Als ich das erste Mal online etwas von Ego-Kits las, war ich nicht recht angetan. Auf der Homepage präsentieren die Österreicher einen Hilfsmotor, der den Lift ersetzt – um dann mit einem Downhillbike hochalpine Trails fahren zu können. Gegen solch eine Entwicklung hätte ich grundsätzlich Einwände: Konditionell – und weil wenig fahrend auch potentientiell fahrtechnisch – schwache Mountainbiker kämen plötzlich in Gegenden, die früher vor ihnen – und umgekehrt – sicher waren. Ein Vordringen von Mountainbikern in großen Zahlen in die Alpen, da braucht man nur eins und eins zusammen zu zählen, um zu erkennen, was passieren wird: Die Vorbehalte von Wanderern gegen die (jetzt zahlreicheren, schnelleren und Boden zerstörenden) Mountainbikes werden größer, die Naturschutzbedenken berechtigter und der Sport wird kurzerhand verboten.

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Und überhaupt: Wer will sein ohnehin schon schweres Downhillbike noch mit 5 kg Motor und Steuerung beschweren? Wer mit 5kg Akkublock auf dem Rücken rumfahren? Vermutlich die wenigsten. Und braucht es das? Downhillbikes auf Alpinen Trials? Ich glaube nicht, denn das Hinterrad eines 25kg Bikes zu versetzen ist keine Übung, die ich freiwillig wiederholen muss.

Sind die Österreicher also auf dem Irrweg?

Mit genau diesem Gedanken im Kopf kam ich an den Stand von Ego-Kits auf der ISPO, mitten im Brand New Village – schließlich hat die Idee einen Preis gewonnen: Beste Neuheit im Bereich „Räder“. Auf den ersten Blick präsentieren die Jungs Downhillräder mit angeschraubtem Hängebauch, ums Unterrohr schmiegt sich mehr oder weniger elegant ein Alulochblech, das einen Motor hält, von dem eine zweite Kette aufs Kettenblatt führt, am Vorbau hängt eine überdimensionale Steuereinheit, dazu dicke Kabelstränge überall.

Am Stand hängen 5 Spiegel, zum Teil verzerrend, der letzte ist gerade. Die Frage nach dem Warum klärt auf: Die ersten vier Spiegel zeigen verzerrte Darstellungen, andere Seiten vom Betrachter, von seinem Ego, erst der letzte zeigt das perfekte EGO. Beim Ego-Kit soll das ähnlich sein: In fünf Schritten montiert führt es zum perfekten EGO – größerem Selbstbewusstsein also? Vielleicht. Deutlicher aber zu Easy Going oder auch Electric Going – mit dem Kit soll alles ganz leicht werden.

Bei einer Nennleistung von 1200 Watt – durch eine Art Boost-Modus kann die Regelung der Topversion sogar 2400W generieren – kann man sich das gut vorstellen.

Video-Vorstellung

Schauen wir uns einfach die technischen Daten einmal an:

EGO-Kits: Leistungsdaten (nur Motorbetrieb)

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  • 1000Hm
  • 70Km/H
  • 40Km
  • 1h Ladezeit, Nennleistung 1200W, Maximalleistung 2400W
  • über 40 % Steigleistung
  • Motorgewicht am Rahmen 3,1 kg, Komplett am Bike ca. 4,4 Kg, der Akku wiegt ca. 5kg

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EGO-Kits: Motor

  • 1200Watt Nennleistung, 2300 Watt Maximalleistung
  • wartungsfreier Elektromotor (bürstenlos)
  • durch Planetengetriebe hohes Drehmoment bei Steigungen (Untersetzung der Motordrehzahl)
  • Gasgriff mit Batterieanzeige
  • Controller zur elektronischen Motorsteuerung
  • Pedelec System mit Kurbelsensor und Speed Limiter um System StVo konform bewegen zu können

Motorposition in der Mitte des Bikes, für tiefen Schwerpunkt und geringe ungefederte Masse.

