Runde Numero 4 des Downhill World Cups und es ging zum ersten Mal für mich in die Pyrenäen, in das Fürstentum Andorra, genauer nach Vallnord. Hier findet jedes Jahr ein weiterer Klassiker der Serie statt und das gesamte Fahrerfeld schwärmt von dem Rennen. Meine ersten Begegnungen mit dieser Strecke fallen allerdings äußert differenziert aus: Von Frust bis Spaß ist alles dabei, aber lest selbst.

Road Trip!

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Es ist Sonntag um die Mittagszeit und ich packe meine letzten Klamotten, bereite Essen vor, checke das Bikezeug. Warum jetzt schon? Wir haben uns entschieden die 1.600 km bis Andorra in 3 Tagen zurückzulegen. Erster Stop Freiburg, dann Südfrankreich und schließlich bis nach Andorra. Begleiten wird mich dieses Mal Erik Fickelscheer und mir als Autofahrer und Mechaniker hoffentlich zuverlässig zur Seite stehen. Gegen 5 Uhr starten wir den Motor Richtung Süden und kommen nach gut 5 Stunden Fahrt in Freiburg bei Cornelius an – ihr kennt ihn als Chef der Firma Intend, für die ich letzte Jahr gefahren bin.

In seiner Studentenbude/Werkstatt dürfen wir die Nacht verbringen. Vorher geht es noch ein Eis essen in der Stadt – ich bin echt begeistert, was halb 11 Sonntag Abend hier noch los ist! Eine wirklich sehr schöne Stadt und ich war definitiv nicht das letzte Mal hier, schließlich gibt es ja auch noch Trails auszuchecken. Aber dafür ist jetzt keine Zeit.

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Am nächsten Morgen geht es um 7 Uhr weiter nach Frankreich. Die Autobahnen sind frei und wir kommen ohne Stau oder andere Zwischenfälle am Nachmittag südlich von Montpellier an der südfranzösischen Küste an. Sofort werden die Bikes aus dem Auto geholt und die Beine freigetreten. Das Thermometer zeigt 38 °C und der anschließende Badegang im Mittelmeer gleicht eher einem Whirlpool-Besuch als einer erfrischenden Abkühlung ?

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Am Abend geht es ein Stück in Richtung des Landesinneren. In einem kleinen verschlafenen Örtchen namens Nezignan befindet sich unsere Unterkunft für die Nacht. Jetzt graust es mir vor der Kommunikation, denn meine Französisch-Kenntnisse gehen gegen Null und die Englisch-Kenntnisse der Franzosen halten sich ja bekanntlich auch in Grenzen. Dieses Problem sollte sich aber in der nächsten Minute lösen, denn als wir aus dem Auto steigen, begrüßt uns der Nachbar des Vermieters auf Deutsch. Er kommt aus Hessen und wohnt seit einigen Jahren hier – Zufälle gibt es ?

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Am späten Abend schlendern wir noch kurz durch die Gassen Nezignans bis wir schließlich um 11 bei immer noch 32 °C versuchen zu schlafen. Naja, ihr könnt euch vorstellen wie die Nacht verlief … Das Frühstück auf dem Balkon mit Croissants und frischem Baguette rettet dann allerdings den Morgen. Ab ins Auto und auf in die Pyrenäen. 280 km, 4 Stunden Autofahrt, Kurven fahren kann man danach auf jeden Fall! Auch der letzte Teil der Reise verläuft ohne Zwischenfälle und wir können am frühen Nachmittag den Reichtum Andorras bestaunen.

Ein Skilift am Anderen, noble Hotels und äußerst gepflegte Orte. Auch unsere Unterkunft befindet sich in einem riesigen Komplex aus mehreren Häusern, welche übereinander in den Hang gebaut wurden. Heute passiert dann außer einem kleinen Krafttraining nicht mehr viel, denn morgen ist ja auch schon Track Walk-Tag.

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Track Walk

Mittwoch! Zur kurzen Erklärung, falls sich jemand wundert, weshalb heute schon Trackwalk ist: Ab diesem Weltcup findet alles einen Tag eher statt (also Samstag schon Finale), da gleichzeitig die Cross Country-Rennen stattfinden. Also jetzt Startnummern holen und hoch in die Pits. Die sind nämlich in Andorra immer oben am Start. Bis 14 Uhr ist noch Zeit und wir bauen das Carbocage-Zelt auf, in dem ich wieder Unterschlupf finde. Dann geht’s auf die Strecke und ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, weil so ziemlich jeder Fahrer von der besten Strecke im Weltcup-Zirkus spricht.

