Nicht weit vom Frankfurter Flughafen findet man in einem Industriegebiet im hessischen Dietzenbach die Firma ADP Engineering GmbH – prominentes Produkt von ADP sind die Bikes, die unter dem Namen Rotwild entwickelt und verkauft werden. ADP steht für Advanced Development Products, 18 Mitarbeiter sind derzeit bei ADP beschäftigt.

ADP stand weit oben auf der Liste der Firmen, denen ich gerne einen Hausbesuch abstatten wollte – ein gemeinsamer Termin war schnell gefunden.

Ich werde von Ole Wittrock empfangen. Ole ist für das Marketing bei Rotwild zuständig. Er führt mich durch den in den Rotwild Farben Rot / Grau / Schwarz gehaltenen Bürobereich. Wir beginnen im Foyer. Hier trifft sich das Team morgens um 8:30 Uhr zum gemeinsamen Frühstück und ersten Meeting des Tages.

Das Mountainbike Rider Product Special 2009 wird studiert

Ole erklärt mir kurz die Hintergründe – wer ist ADP, seit wann gibt es das Unternehmen und so weiter:

Die beiden Gründer Peter Schlitt und Peter Böhm, beides begeisterte Biker und damals angehende Ingenieure, hatten sich am Fraunhofer Institut in Darmstadt kennen gelernt. Ihr erstes gemeinsames Produkt war ein Carbon Brakebooster (Für die jüngeren unter Euch: Brakebooster waren ein heißes Tuningteil fürs Bike, mit dem man Bremsleistung und Druckpunkt bei Felgenbremsen verbessern konnte). Diesen Brakebooster nahmen sie 1994 mit nach Riva aufs Bikefestival und stellten ihn dort erstmals vor.

Der ADP Carbon-Booster – hiermit beginnt alles

Parallel verglich die BIKE diverse Booster, der ADP-Booster wurde Testsieger. Die Nachfrage stieg dadurch sehr rasch an. Auch Magura hatte bereits am Gardasee Interesse an den Boostern angemeldet und wollte in einer ersten Anfrage tausend der Carbonteile zu OEM Konditionen kaufen.

Eine andere Version des Boosters

Vom Erfolg vollkommen überrascht mussten die beiden Tüftler sich plötzlich mit Themen wie OEM-Preisen auseinandersetzen und in kurzer Zeit eine Serienproduktion der Booster aufbauen. Als Untermieter einer Baufirma entstand eine erste Produktpalette, hier wurden die Teile dann hergestellt und verpackt – darunter auch der legendäre ADP Brakebooster.

In der Folgezeit machte sich ADP als Entwicklungs-Dienstleister für andere Hersteller einen Namen. Dabei mussten jedoch immer wieder Kompromisse eingegangen werden (Kundenwünsche, Budget), so dass man Anfang ’96 an einem „lustigen Abend“ auf die Idee kam, die eigene Vorstellung eines Top Mountainbikes herauszubringen – diesmal ohne Kompromisse.

Das Rotwild RDH01 – richtungsweisend in 1996

Als Name für die eigene Bike-Linie von ADP wurde „Rotwild“ gewählt. Der erste Rotwild-Prototyp war im April ’96 in der BIKE abgebildet und zeigte neben einem für diese Zeit ungewöhnlichem Design den damaligen Stand der Biketechnik auf.

Riemenantrieb und elektronische Schaltung – von 1996

Das ROTWILD RDH01 hatte als vollgefedertes Bike eine spezielle Sachs-Scheibenbremse, Zahnriemenantrieb und elektronische Schaltung sowie Carbontauchrohre an der Doppelbrückengabel – wohlgemerkt im Jahr 1996!

Elektronische 7-Gang Sachs Schaltung mit Zahnriemen

Die Reaktionen reichten von purer Begeisterung bis hin zu Nachfragen, ob dieses Bike als Aprilscherz gemeint sein sollte. Dass das Konzept aber funktionierte demonstrierte Stefan Herrmann, der auf der Rotwild Downhill-Variante im gleichen Jahr Weltmeister in der Masters-Klasse wurde. Diesen ersten sportlichen Höhepunkt führte Rotwild im übrigen mit einer langen Liste sportlicher Erfolge fort: Bis hin zum Cross Country WM Titel 2007 oder der Bronzemedaille von Irina Kalentieva bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr.

