Wie geht es weiter mit den Enduro, den Gravity-Disziplinen, XCE und 4Cross? Ein (wieder etwas provokanter) Gastkommentar vom Bike-Journalisten Laurens van Roojien:
Der Radsportverband UCI sorgt wieder für Kopfschütteln: Am Rande der Radcross-Weltmeisterschaften in den USA wurden einige bemerkenswerte Entscheidungen gefällt. So viel vorweg: Die Gravity-Disziplinen scheinen den Herrschaften am A…llerwertesten vorbei zu gehen.
Die Schlagzeile klingt eigentlich nicht schlecht: Die UCI stelle sich hinter die Disziplin Enduro, wird anfangs Februar auf verschiedenen Radsport-Portalen gemeldet. Bloß: Bei genauem Nachlesen wird deutlich, dass die UCI lediglich die Existenz dieser Disziplin anerkennt (heureka, die Erde ist NICHT flach). Einen Enduro-Worldcup oder gar Weltmeisterschaften braucht man darum aber nicht zu erwarten. „Die UCI anerkennt das Rennformat, die bestehenden Rennen und die in Zukunft zu organisierenden Rennen“, präzisiert Peter van den Abeele, beim Weltradsport-Verband fürs Mountainbiken zuständig.
Anerkennung mit Hintergedanken
Die UCI hat mal wieder einen neuen Weg gefunden, Rennorganisatoren und Fahrern Geld aus der Tasche zu ziehen.
Im Klartext heißt dies: Die UCI hat mal wieder einen neuen Weg gefunden, Rennorganisatoren und Fahrern Geld aus der Tasche zu ziehen. Denn bisher konnte die UCI lizenzierten Rennfahrern für den Start bei Enduro-Rennen keine Strafen auferlegen, weil sie diese Rennen ignorierte. Mit der Anerkennung der Disziplin ändert sich das nun. Wenn ein Organisator sein Rennen nicht bei der UCI anmeldet, droht allen startenden Lizenzfahrern ein Bußgeld-Bescheid. Meldet der Veranstalter sein Rennen bei der UCI, fallen Kalendergebühren an. Kurzum: Die Verbands-Oberen haben es so eingefädelt, dass in jedem Fall Geld in ihre Kassen fließt, ob als Gebühren oder in Form von Bußgeldern. Geld aus einer Disziplin, für die man keinen Worldcup ins Leben rufen mochte.
Doch es kommt noch dicker: Zugleich teilt die UCI mit, dass bei den Mountainbike-Weltmeisterschaften in Pietermaritzburg keine 4Cross-Rennen statt finden werden. Statt dessen werden die Regenbogen-Trikots im 4Cross Ende September im Rahmen des World Cup-Finales der Downhiller im österreichischen Leogang vergeben. Für die meisten 4Crosser ist das im Grunde eine gute Nachricht, denn eine Reise nach Südafrika hätten sich die wenigsten Fahrer und Teams leisten können. Zudem wird am selben Wochenende auch das Finale der „4X Pro Tour“ ausgefahren, was nochmals Reisekosten sparen hilft. Bloß: Faktisch kommt diese Entscheidung einer nochmaligen Abwertung der Disziplin 4Cross gleich. Um das zu erkennen, muss man weiter voraus schauen als nur bis in den September 2013.
Der nächste Tiefschlag für den 4Cross
Denn auf die Streichung des Worldcups auf die Saison 2012 hin folgt nun in einem zweiten Schritt die Streichung aus dem Programm der offiziellen Mountainbike-Weltmeisterschaften. Ob sich 2014 jemand bereit erklären wird, die Rolle von Leogang zu übernehmen und Weltmeisterschaften im 4Cross quasi als Rahmenprogramm eines Worldcup-Finales auszutragen, steht in den Sternen. Die Organisatoren der „4X Pro Tour“ sind zwar zuversichtlich dass Hafjell 2014 auch wieder eine Weltmeisterschafts-Strecke für 4Crosser bieten wird. Die UCI macht in ihrer Begründung des Entscheids aber auch den gedrängten Kalender an den Titelkämpfen geltend, verursacht durch die neue Disziplin Crosscountry Eliminator. Für Sportler auf der Suche nach Sponsoren-Verträgen eine denkbare ungünstige Situation, die ihnen die UCI eingebrockt hat.
Retorten-Rennen an Olympia?
Aber es kommt noch grotesker: In Louisville hat sich das Managing Committee als geschäftsführendes Gremium der UCI darauf geeinigt, beim IOC auf Olympiarennen in der Retorten-Disziplin Crosscountry Eliminator zu drängen. Dieses Format hat gerade mal die erste WM hinter sich, und bezüglich der Art der Strecke herrscht noch viel Unklarheit: Braucht es künstliche Hindernisse oder unbefestigten Untergrund? Sollen vier oder sechs Fahrer pro Lauf antreten? Und wie schaut es mit einem Startgatter aus, um faire Bedingungen am Start zu schaffen? All diese Fragen sind zu beantworten, denn im Verlauf der vergangenen Saison wurde da so ziemlich alles geboten.
Zudem hat die vergangene Saison gezeigt, dass sich die Top-Stars der Szene einen Start bei Eliminator-Rennen am gleichen Wochenende wie ein Crosscountry-Rennen nicht antun. So verkamen diese Rennen zuletzt zum Trostpreis für die zweite bis dritte Garde des Mountainbike-Sports. Und nun soll dieser Trostpreis nach dem Willen des Weltradsport-Verbandes also olympische Weihen erhalten. Die jüngsten Vorgänge zeigen: Die UCI und Peter van den Abeele interessieren sich NUR für die Weiterentwicklung der Ausdauer-Disziplinen im Bikesport. Das dürfen sie auch, aber dann sollen sie die Entwicklungen im Gravity-Segment nicht länger behindern.
Ohne das planerische Hin und Her, ohne die Beschränkungen für Filmarbeiten an der Strecke und Helmkamera-Fahrten werden die Gravity-Disziplinen für private Sponsoren weit interessanter. Und ohne den Ballast der UCI, die zuletzt vor allem mit Filz und der Vertuschung von Dopingfällen in Verbindung gebracht wurde. Die „Ehe“ ist zerrüttet, einer Therapie gebe ich persönlich kaum noch Chancen. Ein klarer Schnitt erscheint mir sinnvoller, als sich weiter Jahr für Jahr über haarsträubende Entscheidungen der UCI-Granden aufzuregen. Der Gravity-Sport sollte seinen eigenen Weg gehen.
Gastkommentar von Laurens van Roojien – Laurens ist u.a. bei der WOMB zusammen mit Hoshi Yoshida für die World Cup-Berichterstattung zuständig, zusätzlich schreibt er für das schweizerische Frontline Magazine.
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