stigger auf dem Weg zum Gesamtsieg zählen. Lüthi belegte bei den kürzlich stattgefundenen Marathon-Weltmeisterschaften den fünften Rang, de Groot landete nur knapp dahinter auf Rang sechs. Beide Fahrerinnen absolvierten schon mehrfach erfolgreich das Cape Epic, dieses Jahr sind sie nun erstmalig gemeinsam auf der Mission Gesamtsieg unterwegs.
Auch die beiden einheimischen Fahrerinnen Candice Lill und Mariske Strauss und das schwedisch-südafrikanische Duo Jenny Stenerhag/Amy McDougall können auf ihre Erfahrung am Westkap bauen. Wie auch die einzige deutsche Fahrerin im erweiterten Favoritenkreis, Adelheid Morath, die gemeinsam mit der größtenteils in Deutschland lebenden Südafrikanerin Cherie Redecker am Start stehen wird. Direkte Vergleiche all dieser Fahrerinnen gab es in jüngerer Vergangenheit kaum, sodass eine Vorhersage über die Chancen auf die Podiumsplätze recht schwer fällt.


Herren – Marathon-Asse in Favoritenstellung
Es hätte der krönende Abschluss einer erfolgreichen Karriere werden sollen: Manuel Fumic kämpfte über viele Jahre hinweg mit seinem Teamkollegen Henrique Avancini beim Cape Epic um den so ersehnten Triumph bei der Tour de France der Mountainbiker. Rang fünf, vier, drei und zwei stehen für eines der prägendsten Duos des Cape Epics der vergangenen Jahre zu Buche – einzig und allein der große Triumph fehlte noch im Palmarès des deutschen Vorzeige-Mountainbikers. Doch zunächst die Corona-Pandemie und nun ein Sturz mit Frakturen in der Mittelhand und am Ellbogen sorgten für das Ende aller Träume auf einen erfolgreichen Karriere-Abschluss in Südafrika.

Fumic und Avancini mussten einsehen, dass in dieser Konstellation ein Start beim Mehrtagesklassiker nicht möglich sein würde und beschlossen daher, ihren beiden jungen Teamkollegen vom Cannondale Factory Racing Team den Vortritt zu lassen: Der Däne Simon Andreassen und der Südafrikaner Alan Hatherly sollten noch bis vor wenigen Tage die Fahnen des Cannondale Factory Racing Teams hochhalten und in Abwesenheit der Sieger der letzten Ausgabe, Nino Schurter und Lars Forster, die Reihe der Cross Country-Spezialisten im Herrenfeld anführen. Doch auch dies wird nicht der Fall sein: Bauchbeschwerden begleiteten Simon Andreassen unmittelbar nach der Ankunft in Südafrika, die sich letztlich als Entzündung des Wurmfortsatzes herausstellten. Dieser wurde nun operativ entfernt, sodass Andreassen nicht mit Alan Hatherly am Sonntag im Kapstadt beim Start des Cape Epic dabei sein wird.
Dementsprechend wird das Feld der reinen Cross Country-Spezialisten in der Favoriten-Position erheblich ausgedünnt. Nach dem Aus von Hatherly und Andreassen starten einzig der Schweizer Filippo Colombo und der Italiener Juri Zanotti als reine XC-Spezialisten mit vielen Erfolgen in der olympischen Disziplin. Sie sind jedoch erstmalig beim Cape Epic dabei und müssen genauso wie Laura Stigger und Sina Frei bei den Damen mit dem Handicap der fehlenden Erfahrung umgehen.

In deutlich größerer Stärke reißt die Riege der Marathon-Spezialisten ans Kap der guten Hoffnung: Unter anderem der frisch gebackene Marathon-Weltmeister aus Deutschland, Andreas Seewald, gilt gemeinsam mit seinem tschechischen Teamkollegen Martin Stosek vom Canyon Northwave Team als heißer Anwärter auf den Triumph beim Cape Epic. Eindrucksvoll sicherte sich Seewald auf der italienischen Insel Elba vor wenigen Tagen den WM-Titel und ließ unmittelbar danach noch einen weiteren Erfolg beim prestigeträchtigen Roc d’Azur-Marathon folgen.
Auch das deutsche Team Bulls möchte in der Tradition ihrer erfolgreichsten Zeiten beim Cape Epic, als Karl Platt gemeinsam mit Urs Huber und Stefan Sahm mehrfach erfolgreich war, wieder um den Gesamtsieg mitmischen. Dafür wurde in diesem Jahr die Teamkonstellation innerhalb der Bulls-Equipe umgestellt: Nachdem in den vergangenen Jahren Urs Huber mit Simon Stiebjahn unterwegs war und die beiden jüngeren Fahrer Martin Frey und Simon Schneller als Backup-Team fungierten, wird nun Schneller gemeinsam mit Huber die Speerspitze des Bulls-Teams bilden und Frey und Stiebjahn als Backup-Team dienen. Mit Rang 14 bei der Marathon-WM zeigte insbesondere Schneller, dass er aktuell in guter Verfassung scheint, Urs Huber musste das WM-Rennen auf Elba aufgrund von Rückenschmerzen vorzeitig aufgeben.



Ein weiteres Duo mit Podest-Ambitionen ist das italienische Duett Samuele Porro/Fabian Rabensteiner: Beide Fahrer bringen genügend Cape-Erfahrung mit, Porro landete zudem beim letzten Rennen am Westkap 2019 als Drittplatzierter mit seinem damaligen Partner Damiano Ferraro sogar auf dem Podest. Eine interessante Mischung aus XC- und Marathon-Expertise schickt unterdessen Specialized mit Jordan Sarrou aus Frankreich und Matthew Beers aus Südafrika ins Rennen. Sarrou gewann 2019 etwas überraschend die Cross Country-Weltmeisterschaft, Beers gilt seit vielen Jahren als Nummer zwei im südafrikanischen Mountainbike-Sport hinter Alan Hatherly und hat bereits vier Cape Epics erfolgreich beendet. Als Backup-Team für dieses Team startet niemand Geringeres als Cape Epic-Legende Christoph Sauser gemeinsam mit dem brasilianischen Nachwuchstalent Alex Malacarne.

Live-Übertragung
Das Absa Cape Epic ist das Mountainbike-Event mit der weltweit meisten Sendezeit im Fernsehen. Der Aufwand, der zur Produktion von TV-Bildern und Fotos aufgebracht wird, ist enorm. Auch in diesem Jahr wird der Veranstalter einen Livestream von jeder Etappe bereitstellen. Die Übertragungen starten täglich um 8:30 Uhr und werden meist bis zum Zieleinlauf der schnellsten Damen übertragen. Angesehen werden kann der Live-Stream auf der Internetseite vom Absa Cape Epic, auf Youtube, auf der Facebook-Seite des Absa Cape Epic oder mittels der EPIC Series App, die in den App-Stores von Google und Apple geladen werden kann.

Absa Cape Epic 2021 auf MTB-News.de
Wir werden auch in diesem Jahr täglich ausführlich vom Absa Cape Epic berichten. Wie gewohnt werden wir euch zusammen mit Fotostories einen ausführlichen Bericht über die Renngeschehnisse liefern. Seid also gespannt auf die Highlights der kommenden Woche!


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