Teamtrikots aus 9 Jahren hängen im Foyer

Wir laufen durch einen Flur, hier sind Prototypen und andere Besonderheiten ausgestellt. Bei einem der Bikes kann man den Rahmen vor lauter Messkabeln kaum erkennen.

Mehr Kabel passen nicht an den Rahmen

Ole erklärt mir: „Wir haben bei Rotwild früh erkannt, dass die Weiterentwicklung von Bikerahmen nur möglich ist, wenn wir genau über die am Rad wirkenden Kräfte und Belastungen Bescheid wissen. Bereits Ende der 1990er Jahre ist ein Bike von uns bei der Transalp Challenge mitgefahren, das mit einem Data-Recorder und zahlreichen Mess-Sensoren ausgestattet war. Abends wurden die Daten dann immer ausgelesen und so haben wir echte Testdaten von der Transalp bekommen – direkt von der Rennstrecke aus dem Praxiseinsatz. Diese Form von Grundlagenforschung ist für die weitere Optimierung unserer eigenen Röhren unentbehrlich.

Entwicklungsleiter Peter „Pedro“ Böhm erklärt mir dazu: „Wir haben diese Messungen regelmäßig auf verschiedenen Bike-Rahmen wiederholt, so dass wir heute sehr genau wissen, welche Kräfte beim Biken an welchen Stellen des Rahmens auftreten können. Bei der Rahmenentwicklung können wir das sehr genau berücksichtigen.

Auch Rennräder werden mit den Dehn-Mess-Streifen überprüft

Zur Messung werden dabei Dehn-Mess-Streifen genutzt: Das ADP-Team klebt Sensoren auf der Rahmenoberfläche fest. Wenn sich der Rahmen durch Krafteinwirkung verformt verändert der Sensor seinen elektrischen Widerstand. Die Räder sind für die Messungen mit mehreren dieser Dehn-Mess-Streifen ausgestattet, diese wiederum sind alle an eine Messeinheit angeschlossen, die all diese Daten während der Fahrt speichert.

Vorbau mit Dehn-Mess-Streifen

Im Ergebnis weiß man, welche Kräfte und Momente wo wirken und an welchen Stellen die Rahmen besonders stabil sein sollten und an welchen Stellen man sie guten Gewissens leichter gestalten kann. Die Erkenntnisse dieser Messungen fließen dann in die Entwicklung eigener Rohrsätze aus Alu sowie Carbon ein.

Peter „Pedro“ Böhm in seinem Büro bei der Arbeit

Die Rahmen lässt ADP nach exakten Vorgaben in Taiwan fertigen. Der Aufwand bis zum fertigen Rahmen ist dabei enorm: Für die einzelnen Carbon-Röhren müssen jeweils eigene Formen angefertigt werden, die Formkosten für ein einzelnes Carbon-Rohr (ein Rohr ist z.B. linke Kettenstrebe – ein Hardtail-Rahmen besteht aus 8 Rohren) sind beträchtlich.

Pedro dazu: „Für eine Serienfertigung braucht man mehrere Formen eines Rohres, da ein Rohr während der Herstellung mehrere Stunden gebacken wird und man derweil kein zweites Rohr der gleichen Art anfertigen kann. Die Formen für die Knotenpunkte sind natürlich sehr viel aufwändiger herzustellen und dementsprechend teurer.

Als Resultat der jahrelangen Messungen und Erfahrung weiß man, wie die Rohre zu dimensionieren sind und erstellt einen Carbon-Lageplan („Layup“) – welche Carbonschicht kommt im Rahmen genau wohin.

Layup für Laien vereinfacht dargestellt – wo kommt welche Carbonlage hin

Noch in Taiwan werden die Rahmen fertig lackiert, danach verpackt und dann auf die Reise nach Dietzenbach geschickt.

Ein neuer Rahmen für Irina Kalentieva

In Dietzenbach steigen wir jetzt eine Wendeltreppe hinunter – eine Etage tiefer befinden sich Wareneingang, Montage, Lager, Werkstatt und der Prüfstand – nicht mehr ganz so schick wie die gestylte Büroetage, aber ebenso aufgeräumt und ordentlich.

