Canyon Spectral AL 9.9 EX im Test: Seit der Eurobike waren Canyons Pläne für 2014 bekannt – doch bis zu einer ausgiebigen Ausfahrt auf den neuen Bikes sollte es bis ins neue Jahr dauern. Das neue Canyon Spectral ist dabei auf den Markt der Trailbikes zugeschnitten: Eigentlich Tourenfullys, aber mit der gewissen Prise Spaß für die Abfahrt. Die Koblenzer bedienen diesen Markt sowohl mit 27,5″ als auch mit 29″ – wir haben die Variante mit den größeren Rädern, 140mm Federweg vorne und 130mm hinten, auf dem Trail getestet.

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# Canyon Spectral AL 9.9 EX – das brandneue Modell für 2014 soll im All Mountain-Sektor durchstarten. 

Canyon Spectral AL 9.9 EX – aus der Box

„Boah, das Rad ist ja perfekt aufgebaut!“ – entfährt es Sebastian, als ich mit dem Spectral AL 9.9 EX auftauche. Das Bike ist gewisser Maßen das Tuning-Modell der Serie, mit einem Preis von 3.399€ aber noch nicht völlig abgehoben. Dabei hätte die Ausstattung genau das erwarten lassen: Nach einem Bike vom Versender sieht das Teil nicht gerade aus, wohl eher als entspränge es den Träumen eines Tuners. Hippe Renthal Vorbau-Lenker-Kombination, 1X11-Antrieb aus dem Hause Sram, Maxxis Ardent Reifen, den Reverb-Remote-Hebel links unter dem Lenker montiert, ein fetter Float X Dämpfer mit ordentlich Hub kümmert sich um „nur“ 130 mm Federweg, dazu ein 967€ Sram-Laufradsatz, Fox 34 FIT, ect… Kurzum – eigentlich nur das Beste, und dann auch noch äußerst durchdacht aufgebaut. Gerade Tricks wie der links montierte, rechte Reverb-Hebel zeigen, dass hier ein Produkt-Manager richtig Zeit investiert hat. Der Aufwand hat sich gelohnt: Trotz dickerer Federung und Kettenführung wiegt das Bike gerade einmal 12,9 kg, was sich absolut sehen lassen kann. Also nichts wie ab auf den Trail damit.

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# 3.399 Euro – in Anbetracht der edlen Parts ein durchaus fairer Preis. 

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Canyon Spectral AL 9.9 EX – auf dem Trail

Vor dem Start geht es ans Setup des Fahrwerks. Sowohl Gabel als auch Dämpfer sind mit einer dreistufigen Druckstufe (Fox CTD) versehen, da gibt es nicht viel zu machen. Der Luftdruck passt nach zweimaligem Anpassen, wir starten zu Anfang mit 25% SAG. Schwierig gestaltet sich die Zugstufen-Einstellung am Dämpfer: Man kommt ohne Werkzeug schlicht nicht an den kleinen Knopf, der eng an der Wippe liegt. Mit einem Schraubenzieher lässt sich hier aber tricksen, und so geht’s endlich ans Fahren.

Bei 1,77 m fahre ich Größe M und freue mich sofort über das verbaute Cockpit: 50 mm kurzer Vorbau und 740 mm breiter Lenker an einem 130mm Twentyniner – bei Canyon hat man begriffen, was hier Spaß und Sinn macht. Mit einem Reach von 418 mm und 74° Sitzwinkel nehme ich in einer komfortablen, aber sportlichen Position auf dem Rad Platz. Die Lenkung fühlt sich gleich sehr agil an, 68,5° Lenkwinkel sind etwas anderes als die 67,5° am Enduro, welches ich zuvor gefahren war.

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#Es hat eine Weile gedauert, aber inzwischen kommen uns immer mehr Twentyniner in die Hände, die agil und laufruhig zugleich sind. Das Canyon gehört dazu.

Aus der Einfahrt raus hebt erst einmal der 29er-Effekt die Mundwinkel: Das Überrollverhalten ist bestens, worüber ich mich nicht nur in grobem Gelände, sondern auch auf dem ersten, babypopo-glatten Trail freue. Selbiges gilt auch für dass 32er Kettenblatt an der X01-Kurbel, was zusammen mit den großen Laufrädern bis etwa Tempo 40 bequem zu treten ist. Wie schnell man in leichtem, flachen Gelände unterwegs ist, ohne sich die Beine leer zu treten, ist schon ein echtes Argument.