EGO-Kits: Motorhalterung:

  • Mit 70% der Bikes am Markt kompatibel
  • CNC gefräster Aluminium Adapter
  • Hartgummi geschützte Klemmung am Unterrohr
  • verwindungssteife Konstruktion ohne Leistungsverluste
  • Einbauort Unterseite Unterrohr
  • passend bis 6,5 cm Durchmesser Unterrohr

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EGO-Kits: Batterie

  • LiFePo4 (Lithium-Eisen)
  • 48V, 12 Ah
  • 1,5 Stunden Ladezeit
  • hohe Lebensdauer 1500 Ladezyklen, kein Memoryeffekt (Schnellladen verringert aber die Lebensdauer)
  • Platzierung im Rucksack ergibt besseres Fahrverhalten des Bikes
  • Ein Foto der Batterie habe ich leider nicht. Sie ist ein Metallkasten mit etwa den Maßen 12 X 25 X 40cm und wiegt 5kg – sie füllt den gezeigten Camelback-Rucksack fast aus.

Mit diesem Video werden EGO-Kits beworben:

EGO-Kits Product Film from EGOkits on Vimeo.

Die Leistung ist, wie ich finde, durchaus beeindruckend. Wenn man beginnt, darüber nachzudenken, was diese Leistungsfähigkeit für den Mountainbikesport bedeutet, stellt man schnell fest: Unvorstellbar. Und in der Tat ist es schwierig vorherzusagen, was da kommen wird, wohin die Reise führt. Kaum jemand ist um das Image des Mountainbike-Sports so besorgt wie die Deutsche Inititative Mountainbike, kurz DIMB. Ihre Meinung dazu lest Ihr hier:

Meinung der DIMB

„Die EGO-Kits gehen in der Leistung über die in unserer Pressemitteilung angesprochenen Pedelecs weit hinaus. Respekt vor der Leistungsfähigkeit der Technik. Allerdings hat das mit Radfahren bzw. Mountainbiken nicht mehr allzu viel zu tun. Aus unserer Sicht sind die EGO-Kits Motorfahrzeuge, die auf Waldwegen geschweige denn Singletrails nichts zu suchen haben. Trails sind für diese Geschwindigkeiten einfach nicht ausgelegt.

Das einzig vielleicht Positive ist, dass sie nicht unmittelbar selbst die Luft verpesten, sondern höchstens das Kraftwerk, das den Strom produziert.“

Pressemeldung zum Thema E-Bikes generell:

„E-Bikes oder richtiger formuliert Pedelecs liegen laut Hersteller und vieler Fremdenverkehrsämter und Veranstalter voll im Trend. MTBs, deren elektronische Unterstützung nur durch Treten der Pedale abgefordert werden kann und deren Motor sich bei Erreichen von 25 km/h abstellt, sind Pedelecs. Diese Räder bleiben Fahrräder und gelten auch rechtlich nicht  als Kfz.

Die Deutsche Initiative Mountainbike e.V. (DIMB) begrüßt die Entwicklung dieser Fahrräder mit elektronischer Trethilfe. Dazu Thomas Kleinjohann, 1. Vorsitzender der DIMB: „Dank dieser Unterstützung werden viele Menschen motiviert, sich zu bewegen und wieder die Natur zu erleben.“ Gleichwohl birgt die Entwicklung auch ein Risikopotenzial. Die Technik ermöglicht es völlig neuen Nutzergruppen, Gebiete zu erschließen, die sie mangels Kondition sonst nicht mit dem Fahrrad hätten erreichen können. Sehr häufig bringen E-Bike-Fahrer zudem keine oder nur wenig MTB-Erfahrung mit und wissen oft noch nicht, wie sie sich im Umgang mit Natur und Mitmensch und letztlich auch der Technik auf dem Fahrrad richtig verhalten sollen.

Dank der elektronischen Unterstützung ist es den Fahrern möglich, auch auf Singletrails sehr hohe Geschwindigkeiten zu erreichen. E-Bike-Neulinge können hier schnell in Konflikte mit Fußgängern geraten. Bei einer Häufung ist ein Verlust der hart erarbeiteten Imageverbesserung der letzten Jahre zu befürchten.

Zudem ist es fraglich ob sie bei technisch anspruchsvollen Abfahrten mit den schweren E-Bikes, dem häufig geringen Federweg und den oftmals unterdimensionierten Bremsen das Sportgerät wirklich kontrollieren können. Eine erhebliche Sturzgefahr ist die Folge.