Definitiv ein hilfreiches Werkzeug für den Track Walk
# Definitiv ein hilfreiches Werkzeug für den Track Walk

Für den unteren steilen Teil habe ich mir ein paar Wanderstöcke besorgt, mal gucken ob das so cool ist ? Die ersten Abschnitte der Strecke sind wirklich flach und es ist viel Treten angesagt. Die vereinzelten Steine und Wurzeln sehen harmlos und spaßig aus. Nach etwas mehr als der Hälfte wird es dann allerding anspruchsvoll und steil. Schon jetzt ist der Boden extrem trocken und rutschig. Unten angekommen haben mir die Wanderstöcke definitiv den Abstieg erleichtert und Kraft gespart! Und die Strecke? Sieht gut aus, und technisch. Ich bin gespannt wie es sich fahren lässt.

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Training

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Am Donnerstag geht es trotz A-Trainings recht früh in die Pits. Erik muss meine Gabel noch zum Service zu Fox bringen und ich habe auch noch ein paar Dinge zu klären. Schließlich stellt Jordi von Fox mein Fahrwerk noch ziemlich um. Vor allem den Dämpfer macht er schneller und dreht Compression raus, mhhh. Um 12 Uhr darf ich dann meinen ersten Trainingslauf angehen. Selbstbewusst und motiviert rolle ich los und bin direkt ganz schön überrascht wie viel anspruchsvoller die Strecke schon im oberen Teil ist, als ich dachte. Scheinbar lerne ich allerdings aus den ersten Metern nicht und bekomme die Retourkutsche im nächsten Waldstück.

Eine Off Camber-Linkskurve lässt mein Vorderrad an einer Wurzel eintauchen und ich gehe hart über den Lenker. Guten Morgen! Jetzt bin ich auf jeden Fall wach und muss mich erstmal sammeln. So hart bin ich lange nicht gestürzt. Kopf und Rücken schmerzen und am Fahrrad gibt es auch ein paar Defekte. Ich nehme mein Bike und schiebe knapp dreiviertel der Strecke runter. Prima, so kann’s losgehen, denke ich mir, als ich endlich mal im Lift sitze.

Ich bin super froh, Erik dabei zu haben. Mein Bike liefere ich bei ihm ab und gehe mit meinem schmerzenden Körper zur Physio vom Syndicate. Laura knetet mich einmal durch und macht meinen unteren Rücken wieder beweglich. Zwei Stunden später sitze ich erneut auf dem Rad und rolle deutlich verhaltener die Strecke einmal ab. Okay, eigentlich ist doch alles fahrbar. Nächste Abfahrt und den großen Sprung abgehakt. Yes, so langsam kommt das Selbstbewusstsein zurück!

Noch zwei Timed Training-Läufe und dann reicht es für heute. Trotzdem, so richtig wohl fühle ich mich noch nicht auf dieser Strecke. Vor allem der untere steile Teil ist extrem anspruchsvoll und kostet eine Menge Kraft! Am Abend heißt es weiter Wunden lecken und dann viel schlafen.

Qualifying

Freitag Morgen. Die heutige Nacht war nicht so erholsam, jedes Drehen im Bett schmerzte und ich habe heute echt Mühe in den Gang zu kommen. Nochmal schnell zur Physio, viel Dehnen und Mobility-Übungen und ich fühle mich bereit zum Fahrrad fahren. Und was soll ich sagen, man sitzt auf dem Bike und schon merkt man nichts mehr vom stechenden Rücken oder ziehenden Nacken. Radfahren bewirkt halt Wunder, haha ?

Meine erste Trainingsabfahrt läuft top, endlich kann man das Mal wieder Fahrrad fahren nennen! Auch die zweite Abfahrt ist okay, ich habe mich mittlerweile auch gut an die Fahrwerksänderungen gewöhnt und bin bereit für meinen ersten richtigen Fullrun auf dieser Piste.