Mit diesem Tempo erreichen wir schnell den ersten Anstieg: Immer steiler werdend, gleichbleibend wurzlig. Deshalb bleibt der Dämpfer offen, und ich achte genau darauf, wie tief das Bike jetzt hinten einsackt und wie komfortabel es klettert. Die Front steigt erst spät, und der Kettenzug hält den Dämpfer hoch im Federweg. Das minimale Wippen des Hinterbaus ist kaum zu spüren, genau so effizient muss sich ein solches Fahrrad anfühlen. Bei den kleinen Schlägen im Uphill macht die wenig belastete Gabel nicht den besten Eindruck, das Heck folgt dafür angenehm zügig den Schlägen. In so richtig knackig steilen Passagen bereue ich dann, mich eben über den ausreichend großen Gang gefreut zu haben. Da dürfte es am Twentyniner je nach Oberschenkeln gerne das 30er oder gar das 28er Blatt sein. Schön jedoch: Selbst sehr enge Serpentinen lassen sich problemlos ziehen, da können sich manche Twentyniner eine Scheibe von abschneiden.

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# Im Uphill weiß das Canyon Spectral AL 9.9 EX zu überzeugen. 

Ob das auch für die Downhill-Eignung gilt? Zunächst geht es entspannt und schnell bergab. Erstaunlicherweise lässt sich das Rad leicht aufs Hinterrad ziehen – erstaunlich deshalb, weil 445 mm Kettenstreben durchaus nicht kurz sind. Als die ersten Absätze das Fahrwerk fordern, gibt der Hinterbau schnell eher viel Federweg frei, was sich sehr komfortabel anfühlt – aber ob er dann beim ersten kräftigen Stoß durchschlagen wird? Bis es so weit kommt, kommen enge, flache Kurven auf mich zu. Wie schnell sich dieses große Rad da hindurch schleudern lässt, begeistert. Kurz darauf wird es richtig steil, jetzt wird Laufruhe, nicht Agilität verlangt. In dieser Disziplin fühlen sich andere, flachere Bikes wohler, aber dank großer Räder und dem Heck, das hier Sag freigibt, müssen Hintern und Hinterrad keinen Kontakt aufnehmen. Die Bremsen überzeugen mit guter Dosierbarkeit und kräftigem Biss, ebenfalls eine gute Wahl.

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# Der Hinterbau des Bikes ist eher komfortabel, könnte aber – wenn es richtig hart kommt – noch satter liegen.

Bevor der Trail uns aus dem Wald auf die Wiese schießt, kommen noch ein paar liebevoll „Krater“ genannte Löcher – ordentliche Kompressionen also, egal ob man droppt oder fährt. Das Bike nutzt jetzt jeden Millimeter seines Federwegs, schlägt aber einfach nicht spürbar durch. Die Endprogression von Dämpfer und Hinterbau passt perfekt. Auf der Gegenseite der Krater kann man schön rausspringen. Das klappt zwei Mal, beim dritten Mal springe ich schräg ab und wickel mich in der Landung vom Rad. Nichts passiert, aber die Erkenntnis: Der Buckel des Rahmens sorgt zwar für eine wunderschöne Optik (Diese gerade Linie von Oberrohr bis Sitzstrebe! Diese Ausfallenden! Dieses Sitzrohr!), aber auch dafür, dass der Schalthebel anschlägt, selbst wenn man ihn nicht ungewöhnlich steil fährt. Eine tiefe Front und ein stylisches Oberrohr sind eben nicht die besten Freunde.

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#Auf den allermeisten Strecken, auf denen wir unterwegs waren, machten reduzierter Federweg und größere Räder viel Spaß.

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# Entspanntes 29er-Rollen

Fazit

Ziemlich durchdachtes Highend-Bike zum Versender-Preis. Seien wir ehrlich: Auf vielen deutschen Strecken zwischen Flensburg und Konstanz wird das Spectral AL 29 die meisten Enduros gnadenlos versägen. Erst wenn es entweder sehr steil oder sehr verblockt wird, muss es andere Räder vorbei ziehen lassen. Die Ausstattung des 9.9 EX ist klasse, die Felgen sind übrigens UST-tauglich, dürften aber noch einen Tick breiter sein. Bei wem das Geld nicht ganz so locker sitzt: Den selben Rahmen gibt es bereits ab 1999€ aufgebaut, dann immer noch mit vernünftiger Ausstattung (Crossride 29, SLX, Fox CTD Performance) und auch nur 13,4 kg.

