Wir haben in der Vergangenheit schon häufiger Fotografen vorgestellt, aber dieses Mal ist unser Interviewpartner Erik Hölperl nicht nur langjähriges IBC-Mitglied, sondern hat sich auch auf eine bestimmte Art von Fotos spezialisiert: Action-Selbstporträts in Verbindung mit spannender Architektur, die er vor Kurzem auch in einem Video zusammengefasst hat. Wie Erik diese Fotos produziert, warum er sich für ein Fotoprojekt extra von der Bundeswehr ausbilden lassen musste und was für ihn die geduldigsten Foto-Objekte sind, erfahrt ihr im Interview.
MTB-News: Wir beide kennen uns schon eine ganze Weile und auch im Forum bist du schon seit über 10 Jahren aktiv. Wann und wie bist du auf MTB-News aufmerksam geworden?
Erik Hölperl: Das war 2006. Ich hatte gerade mit dem Radfahren angefangen und wollte herausfinden, was es denn außerhalb meiner lokalen Szene noch so gibt. Da bin ich dann schnell bei MTB-News gelandet. Das war perfekt für mich, ich konnte mir Inspiration holen und hatte gleichzeitig eine Plattform, auf der ich mich mit Gleichgesinnten austauschte und meine ersten Fahrradfotos mit der Community teilen konnte.
Während ich eher in die Enduro-Richtung abgebogen bin, hast du deinen Stil auf dem Dirtrad perfektioniert – bist du nur auf dem Dirtbike unterwegs oder treibt es dich auch mal in den Wald?
Wenn man meine Publikationen und meinen neuen Videopart so anschaut, könnte das tatsächlich den Eindruck erwecken, ich würde nur im urbanen Raum Rad fahren. Ich probiere aber tatsächlich, so viel wie möglich auch auf großen Mountainbikes unterwegs zu sein.
Wie viel Zeit hast du noch fürs Biken übrig?
Weniger als mir lieb ist. Ich bin viel unterwegs und oft muss ich dabei mein Fahrrad zurücklassen. Glücklicherweise habe ich vor ein paar Jahren das Skateboarden für mich entdeckt, um mich auf Fernreisen bei Laune zu halten. Vor ein paar Wochen habe ich noch mit dem Wellenreiten angefangen, da wird die Zeit manchmal etwas knapp. Aber es findet sich immer noch die Gelegenheit, jeden Tag auf dem Rad zu sitzen – auch wenn es manchmal nur der Weg zur Arbeit ist.
Du filmst und fotografierst – wie bist du zu beidem gekommen?
Das fing bei mir direkt mit dem Radfahren an. Schließlich wollte man die neu gelernten Tricks festhalten. Und mit dem Fahrkönnen wuchsen auch die Fähigkeiten hinter der Kamera, bis daraus dann irgendwann mein Job wurde. Glücklicherweise kamen zu genau der Zeit die ersten Spiegelreflexkameras, mit denen man auch hochwertige Filme produzieren konnte. Ein absoluter Segen für mich – nur Fotografieren allein, wäre mir ziemlich schnell zu langweilig geworden.
Mittlerweile bist du auch beruflich als Fotograf und Filmemacher unterwegs. Was genau sind die Gebiete, auf denen du dich bewegst?
Ja, ich hatte nach der Veröffentlichung meiner ersten Fotos und Kurzfilme so viele Anfragen, dass daraus auf einmal mein Job wurde. Gerade mein Clip „Summer without Summer“ fand ziemlich viel Anklang. Ich hatte gerade eine kaufmännische Ausbildung hinter mich gebracht und meinen Zivildienst genutzt, um mir etwas Reserve anzusparen. Ein perfekter Moment, um den Sprung ins kalte Wasser zu wagen. Darum habe ich mich 2011 selbständig gemacht. Dabei blieb es aber nicht allzu lange. Nur ausführend hinter der Kamera zu stehen, war nicht ganz so mein Ding und so habe ich dann neben der Selbständigkeit ein Studium der visuellen Kommunikation an der Bauhaus Universität angefangen. Das waren schon ein paar verrückte Jahre, aber definitiv die doppelte Arbeit wert. Mir war es wichtig, langfristig nicht nur ausführend, sondern auch konzeptionell arbeiten zu können. Und da war das Bauhaus ein ausgezeichneter Ort, um Wissen und Erfahrung zu sammeln, die ich dann direkt wieder in realen Projekten einsetzen konnte. Auch habe ich durch ein paar glückliche Fügungen ein paar der bekanntesten Gesichter im Marketing in Kunst als Mentoren gewinnen können. Das hat definitiv viele Türen geöffnet und zu einem manchmal sehr verrückten Lebensstil geführt. Fotografie ist daher nur noch ein kleinerer Teil meiner Arbeit, aber mir persönlich immer noch sehr wichtig.