Hier sieht die DIMB e.V. als Mountainbike-Interessenvertretung Handlungsbedarf. Die DIMB möchte die beschriebenen Wissens- und Fahrtechniklücken schließen und damit allen neuen E-Bike-Nutzern den Einstieg erleichtern. So werden derzeit die „DIMB E-Bike-Tipps“, vergleichbar den DIMB Trail Rules, erarbeitet, die den Nutzern kostenfrei über Hersteller, Händler und Verleiher zur Verfügung gestellt werden sollen. Darüber hinaus ist geplant, die Fahrtechniktrainer der DIMB auch auf diesem Spezialgebiet einzusetzen, so dass die E-Bike-Fahrer mittelfristig flächendeckend in den Genuss eines zielgruppengerechten Fahrtechnik-Kurses kommen können.“

Die Vorstellung, dass einsame Berge in Zukunft von nach ferngesteuertem Auto klingenden Fahrrädern überlaufen, eher überrollt werden, bereitet mir durchaus Unbehagen. Auch die Akzeptanz des Mountainbike-Sports ist durchaus gefährdet, das klingt in der DIMB-Meldung ganz gut an: Wer mit 70 durch den Wald prescht, macht sich wenige Freunde.

Glück nur, dass es bisher so wenige Motocrosser auf Berge getrieben hat, reichen würde die Leistung allemal. Und in alpiner Umgebung wird auch ein Bike mit Ego-Kit zu schwer, beziehungsweise: Der Trail wird zu schwer, um ihn bergauf fahren zu können, egal wie viel Leistung bereit steht. Wenn diese Form der Unterstützung dazu verwendet wird, die Downhill-Hausstrecke, die bisher schiebend erklommen wurde, hochzufahren und öfter zu fahren: Gerne, her damit. Wenn sich daraus ganz neue Spielarten für Gravity-Fahrer entwickeln (Uphill-Strecken, die ohne E-Boost einfach keinen Spaß machen, Rundkurse mit Bergauf und Bergab, Flach-Downhill,…) habe ich kein Problem damit. Man muss sich der Technik nicht verschließen, auch wenn die Teile vielleicht wirklich viel mit Motocross gemeinsam haben (Elektro-Motocrosser wiegen aber immer noch 80kg aufwärts). Stattdessen muss man verantwortungsbewusst damit umgehen. Burnouts und Rowdy-Manier werden schnell zu Verboten führen, Eine Erhöhung der Reichweite von Mountainbikes wohl kaum. Was passieren wird? Weiß kein Mensch, die Zukunft wird es zeigen.

Ich persönlich habe eine kleine Runde auf einem Kona Stinky mit Ego-Kit gedreht und muss zugeben, Spaß gehabt zu haben. Per Dreh am Gashahn im Manual aus der Kurve zu beschleunigen hat schon was. Ergonomischer als einen Drehgriff fände ich allerdings einen reinen Daumenhebel, ähnlich dem am Nicolai Prototypen auf der Eurobike (Abgesehen von der Akku-Position übrigens ein ganz ähnliches Konzept). Der schwere Akku fällt auf dem Rücken nicht so negativ ins Gewicht, allerdings ist außer dem Akku und dem Trinksystem auch kaum mehr Platz für etwas anderes. An einen Sturz auf den Akku-Rücken möchte ich nicht denken, zumal man noch mit dem Bike verkabelt ist, siehe Video.

Ego-Kits werden ab April erhältlich sein, im Salzburger Land werden Exemplare für Testfahrten bereit stehen. Neben der hier gezeigten Topversion gibt es ein schwacheres Kit mit 500W und nur unterstützendem Betrieb, welches günstiger sein wird und über eine beim Motor versteckte Kontrolleinheit verfügt. Der Preis für das komplette Top-Set inklusive Kurbel, Motor, Controller, Gasgriff, Akku, Ladegerät und Rucksack liegt bei 2200€.

EGO-Kits sind nicht die einzigen, die auf dem Bereich der E-Downhillbikes entwickeln. Neben dem genannten Nicolai ist besonders das Zumbi mit Boosty-Support erwähnenswert:

zumbi f44 trailer from Rafal Zawada – bieguni.pl on Vimeo.

Wer danach sucht, findet online zahlreiche Mischkreaturen aus Motocrosser und Downhillbike – verständlich, dass sich das Bike-Segment der Elektromobilisierung nicht enthält. Als marktfertiges, hochkompatibles Nachrüstkit sehe ich das EGO aber bisher als Vorreiter…

– Es darf diskutiert werden –

  1. benutzerbild

    Deleted 8566

    dabei seit 12/2015

    Meinst die 63 von der Gasgas sind in der Relation spürbar weniger?

