Vancouver 1. August, wir reisen gerade zum sechsten mal nach Kanada und können unser Glück kaum fassen; endlich haben wir wieder normale Luft zum Atmen, in Aspen war uns die Höhenluft eindeutig zu dünn. Unsere Bikes sind noch nicht angekommen, das stört uns jedoch nicht wahnsinnig, denn trotz großer Freude ins Mountainbike-Mekka Whistler zu reisen, sind wir den ersten Tag viel zu geschafft, um im Park fahren zu gehen.
Da zwischen den beiden Rennen zwei Wochen liegen, haben wir genügend Zeit, um uns vor dem Crankworx dem Whistler-Groove anzupassen. Leckeren Kaffee im Mount Currie Coffee, Bikepark-Laps, Trailtouren und Chillen am Lost Lake sind die Haupt-Programmpunkte. Es lässt sich wunderbar aushalten in Whistler.
Jedes Jahr gibt es beim Whistler-Rennen ein grosses Rätsel-Raten über die Strecken, die im Enduro-Rennen gefahren werden, die Vielfalt vor Ort ist einfach riesig. Wir sind erfreut, dass die „Top of the World“ Stage wieder die epische längste und letzte Stage ausmacht. Das Training für die Stages im Bikepark nehmen wir schon am Mittwoch auf. Vor lauter Runden-im-Park-drehen fällt es uns richtig schwer die Beine hochzulegen und uns für das grosse Rennen genug auszuruhen, wer will den schon in Whistler rumhocken?!
Caro und ich sind von dem guten Resultat in Aspen top motiviert und fahren schon im Training recht schnell. Voller Tatendrang trete ich in die Pedalen und bemerke dabei nicht, dass dies dank der bald folgenden Kurve auf dem „Rockslab“ etwas zu schnell ist. %*#% Zack bumm und ich knalle im Highsider auf meinen Po beziehungsweise Oberschenkel. Ich muss mich erst mal für 10 Minuten hinsetzen und den Schmerz verfliegen lassen, bevor wir die Weiterfahrt aufnehmen können.
Am nächsten Tag finde ich eine tellergroße, schwarz-blaue Möse (schweizerisch für Beule, Anm. d. Red.) und kann kaum aufstehen. Caro hat gänzlich wenig Mitleid mit mir und meint, ich solle eine Schmerztablette einwerfen und mich zusammenreißen. Zum Glück sind wir so gnadenlos zueinander, ansonsten wäre ich im Selbstmitleid ertrunken. Die restlichen Stages, die wir am Freitag trainieren, gefallen uns super. Verteilt über das ganze „Whistler-Valley“ haben die fünf Stages eine riesen Vielfalt. Jede einzelne ist technisch sehr anspruchsvoll und lässt praktisch keine Zeit um sich kurz zu erholen. Sich möglichst flink und kraftvoll durch die recht ruppigen Trails zu pushen ist Schlüssel zum Erfolg.
Samstagmorgen klingelt der Wecker früh, wir haben vor, nochmals die Stage 2 „Crazy Train“ am Blackcomb zu fahren. Wir werfen uns im Bett liegend einen Blick zu und sind uns praktisch ohne Worte einig, das wir besser liegen bleiben und anstelle dessen einen richtigen Ruhetag einlegen. Schließlich liegt morgen ein langer, ultraharter Tag vor uns. Die Taktik, mit weniger Streckenkenntnissen, dafür in voller Kraft, geht für uns meist besser aus. Aus den Jahren zuvor wissen wir, dass das Rennen erst auf der letzten Stage „Top of the World“ mit 12 Kilometern Länge rund 25 Minuten Fahrzeit entschieden wird, hierfür muss man einfach noch ein paar Körner übrig haben.
Das Rennen am Sonntag starten wir beim „Roundhouse“. Bereits die erste Stage hat eine Fahrzeit von 14 Minuten. Die Luft am Start lässt sich mit einem Schwert zertrennen, man merkt, dass dieses Rennen einen höheren Stellenwert hat und die Fahrer unter etwas mehr Druck als normal fahren. Wir versuchen locker zu bleiben, ein letzter Box mit der Füstlicrew und auf geht’s in einen abenteuerlichen Tag. Die erste Stage führt im oberen Teil über „Blue Velvet“ einem Beginner-Trail, die Bremswellen machen einem das Leben schwer, aber dennoch fährt sich die Strecke im Rennen deutlich besser wie im Training. Den nächsten Trail müssen wir mit Muskelkraft erklimmen, die Hitze macht uns zu schaffen und wir kommen beide recht geschafft oben an. Meine sonstige Stärke in physischen Stages kann ich nicht ausspielen, die Zerrung am Bein macht sich immer dann bemerkbar, wenn ich in den etlichen kurzen Anstiegen Druck auf die Pedalen geben möchte. Caro hängt sich mit dem Pedal zwischen zwei Baumstämmen ein und stürzt in der Folge.
Dank der unüblichen zwei Minuten Startabstand wegen des Webcasts finde ich mich alleine auf dem Transfer wieder, der wirklich sehr mager ausgeschildert ist. Ich verfehle ein Schild und mache in der Folge einen 3 Kilometer langen Umweg auf der falschen Seite des Sees. In dem Moment als ich mein Missgeschick realisiere, möchte ich am Liebsten alles hinschmeißen – nie im Leben schaffe ich es an den Start der nächsten Stage in den sonst schon kurz bemessenen Transfers. „Versuchen muss ich es aber wohl trotzdem“, denke ich und sprinte los. Zu meinem Glück schaffe ich es rechtzeitig, Ines und Caro leisten mir seelische Erste Hilfe, ich bin komplett aufgelöst. Die Wut in mir verhilft mir aber trotzdem zu meinem besten Stageresultat als dritte. Auch Caro hat eine fast fehlerfreie Fahrt. Für den nächsten langen Transfer wurde mehr Zeit eingeräumt, endlich können wir uns alle zusammen aufmachen.
Stage 4 ist zwar nicht sehr lang, jedoch bietet sich an diversen steilen und sehr technischen Stellen die Möglichkeit, viel Zeit im Staub liegen zu lassen. Wir fahren die Stage beide mit Köpfchen. Caro bleibt zwar nicht sturzfrei, ist aber sehr schnell unterwegs und lässt nicht allzu viel Zeit liegen.
Die Sonne hängt schon tief, als wir in der Gondel zu letzten Stage sitzen. Das Drama nimmt seinen Lauf, denn plötzlich steht die Bahn still. Besorgt schaut Caro immer wieder auf die Uhr, das könnte knapp werden! Um dem ganzen noch mehr Nervenkitzel zu verpassen, steht die Bahn kurz vor dem Ausstieg gleich nochmals für ein paar Minuten still… Trotzdem sind wir rechtzeitig! „Puuh, gerade noch geschafft“ meint Caro und macht sich auch gleich schon parat um in die letzte Stage zu starten. Ich beobachte ihre ersten Meter und sehe gleich, dass sich Caro auf ihrem gewohnten Untergrund befindet, hoch alpin, schnell und felsig. Die 25 Minuten lange Königsetappe liegt uns und wir wollen beide nochmals attackieren, da wo es halt Sinn macht, denn wer hier nicht sauber fährt, hat ein hohes Risiko einen Plattfuss einzufahren.
Völlig geschafft aber glücklich fahren wir im Ziel ein, wir sind uns einig: Whistler ist wohl das härteste Rennen des Jahres! Durch die verschiedenen Stolpersteine und körperlich nicht den besten Tag sind wir wirklich happy, trotzdem die Plätze 5. (Anita) und 7. (Caro) zu belegen.
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