Hier werden die Rotwild Bikes montiert

Im Wareneingang werden die Rahmen ausgepackt und einzeln mit Lehren auf Maßhaltigkeit und optisch auf Beschädigungen, wie zum Beispiel Macken vom Transport, überprüft. Wenn alles OK ist, kommen die Rahmen ins Warenlager oder auch direkt in die Montage.

Rahmen im Warenlager – Modell und Größe erkennt man an der Aufschrift

Auch werden regelmäßig Stichproben genommen um die Qualität der Herstellung in Taiwan kontinuierlich zu überwachen – Stichprobe heißt hier, der Rahmen durchläuft auf dem hauseigenen Prüfstand die verschiedenen vorgeschriebenen sowie ADP-eigene Dauerlastprüfungen bis zum Bruch des Rahmens.

Ein Hardtail wird auf dem Prüfstand malträtiert

Zurück zur Montage: Produktionsleiter Markus kann gemeinsam mit seinem Team maximal 30 Bikes je Tag montieren. Die Bikes werden bestenfalls chargenweise aufgebaut – die drehbaren Montagestationen fassen immer zwei Bikes und der parallele Aufbau zweier identischer Bikes geht deutlich schneller von Statten als zwei mal das gleiche Rad nacheinander aufzubauen.

Nach Montage und letztem Check werden die Bikes sorgfältig in stabilen Transportkartons verpackt und zum Händler geschickt. Die fertigen Bikes aus Dietzenbach sind „ready to bike“, beim Händler wird nur noch das Vorderrad eingesetzt, der Lenker gerade gestellt und die abschließende Kontrolle durchgeführt – fertig.

Das Rotwild kann auf die Reise gehen

Rotwild mit Gates Carbon Drive:

Den hohen Anspruch, den ADP an die eigenen Bikes hat, sieht man neben dem hohen Entwicklungsaufwand auch daran, dass neben nur wenigen Standardteilen viele speziell angefertigte Kleinteile zum Einsatz kommen.

Ole dazu: „Eigenständige Entwicklung und Wettbewerbstechnologie für die Serie: Damit haben wir eine klare Vorstellung davon, was wir unter einem Rotwild Bike verstehen und unserem Kunden anbieten wollen. Am Ende ist unser Ziel das top ausgestattete Bike, das auch top funktioniert.

Ein Rotwild-Bike in Action kannst du in diesem klasse Video sehen:

Richie Schley Chronicles

Mehr Fotos hier: http://fotos.mtb-news.de/sets/view/12418

Link: www.rotwild.de

Interessant? Hier findest du weitere Hausbesuche und Blicke hinter die Kulissen bei zahlreichen Unternehmen der Bikebranche.

  1. benutzerbild

    BBKing

    dabei seit 04/2008

    Super Bericht und geiles Video!!!
    Bin sehr zufrieden mit meinem R.E.D. TWO. Kanns nur empfehlen.

  2. benutzerbild

    DrecksBecks

    dabei seit 06/2008

    Riecht verdammt nach Propaganda!

  3. benutzerbild

    sniper1976

    dabei seit 09/2005

    Schickes Panoramabild vom Hirschi!
    smilie

  4. benutzerbild

    Thunderdome

    dabei seit 12/2015

    Die Preise sind doch nicht so hoch von Rotwild. Da muss ich schon sagen, bevor ich mir ein Scott oder Specialized um den selben faaast selben Preisen kauf, leg ich lieber ein pakr euros drauf und hab nicht das selbe bike wie meine Nachbarn. Zudem kann ich sagen das die Quali bei Scott schon lang nicht mehr die ist wies mal war und deswegen die PReise auch zu hoch wären/sind.

  5. benutzerbild

    ufp

    dabei seit 12/2003

    Super Reportage.
    Klasse Einsatz vom IBC Team mit einem Vorortbericht, statt der leider sonst so üblichen Hersteller Presse "Konserve".smilie
    Sieht echt klasse aus was Rotwild macht.
    Die Preise sind doch nicht so hoch von Rotwild. Da muss ich schon sagen, bevor ich mir ein Scott oder Specialized um den selben faaast selben Preisen kauf, leg ich lieber ein pakr euros drauf und hab nicht das selbe bike wie meine Nachbarn.

    Sehe ich genau so smilie

Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular:

Verpasse keine Neuheit – trag dich für den MTB-News-Newsletter ein!