  2. benutzerbild

    525Rainer

    dabei seit 09/2004

    die ktm is a motoX mit e motor. auch mit 63kg würd ich die nie wählen wenns alternativen wie die 5.7 und die gas gas gibt. hab heut den kleinen ego gefahren und glaub das ich mir den grossen gut vorstellen kann.

  3. benutzerbild

    OZM

    dabei seit 02/2002

    Die Modulierung zwischen "Gas"-Griff und Motorreaktion war für Dich ok?
    Ich fand sie völlig indiskutabel.
    Wenn ich da schaue auf welchem level die brushless Modellbaufraktion ist oder was bei > 300€ Akkuschraubern los ist, frage ich mich was die da geritten hat. Ich seh keinen Sinn darin, mich "an etwas zu gewöhnen" was einfach völlig hinterm Mond ist.

  4. benutzerbild

    525Rainer

    dabei seit 09/2004

    ich weiss was du meinst. scheinbar streut das sehr weit. in einem artikel über zwei e-trial motorräder wurde auch eins als unfahrbar bezeichnet wegen genau dieser sache. die beiden maschinen waren quasi baugleich. eine sherco und eine electric motion. ein softwareupdate vom hersteller hat das problem dann behoben.

    elektromotoren sind halt elektromotoren. wenn sie giftig viel drehmoment von unten raus haben sollen dann ist das ansprechverhalten giftig. für den gasgriff muss man halt ein feeling aufbauen. ich hab das ding gefahren wie meine alte verbrenner trialmaschine. immer leicht am gas. beim verbrenner macht man das auch so. man hält die maschine auf touren und regelt die aggresive kraft mit der kupplung. beim ego regel ich das teil mit der hinterradbremse. ich glaub das mit dem ding coole auffahrten gehn und die ebene wird zum park.

    wegen gewöhnung: wenn ich mit einem rad fahre das eine rohloff nabe verbaut hat dann denk ich mir auch. um gotteswillen, die nabe greift erst in einer halben umdrehung und die schalterei ist auch hinterm mond. trotzdem hat das ding seine vorteile und und genügend zielgruppe. und das ding ist schon quasi ausgereift während das E zeugs noch ganz am anfang steht.

  5. benutzerbild

    OZM

    dabei seit 02/2002

    Das schlimmste war für mich die Zeitverzögerung.
    Überleg mal: bei Coptern, Helis oder Segway werden Motoren in seeehr kurzer Zeit höchst präzise angesteuert; sowohl automatisch durch die Balanceregelung, als auch durch den Piloten. Da spührst und siehst Du nicht mal die Regeleingriffe und beim E-Bike soll ich jetzt die Verzögerung mit nem Abreiskalender messen? Das kann nicht Dein Ernst sein!

    Der Vergleich mit der Rohloff hinkt etwas - die bin ich selbst viele Jahre gefahren.
    Die Rohloff ist mit einem sehr hohen Reifegrad an den Markt gegangen. Das mit dem Ego-Kit zu vergleichen ist eine Beleidigung.
    Beim Leerweg ist sie im Vergleich schlecht, aber das gehört def. nicht zu den Kerneigenschaften - für Trial ist sie nicht zugelassen smilie
    Drehgriff find ich jetzt nicht hinterm Mond; ist Geschmacksache, bin es gerne gefahren, habe es danach aber auch nie vermisst.
    Der Rest ist wie Du sagst, zielgruppenabhängig.

    Mit scheint, das es über 20 Jahre gedauert hat, bis mit dem Pinion überhaupt was vergleichbares auf den Weg gebracht wurde, das man als Weiterentwicklung, Verbesserung o.ä. ansehen kann; der Rest der Nabenschaltungen ist NICHT vergleichbar. Und bis auf wenige Details ist die Rohloff mit dieser Reife an den Markt gegangen. Diese Leistung würde ich gerne dem Herrn Rohloff lassen!

    "immer leicht am Gas" + HR-Bremse mag funtionieren und aus Trialer-Sicht völlig richtig sein; mit Blick auf die sehr teuere und äußerst begrenzte Energie im Akku wird mir dabei regelrecht schlecht (aber ich finde die Idee sehr interessant; ich fahre halt kein Trial und wäre in 100 Jahren nicht auf diese Lösung gekommen).

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