Welches ist dein bisher größtes Projekt gewesen?
Puhhhh … das ist tatsächlich schwer zu sagen. Eines der härtesten war definitiv mein Projekt „Es lebe der Frieden“. Ein Multimedia-Projekt über den Krieg für den Frieden. Dafür bin ich über mehrere Jahre weg in ehemalige Kriegs- und Krisengebiete gereist, um die Spuren des Krieges aus der Perspektive eines Europäers, der glücklicherweise noch nie mit Krieg in Berührung kam, zu erfassen. Dafür hatte ich mich extra noch von der Bundeswehr ausbilden lassen. Es ist einfach unfassbar, was Menschen sich gegenseitig antun, nur weil sie sich in Ethnie, Religion oder Nationalität unterscheiden. Angefangen hatte das Projekt mit Zeitzeugenberichten und Porträts von Holocaustüberlebenden aus Konzentrationslagern und führte mich durch Höhlensysteme in Vietnam, durch Minenfelder im Kosovo, bis hin zu den Orten unvorstellbarer Kriegsverbrechen in Bosnien. Dabei herausgekommen sind Publikationen, Ausstellungen, Installationen und Kurzfilme. Auch einige Reden zu dem Thema habe ich gehalten, zum Teil vor Schulklassen. Leider habe ich seit einer Weile nichts mehr mit dem Projekt machen können. Es ist unfassbar schwer, zur Friedenserhaltung und Aufklärung Fördergelder zu bekommen. Scheinbar hat hier kaum einer Lust drauf, über Krieg zu sprechen. Dabei wäre es gerade dringend notwendig, da so gut wie alle Augenzeugen des Zweiten Weltkrieges von der Bildfläche verschwunden sind … aber wir kommen vom Thema ab, hier ging es doch ums Fahrradfahren, oder?
Kommen wir zu einem deiner Spezialgebiete – Thema Mountainbike-Fotos. Du bist in der Bike-Szene besonders für deine Selbstporträts auf dem Bike bekannt. Du fährst und fotografierst dich alleine. Wie gehst du dabei vor?
Ja, die Selbstporträts haben sich zu einem Markenzeichen entwickelt. Leute schreiben oft, dass sie die Fotos bereits am Thumbnail erkennen. Das macht einen dann schon ein wenig Stolz und treibt einen an, in diesem Stil weiterzuarbeiten. Ich fotografiere aber auch andere Fahrer, ganz klassisch. Die Fotos fallen dann nur nicht so in der Masse an Fotos, die jeden Tag durch das Internet fliegen, auf. Vielleicht klappt es ja mal, dass ein Kunde genau einen solchen Stil für seine Athletenbilder haben möchte, ich würde mich auf jeden Fall freuen.
Du fotografierst nicht einfach im Skatepark, sondern hast mittlerweile ein großes Portfolio an einzigartigen Locations. Wie wirst du auf diese aufmerksam?
Ja, zum Radfahren gebaute Spots wurden mir irgendwann etwas dröge – sei es urban oder in der Natur. So schön diese Mountainbike-Fotos auch sind, wie viele Sonnenuntergangs-Silhouetten-Fotos und „Roast Shots“ kann man sich anschauen, bevor man alle Varianten gesehen hat? Auch ist es unglaublich schwer, in diesem Terrain eine eigene Handschrift, einen Stil zu kreieren. Etwas, an den man sofort erkennt, dass es sich um eine deiner Fotografien handelt. Das schaffen nur einige wenige Fotografen, wie zum Beispiel Sterlinge Lorence, Christoph Laue oder Eric Palmer. Ich habe schon immer Architektur fotografiert – am Anfang, weil es die geduldigsten Fotomotive waren, später, weil ich alles Mensch-Gemachte sehr spannend finde. Es ist immer wieder interessant, was man für unterschiedliche Formen und Strukturen findet. Auch die Geschichte der Bauten kann von spannend zu absolut absurd variieren. Das blaue Planetarium zum Beispiel hat ein berühmter ostdeutscher Baumeister geplant und im damaligen Westdeutschland umgesetzt. Das Planetarium, ein Geschenk von Volkswagen an Wolfsburg, wurde dann mit 10.000 VW Golf vergütet. Ich liebe es einfach, Gebäude mit solchen skurrilen Geschichten zu finden und sie zu meiner Sammlung hinzuzufügen.
Lass uns technisch werden: Erklär uns doch kurz dein Setup. Mit welcher Kamera und mit welchen Einstellungen stellst du sicher, dass der gewünschte Moment im Sprung auch festgehalten wird?