Pro:

  • sattes und ausgewogenes Fahrwerk (Gabel aber nicht so gut wie Hinterbau/Dämpfer)
  • top Ausstattung zu einem fairen Preis
  • Agile und gleichermaßen laufruhige Geometrie

Contra:

  • Performance-Schwächen der Fox 34 Float
  • Hauptrahmen dürfte für Maxi gerne länger sein

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Im Detail

Überblick:

  • 29er All Mountain-Rahmen, Aluminium
  • 130 mm Federweg am Heck
  • Viergelenk-Hinterbausystem mit Rocker-Arm
  • tapered Steurrohr für semi-integrierte Steuersätze
  • direct-mount Umwerferaufnahme
  • post-mount Bremsaufnahme
  • Canyon 12mm-Streckachse
  • innenverlegte Schaltzüge
  • Reverb Stealth ready
  • Preis: 3.399 Euro
  • Rahmengröen: S, M, L, XL
  • Gewicht: 12,9 kg

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# Canyon Spectral AL 9.9

Geometrie (Beispielgröße: M):

  • Reach: 419mm
  • Oberrohrlänge: 595mm
  • Sitzrohrlänge: 440mm
  • Kettenstrebenlänge: 445mm
  • Radstand: 1.140mm
  • Lenkwinkel: 68,5°
  • Sitzwinkel: 74°

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# 130mm Federweg, ein 68,5° Lenkwinkel und 445mm lange Kettenstreben: das spricht für ein gutmütiges Bike

Ausstattung:

  • Rahmen: Canyon Spectral AL 29
  • Dämpfer: Fox Float X CTD Factory Kashima
  • Gabel: Fox 34 Float CTD FIT Factory Kashima
  • Steuersatz: Cane Creek 40
  • Schaltwerk: SRAM X01 // Schaltauge Nr. 26
  • Schaltgriffe: SRAM X01 Trigger
  • Bremsen: Avid Elixir 9 Trail
  • Naben: SRAM ROAM 50
  • Zahnkranz: SRAM X01 XG-1195
  • Felgen: SRAM ROAM 50
  • Reifen: Maxxis Ardent EXO MaxxPro 2.4″
  • Kurbel: e.thirteen TRSr single
  • Kettenblatt: e.thirteen TRSr 32
  • Vorbau: Renthal Duo
  • Lenker: Renthal Fat Bar Lite
  • Griffe: Ergon GA-1 Evo
  • Sattel: SDG Circuit
  • Stütze: RockShox Reverb Stealth 150mm 30.9

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# Das Spectral in der Rückansicht. 

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  1. benutzerbild

    Jaspero

    dabei seit 01/2008

    Wass ist mit die head angle. Das getested rad hat eine fox 34 140 und hat eine langere axle to crown dann die gabel verbaut in die andere modelle, aber das head angle ist gleich? Dass fox 32 ist zwei cm kurzer.. Aber beim beide modelle steht das 85.5 head angle.

  2. benutzerbild

    Hillside

    dabei seit 05/2013

    Ansonsten die gleiche Leier wie bei allen Bikebravo-Tests (die übrigens viel subjektiver und Werbungs-beeinflusster sind als alles, was die Jungs vom IBC hier schreiben)

    Genau das ist der Punkt. Was in den Tests geschrieben wird, glaubt kein Mensch. Oft ist es auch unglaublich offensichtlich und schlichtweg eine Frechheit.

    Und ich hoffe, das IBC kann sich die Unabhängigkeit auch in Zukunft erhalten und entwickelt keine "Nähe" zu einzelnen Herstellern.
  3. benutzerbild

    Hillside

    dabei seit 05/2013

    https://www.canyon.com/mountainbikes/bike.html?b=3258#tab-reiter2

    Die Klassifikation erscheint mir in erster Linie als eine Absicherung des Herstellers in Bezug auf Gewährleistung bei Defekt etc.

    Kulant kann man dann immer noch sein, muss aber nicht smilie
  4. benutzerbild

    Moritz3788

    dabei seit 05/2014

    Mich würde interessieren was das für Griffe sind???

  5. benutzerbild

    Pixelsign

    dabei seit 08/2014

    @nuts : Hi Stefanus, dem Test konnte ich entnehmen das du 177 cm groß bist und das Bike mit dem 50er Vorbau super gepasst hat. Wärst du so gut und könntest mal deine Schrittlänge nennen? Ich bin knapp 180cm groß mit einer 85er SL und überlege ob M oder L die bessere Rahmengröße ist. Passen würden sicherlich beide mit unterschiedlichen Vorbauten.

    Über ein paar Infos wäre ich dir sehr dankbar (du bist nicht der Erste dem ich damit auf die Nerven gehe smilie)!

    Viele Grüße
    Tino

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