Was mega cool ist: ich darf meinen Quali-Lauf auf GoPro filmen! Und was noch cooler ist: wenn man die GoPro dann auch anschaltet, bevor man losfährt … #anfängerfehler. Jaaa… Schade, dann gibt es eben keine Aufnahmen. Genau das fällt mir natürlich ein nachdem ich aus dem Startgate gerollt und über den ersten Sprung geflogen bin. Ich überlege ernsthaft kurz die Kamera noch einzuschalten, entscheide mich dann aber dagegen und konzentriere mich vielleicht doch lieber auf die Strecke. Neben dieser Unkonzentriertheit im oberen Teil, passieren mir noch ein, zwei kleine Fehler im unteren Teil und als ich durch den Zielanlieger rolle, hake ich den Lauf als einen „Quali-Lauf“ ab. Morgen muss das auf jeden Fall besser werden!

In der Qualifikation lief alles wie am Schnürchen
# In der Qualifikation lief alles wie am Schnürchen

Als Tracey dann schließlich ins Ziel kommt und klar wird, dass meine Zeit höchstwahrscheinlich zur Tagesbestzeit reicht, bin ich ziemlich erstaunt. Der Lauf hat sich nicht so angefühlt, aber okay, dann hab ich jetzt wahrscheinlich gerade meine erste Quali in einem World Cup gewonnen. Sau cool! Aaaber das Rennen ist erst morgen ?

Am Nachmittag kommt Rachel mich aufsuchen und gratuliert mir zum Quali-Sieg. Ich quatsche über eine halbe Stunde mit ihr, Fazit: sehr sympathisch ? Ansonsten muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich ziemlich entspannt bin und gerade alles einfach genieße. Die Fragen nach Nervosität, weil ich ja morgen „Last Girl down the hill“ bin, höre ich mir an und hake sie ab – letztlich ist es nichts anders als sonst im Finale. Im Gegenteil, ich freue mich sogar drauf, morgen als letztes Mädel ins Tal zu heizen.

Finale

Mit diesen positiven Gedanken geht’s in den Finaltag. Zwei Trainingsläufe und ich bin „Ready for Finals“! Wir stellen die Warm up-Rolle heute außerhalb der Pits in den Wald. Ich hatte gestern echt Probleme in das „Racefeeling“ zu kommen, wenn man sich inmitten von Leuten im Zelt warmtritt. Im Wald habe ich meine Ruhe und kann mich gut fokussieren. Etwas Anspannung ist nämlich dann trotz der ganzen gespielten Coolness doch da, haha.

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13:08 Uhr ist mein Start, 13 Uhr rolle ich vor. GoPro einschalten, ein paar letzte Schlucke trinken, dann schiebe ich ins Gate. Los geht’s zu meinem ersten Lauf als Quali-Siegerin. Verrückt, wie oft ich schon im ersten Teil meinen Namen rufen höre am Streckenrand – in Andorra ? Und der erste Teil meines Laufs hätte nicht besser sein können. Ich treffe alle Linien und komme gut durch.

Doch das sollte sich nach der Hälfte ändern. In der ersten Linkskurve nach der zweiten offenen Sektion, rutsche ich etwas und setze den Fuß links ab. Problem, ich komme nicht sofort wieder in das Klickpedal und fahre ausgeklickt weiter. Vor dem Steinfeld wird mir das dann zum Verhängnis und wirft mich das erste Mal fast vom Rad (witzig, unten im Ziel kann ich mich an diese Aktion gar nicht mehr erinnern, sehe es erst dann im Replay). Egal, gerettet, eingeklickt, weiter!

Es geht in den steilen Teil der Strecke, dort wo ich gestern die Quali gewonnen habe. Und schon passiert der nächste Fehler. Vor der Brücke bekomme ich einen Schlag, der mich nach rechts versetzt. Ich sehe mich eigentlich schon rechts vorm Baum kleben … Leute fragt nicht, wie ich das noch gerettet habe, aber irgendwo haben die Reifen im zentimetertiefen Staub wieder Grip gefunden und mich auf die Brücke geleitet.