Meistens bin ich mit einer Vollformatkamera und einem auf Architektur spezialisierten Tilt/Shift-Objektiv unterwegs. Das ist auch der Grund, warum die vertikalen Linien alle so schön grade werden. Für die Auslösung habe ich schon viele Techniken ausprobiert, aber ein Funk-Intervalometer hat sich für mich bewährt. Ich muss dann im Kopf die Zeit, die ich vom Startpunkt bis zum Spot brauche, überschlagen, in die Fernbedienung eingeben, die dann eine zwei Sekunden lange Serienaufnahme startet. Das zu treffen, ist nicht einfach, aber irgendwann findet man einen guten Rhythmus.
Wie viele Versuche benötigst du im Schnitt, bis ein Bild im Kasten ist?
Tatsächlich brauche ich nie mehr als zwei Versuche, um den Trick im Bild zu haben. Was oftmals langwierig werden kann, ist mein Hang zur Perfektion, was die Ausführung des Tricks angeht. Auch wenn die Orte meistens wie die perfekten Spots zum Fahrradfahren aussehen – die Realität ist oft eine andere. Es sind oftmals kleine Details, die die Spots nahezu unfahrbar machen. Eine Betonkante, Blitzableiter, fehlender Auslauf oder ein rutschiger Untergrund können selbst simple Tricks zu einer echten Herausforderung werden lassen.
Gab es schonmal Stress, weil du auf irgendein Bauwerk geklettert bist oder an einem Ort fotografiert hast, an dem du besser nicht hättest sein sollen?
Hahaha, ja, das kommt ab und zu vor. Aber zu viel mehr als einem netten Gespräch mit einem Vertreter der Sicherheitsbranche oder der blau-weißen Rennleitung kommt es meistens nicht. Eine Ausnahme war ein Selbstporträt, das ich für einen Fernsehbeitrag aufgenommen habe. Ich hatte gerade an einer Fotostrecke zum weltberühmten ostdeutschen Baumeister Ulrich Müther gearbeitet. Ich war ziemlich geschockt, in was für einem schlechten Zustand viele dieser Bauten waren. Eines seiner größten verbliebenen Bauwerke steht in Magdeburg, direkt neben der Zentrale des TV Senders. Eine ehemalige Messehalle, denkmalgeschützt, aber trotz vorhandener Pläne, es zu sanieren, seit Jahrzehnten vom Verfall bedroht. Ich habe dann das Filmteam mit zum Gebäude genommen und bin vor ihren Kameras auf das Gebäude zu klettern, um den Umgang mit diesem bedeutsamen Gebäude zu kritisieren. Der resultierende Beitrag sorgte dann für so viel Wirbel, dass er die langsamen Verwaltungsmühlen wieder zum Mahlen gebracht hat. Nur ein paar Monate später stand die Sanierung des Gebäudes fest. Die Stadt fand das natürlich eher weniger witzig, die hatten wahrscheinlich schon andere Pläne für das begehrte Bauland. Nur zwei Wochen nach dem Beitrag flatterte dann die Vorladung zur Polizei ins Haus. Passiert ist am Ende natürlich nichts, aber die Stadt Magdeburg hat sich echt Mühe bei der Anzeige gegeben. Sogar Screenshots aus dem TV-Beitrag haben sie dem Dokument hinzugefügt.
Ich habe zuhause meist das Problem, dass mich selten jemand fotografieren kann. Liegt darin auch der Ursprung deiner Selfie-Idee, dass du meist alleine fährst oder ist dein Anspruch einfach der, dass du vom Anfang bis zum Ende selbst für die Produktion deiner Bilder verantwortlich sein willst?
Ja, das könnte man so sagen. Ich wollte anfangs meine Freunde nicht vom Radfahren abhalten und das war der Grund, warum ich damit angefangen habe. Irgendwann fand ich einen gewissen Reiz daran, alle Aspekte eines Fotos kontrollieren zu können. Was normalerweise mindestens zwei Leute braucht, muss doch auch allein zu machen sein. Meistens kommen ja aus einer Fotosession nur ein bis zwei Fotos bei raus, die später benutzt werden. Man arbeitet mehrere Stunden vor und hinter der Kamera für den einen Run, wo dann alles zusammen passt. Licht, Timing, Perspektive und natürlich der Trick. Das resultierende Foto dann gedruckt in den Händen zu halten, ist dann schon sehr besonders. Wie eine alte analoge Nassplattenfotografie. Eine Menge Arbeit für eine einzelne Auslösung. Aber absolut wert, die ganze Anstrengung.
Wirst du mit deinen Foto-Serien so weitermachen oder hast du schon Neues in Planung?
Absolut, meine Festplatte quillt vor neuen Locations schon über. Das Schwierige ist tatsächlich, die Zeit zu finden, um zu den Orten zu kommen. Aber ja, ich hoffe schon, in den nächsten Monaten noch einige neue Fotos produzieren zu können.
Zum Abschluss noch ein paar Werke von Erik:
Noch mehr von Erik findet ihr auf seiner Homepage oder auf Instagram.
Wie gefällt euch die Arbeit von Erik Hölperl?
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