Rachel Atherton hat im englischsprachigen „Sport magazine“ ein sehr persönliches Interview gegeben, das tief blicken lässt. Die unschlagbare Britin, die jeden World Cup und die Weltmeisterschaft 2016 für sich entscheiden konnte, schmückt sich nicht mit Blumen und macht selbstbewusst weiter wo sie aufgehört hat. Die Frage die sie sich am meisten stellt: „Was mache ich nach dieser perfekten Saison?“
Das ist auch die erste Frage, die das Sport magazine Rachel stellt. Wie man es von einer Siegerin, die mit durchschnittlich 10 Sekunden Vorsprung das Podium für sich entscheiden konnte, erwarten würde, antwortet sie aber ganz und gar nicht. Sie weiß es nicht, sagt sie, denn es wäre eine schreckliche Position, in der sie sich aktuell befände.
Das Intro des Interviews folgt mit vielen Infos bezüglich der Härte des Downhill-Sports an der Weltspitze, so wie einer Aufzählung von Rachels Siegesserie – Seit Fort William 2015 ist sie ungeschlagen. Prägnante Infos, die den Gravity-Bereich nicht als lebensmüde oder außergewöhnlich darstellen – sondern als professionell betriebene Disziplin des Mountainbike Sports, die außergewöhnlich viel mentale und körperliche Kraft voraussetzt. Großes Lob an dieser Stelle.
Auch wird Atherton nicht mit einem Sonderstatus versehen weil sie diesen Sport als Frau betreibt. Es geht schlicht und einfach um die Herausforderung, als Leistungsportlerin weiter an den eigenen Zielen zu arbeiten und Herausforderungen zu meistern.
Rachel Atherton ist auch nur ein Mensch…fast.
Nach ihrem ersten Weltmeisterschaftstitel 2008 hatte Atherton lange mit viel Verletzungspech zu kämpfen. Was viele nicht wissen – ihre erste Schulterverletzung resultiert nicht aus einem Sturz auf dem Bike, sondern aus einem Autounfall. Die andere Schulter litt dann tatsächlich unter einem Sturz. So musste sie hart kämpfen, um ihren Weg zurück in ihr volles Leistungsspektrum zu finden. Was sie dabei veränderte, war vor allem ihre Einstellung. Als sie jünger war gab es für sie nur „Pokal oder Spital“, doch nach so einer Verletzungsserie wurde ihr langsam klar, wie wichtig auch ihre Gesundheit ist. Also lernte sie, sich innerhalb ihrer Fähigkeiten weiterzuentwickeln ohne dass ihr Körper noch mehr darunter leiden muss.
„Now I rarely ride outside of that control limit. Sometimes you have to, but it’s about learning the exact speed you need to win.“
Dass sie selbst in ihrer Art von Komfortzone dazu in der Lage ist, solch eine starke Leistung zu bringen zeigt, was Rachel Atherton für eine außergewöhnliche Sportlerin ist. Zur selbstbewussten Überfliegerin macht es sie trotzdem nicht – denn scheinbar haben die langen Verletzungspausen sehr tiefe Spuren hinterlassen. Regelmäßig spielt sie ihre Fähigkeiten runter und bastelt sich selbst Herausforderungen um motiviert zu bleiben oder ihre Nervosität in den Griff zu kriegen. Singen hilft ihr auch, erzählt sie weiter.
Rachel’s Stimme zählt
Vor ein paar Wochen hat Rachel bereits auf Instagram einen Diskurs ausgelöst, der auch in diesem Interview zur Sprache kommt. Nachdem die Red Bull Kommentatoren Rob Warner und Claudio Caluori sich darüber ausließen, dass Rachel nur wegen ihren Brüdern so schnell sei, wies sie die beiden in die Schranken. Die allgemeine Auffassung, Frauen könnten alleine niemals so eine Leistung bringen, rückte sie dementsprechend zurecht und erklärt, dass sie sich viel besser weiterentwickeln konnte als sie immer weniger Zeit mit ihren Brüdern auf dem Bike verbrachte. Mit diesem Statement erntete sie viel Applaus, nicht nur unter den anderen Frauen in der World Cup Elite sondern von vielen Frauen, die dankbar dafür sind, dass Rachel ihre Stimme für Frauen im Downhill Sport erhebt.
https://www.instagram.com/p/BI0SeEph0Da/
Dass Frauen auf dem Vormarsch sind, hat Rachel mit ihrer Ausgabe des Red Bull Fox Hunt bewiesen – das einzige Women Only Rennen. Es war innerhalb weniger Stunden voll ausgebucht und ihre Begeisterung mit so vielen Frauen Rad fahren zu gehen war deutlich zu spüren.
Rachel Atherton zeigt uns mit diesem Interview eine Seite des World Cup Elite Sports, die viel zu oft fehlt: Jeder Racer ist auch nur ein Mensch. Ein Mensch der beachtliche Leistungen bringt, die mit sehr viel Bewunderung belohnt werden. Doch trotz allem sind sie alle Menschen wie du und ich, mit Problemen, Konflikten, Unsicherheiten und Schwächen. Denn so gewinnt die Leistung, die jeder erbringt, wenn er auf ein Mountainbike steigt, noch viel mehr wert.
Das gesamte Interview könnt ihr hier lesen.
Interview: Sport magazine
Bilder: Red Bull Content Pool
Text: Jana Zoricic
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