Unser Gastautor Daniel Häberle hat für euch etwas Neues ausprobiert: Linienführung – ein Bike-Seminar, das über das übliche Fahrtechniktraining hinausgeht und auch Selbstmanagement sowie Athletik- und Mentaltraining beinhaltet. Erfahrt im Artikel, wie ihm der neue Ansatz gefallen hat.
Montag, 8:30 Uhr. Mein Telefon klingelt, während der halb erkaltete Kaffee durch meine “Office 365” Porzellantasse schwappt. Eine mir sympathische Stimme mit starkem Pfälzerwald-Einschlag redet los. “Ja hallo, hier der Benjamin von Linienführung.” Von was bitte? Linienführung? Lebenstipps für Morgenmuffel? Oder etwa ein Suchtpräventionsberater, der die falsche Nummer gewählt hat? Dabei erfahre ich schnell, dass Benjamin eigentlich Geschäftsführer eines renommierten Brillenfachgeschäfts ist – ein Tüchtiger, wie sich im Verlauf unseres Gespräches herausstellt. Aber auch einer, der dem Geländeradsport frönt und seine Begeisterung dafür kaum in Grenzen halten kann.
Zusammen mit Freunden sah er die Dringlichkeit, ein Seminar für Biker ins Leben zu rufen, das über den klassischen Fahrtechnikansatz hinausgeht. Die Rede ist von “Linienführung – besser Biken”. Ein ganzheitlicher Ansatz angefangen von Selbstmanagement, über Athletiktraining, bis hin zu Fahrtechnik- und Mentalschulung. Linienführung bietet dabei ein zweitägiges Seminar mit einem umfassenden Programm für ambitionierte Fahrer an. Bei der Frage, ob ich zur zweitägigen Auftaktveranstaltung im Dezember nach Landau in die Pfalz kommen möchte, zögere ich zunächst. Brauch ich sowas? Eigentlich doch nicht. Aber irgendwie interessant klingt es schon – also los!
Der Ablauf
Die Trainer Benny, Sandra, Michael und Paul begrüßen mich und die anderen Teilnehmer am ersten Tag im Seminarraum eines Sportzentrums in Landau, Pfalz. Ich bin leider etwas spät dran. Die anderen hatten bereits die Chance, sich auf einer Ausfahrt am Morgen zu beschnuppern. Aber kein Problem – alle Teilnehmer entpuppen sich als durchweg solide Charaktere. Dann mal los! Nach einer gemeinsamen Begrüßung startet Benny minutiös getaktet in den Tag. Schnell zeigt sich, dass dieser Mensch als Geschäftsführer schon etwas von Organisation und Selbstmanagement zu verstehen scheint. Er berichtet viel aus seinem eigenen Alltag und gibt gute Tipps und Anleitungen. Tipps, die, wenn man selbst ein wenig reflektiert, doch auch sehr hilfreich erscheinen.
Dabei liegt der Fokus auf den Punkten Zeit- und Selbstmanagement sowie Organisation im Hinblick auf Training und Ziele. Eine Frage zum Beispiel: Wie kann ich meine vierzigstündige Arbeitswoche möglichst so effizient gestalten, dass ich das Maximum für mein Training heraushole? Eine Stunde Seminar und eine kurze Kaffeepause später geht es an das Athletiktraining mit Michael Kley. Michael ist ein richtig kompetenter Kerl: Der Diplomsportwissenschaftler ist selbst auch passionierter Endurist und hat in der Vergangenheit viel mit Sportlern, wie unter anderem den Fahrern vom Focus Trailteam, zusammengearbeitet.
Michael gelingt ein interessanter und verständlicher Mix aus Theorie und Praxis. Die nachfolgenden 90 Minuten haben es in sich: penibel kontrollierte Stabi-Übungen, Kettlebell-Swings oder Training am TRX – wer sich auspowern will, kommt hier nicht zu kurz. Aber Michael macht auch verständlich, was welche Übung übertragen für uns Radfahrer bringt – wieder eine Idee schlauer geworden! So langsam macht sich das Gefühl breit, dass das Ganze hier ein sehr lohnenswerter Zeit-Invest ist.