Puuuh, jetzt reiß dich doch mal zusammen sag ich mir. Und bäm, da ist Fehler Numero 3 und liege ich im Staub von Andorra, in meinem Rennlauf. Schöne Sch****. Egal, ab zum Bike und weiter! Aber halt, mein Schuh? Fuck der hängt am Pedal. Oh Mann, was für eine peinliche Aktion ist mein erster Gedanken. Zum ersten Mal in deinem Leben verlierst du einen Schuh beim Radfahren und das in deinem ersten Weltcup Finale nach einem Quali-Sieg. Aber was bleibt mir jetzt anderes übrig?

Ich schwinge mich aufs Rad, rolle die ersten zwei Kanten nach unten und merke: Der Grip ist nicht schlecht. Geil, dann also auf der Socke ins Ziel… Mein Schuh hängt übrigens nach wie vor an der Unterseite vom Pedal fest. Nur vor dem finalen Step-down habe ich Angst, doch auch hier hält die dicke Fox-Socke stand. Über die Ziellinie gerollt, reiße ich meinen Fuß hoch und strecke ihn über den Lenker. Leider habe ich die Aktion nicht zu Ende gedacht, der Fuß muss ja auch wieder zurück und ich bin dazu noch ganz schön schnell. Und zack liege ich erneut im Dreck bei dem Versuch den Fuß außen über den Lenker zurückzuführen.

Mit der Speedway-Haltung durch den Zielbereich
# Mit der Speedway-Haltung durch den Zielbereich
Weltmeisterin und Deutsche Meisterin begutachten Schuh am Klickpedal
# Weltmeisterin und Deutsche Meisterin begutachten Schuh am Klickpedal

Okay, das „Cool-sein“ üben wir nochmal, aber wenigstens bin ich weitestgehend unverletzt ins Ziel gekommen. Rachel, Tracey und Marine kommen und helfen mir hoch. Ich bin völlig aufgedreht und komme aus dem Lachen kaum mehr raus. Was war das denn bitte gerade für eine Aktion. Da stürze ich in meinem Weltcup Finallauf, zieh mir den Schuh dabei aus und muss auf meiner Socke den letzten Teil der Strecke fahren, hahaha.

An dieser Stelle noch kurz ein Kommentar zum Material: Der Schuh ist ganz, die Cleats waren neu und das Pedal auch top in Schuss. Und auch ich hatte den Schuh meiner Meinung nach fest genug zugebunden. Letztlich bin ich fast froh, dass es den Schuh von meinem Fuß getrennt hat und nicht irgendwelche anderen Körperteile. Und meinem Fuß geht es dank der dicken Fox-Socken auch bestens!

Im Endeffekt reicht mein halber „Shoeless“-Ride noch für Platz 9. Damit habe ich mir zumindest ein paar Punkte für die Gesamtwertung schnappen können und stehe jetzt auf Platz 4. Klar ist das nicht das Ergebnis, was ich mir erhofft habe. Aber ich sehe die Sache gelassen und habe wieder einiges dazu gelernt ?

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# 2399435-5zcmr1hhta7v-andorra finale 3888-original

Nächste Woche in Les Gets wird wieder auf Angriff gefahren, dann hoffentlich mit zwei Schuhen im Ziel und einem Podium-Platz!

Bis nächste Woche, eure Nina

  1. benutzerbild

    freetourer

    dabei seit 03/2006

    Sehr cooler Bericht.

    Falls Du hier mitliest: Glückwunsch zum esten Quali-Sieg. Und den Rest einfach als weiteren Lernprozess verbuchen, sich nicht mit Vorwürfen belasten und genau analysieren, was wie warum passiert ist.

  2. benutzerbild

    TAILor

    dabei seit 06/2004

    Mega gut! Einen so sympathischen Bericht hab ich selten gelesen. Mach weiter so smilie

  3. benutzerbild

    davez

    dabei seit 11/2017

    Toller Bericht und viel Erfolg bei den weiteren Rennen! smilie

  4. benutzerbild

    Schnegge

    dabei seit 08/2005

    Super Einstellung smilie Super Leistung smilie Super Bericht smilie Super sympathisch smilie

  5. benutzerbild

    Onkel_Bob

    dabei seit 04/2016

    Puh, heftiger Sturz in Val di Sole - da bekommt man ja vom Zuschauen Kopfschmerzen ... gut, dass das so glimpflich abgelaufen ist.

    Hoffentlich gibt es trotzdem einen Rennbericht?

    Viel Erfolg für die nächsten Rennensmilie

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