Es wird viel diskutiert, gefragt und ein reger Austausch findet statt. Alle Fragen werden von den Trainern beantwortet und so füllen sich die Köpfe an diesem Samstag recht schnell mit Informationen. Das mentale Training übernimmt Sandra. Sie ist Diplompsychologin und coacht Manager in größeren Wirtschaftsunternehmen gleichermaßen wie Motorsportler und Radsportenthusiasten. Ihr Steckenpferd: Survival Reactions, Achtsamkeit und mentale Landkarten. Bitte was? Zugegeben, man muss sich schon darauf einlassen, aber wer sich hohe Ziele für die Saison steckt, der muss diese auch erstmal entsprechend beurteilen, niederschreiben und sein mentales Gefüge so trimmen, dass die Zielerreichung auch bestmöglich gelingt. Sandra nennt dabei viele Techniken, Tipps, Tricks und glänzt mit ordentlich Knowhow.
Den Abschluss des inzwischen schon fortgeschrittenen Seminars bildet Paul und seine Freundin von MTB-Trifelsland. Paul ist ein korrekter und lockerer Kerl, der es auf dem Bike gerne mal stehen lässt. Bei diversen Enduro-Rennen trifft man ihn auch auf den vorderen Rängen des Feldes an. Anschaulich und verständlich erklärt er Fahrwerkssetup, Position auf dem Rad und viele weitere Komponenten, die in der Praxis wichtig werden. Denn das Seminar besteht auch aus einem zweiten, sehr praxisnahen Teil auf dem Rad.
Während der Zeiger an der 18 kratzt, bewegen sich die Teilnehmer gemeinsam zum Essen. “Puh – wird auch Zeit!”, denke ich mir! Viel Input, gepaart mit körperlicher Anstrengung ergibt in Summe großen Hunger. Am nächsten Tag wartet die Pfalz mit einer leichten Schicht Schneepuder auf die Teilnehmer. Flowig, deliziöses Erdgeläuf, garniert mit feinsten Tannennadeln, plus dem bereits angedeuteten Schnee – so what! Paul erklärt verschiedene Fahrszenarios und zeigt Linien anhand schön ausgesuchter Beispielstellen im Gelände. Er und seine Freundin korrigieren bei Teilnehmern wo nötig und motivieren sie auch bei widrigen Bedingungen. Für meinen Teil erfahre ich hier am wenigsten Neues, doch trete der Sache sehr aufgeschlossen gegenüber. Gegen 12 Uhr steigen alle vom Rad und verabschieden sich.
Fazit
Am Ende sind sich alle einig, viel mitgenommen zu haben. Sicher hat manch einer hier und da, an der ein oder anderen Stelle diverse Dinge schon einmal gehört oder bereits gekannt – was sich bei dem Themenumfang des Seminars allerdings auch nicht vermeiden lässt und auch gar nicht schlimm ist. In Summe aber war es ein sehr weitreichendes Event, welches sich meines Erachtens an ambitionierte Hobbyfahrer richtet, die ein bestimmtes Ziel verfolgen. Ein Ansatz, der mir vom Konzept, bis hin zur Umsetzung sehr gut gefällt. Ein Besuch? Definitiv lohnenswert! Sofern man vor dem Preis von 398 € nicht zurückschreckt. Dafür bekommt man eben aber auch einiges an Leistung.
Das nächste Seminar findet am 17.–18.02.2018 statt. Mehr Infos unter www.linien-fuehrung.de.
Habt ihr schonmal an einem Fahrtechnikkurs oder etwas ähnlichem teilgenommen? Was sagt ihr zum Ansatz von Linienführung?
MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von Daniel Häberle zur Verfügung gestellt. Für weitere Informationen zum Angebot findet ihr den Link zum Anbieter im Artikel.
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