Die beiden Länder liegen nebeneinander und ihre Bewohner praktizieren die gleichen Sportarten. Trotzdem könnte die Einstellung zum Mountainbiken sich in Frankreich und Deutschland nicht mehr unterscheiden.

Zwei Länder im Vergleich – was die Deutschen unbedingt von den Franzosen lernen sollten, ist die Akzeptanz des Mountainbikens!

Lisa, deutsche Studentin an der Universität Aix en Provence (bei Marseille), hat sich für ihren Pressekurs mit der Einstellung gegenüber dem Mountainbiken in Frankreich und in Deutschland auseinandergesetzt und einige eklatante Unterschiede zu Tage gefördert. Dazu hat sie zwei Mountainbiker der beiden Nationen zum Interview besucht und alles in einen schönen, informativen Blogeintrag gepackt.

Gerade vor dem Hintergrund der Pro-MTB Demonstration in München Ende April [Bericht mit Video] lassen sich ihre Erkenntnisse nur zu gut nachvollziehen, denn der Umgang mit Mountainbikern könnte sich in den beiden Ländern kaum deutlicher unterscheiden.

Da der Originalbericht natürlich auf Französisch geschrieben ist, habe ich ihn hier (relativ frei) übersetzt:

Deutschland, Frankreich und das Mountainbiken

Wer als Deutscher einen Franzosen kennen gelernt hat, wird auch die Unterschiede kennen gelernt haben. Das Gleiche gilt für den Franzosen, der in Deutschland lebt. Die zwei Kulturen sind durchaus als verschieden zu bezeichnen. Beide sind zwar große Fußballfans, doch zum Mountainbiken gibt es in der Gesellschaft sehr unterschiedliche Einstellungen. Dies zeigte ein Interview mit zwei Mountainbikern – einem aus Deutschland und einem aus Frankreich.

Die beiden sind schon lange befreundet und gehen gemeinsam Fahrradfahren. In Frankreich haben sie riesige Strecken durch den Wald gebaut. In Deutschland haben sie fast eine Anzeige wegen 300m befahrenen Weges bekommen. Für sie scheint klar zu sein, worin die Unterschiede bestehen und was ihre Gründe sind. Lest selbst, zu welchem Ergebnis die beiden im Interview gekommen sind:

Jeder Sport außer den Standardsportarten wie Fußball, Handball, Basketball oder Tennis soll in Deutschland möglichst kostengünstig sein und wenig Platz verbrauchen. Die Deutschen scheinen keine Individualsportarten zu mögen und neue Sportarten setzen sich nur schwer durch. Manche werden nie wirklich angenommen, obwohl sie in anderen Ländern großen Zulauf haben. In den vergangenen 30-40 Jahren haben die Deutschen aufgehört, zu wandern. Stattdessen hat sich eine große Naturschutzlobby etabliert. Diese Lobby beansprucht gefühlt alle freien Flächen des Landes für sich und die Behörden genehmigen keine auch noch so kleinen Eingriffe in die Flora und Fauna der Gegenden. So hat das Mountainbiken kaum eine Chance, denn es spielt sich in der Natur ab. Und seit dem Rückgang des Wanderns gehört die mehr den Tieren, als den Menschen.

Fiel trotz erfolgreicher Legalisierung dem Umweltamt zum Opfer – Mountainbikestrecke am Bodensee

Wer dort Sport treiben will stößt auf taube Ohren. Das ganze wird noch verschlimmert durch das schlechte Image der Mountainbiker, diese „rücksichtslosen Rüpel“. Kaum ein Deutscher wird wissen, dass bei den Olympischen Spielen eine Deutsche Mountainbikerin, Sabine Spitz, zu Gold gefahren ist.

Ein weiteres Problem: die deutschen Behörden geben nicht gerne Geld für öffentliche Sportanlagen aus. Das zeigt sich schon beim Fußball (kaum Bolzplätze und öffentliche Anlagen). Moutainbike Anlagen wären sehr günstig und bräuchten vergleichsweise wenig Platz. Sie werden jedoch gar nicht erst geplant oder gefördert. Die Deutschen scheinen sich noch nicht mit dem Mountainbike angefreundet zu haben. Dabei wird es immer beliebter. Wo früher gewandert wurde, wird heute Rad gefahren. Leider ist das in den meisten Fällen illegal. Nach wie vor gibt es kaum offizielle Mountainbikestrecken in Deutschland. Obwohl alle Behörden kritisieren, dass die Jugendlichen zu dick sind und zu wenig Sport machen, ändert sich daran nichts. Das Mountainbiken mit seinen vielen Facetten ist eine ideale Sportart für die verschiedensten Menschen. Deutschland sollte sich daran gewöhnen.

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In Frankreich ist das schon lange passiert. Hier hat der individuelle Sport im Freien andere Wurzeln. Zusätzlich ist der Umweltschutz bei weitem nicht so rigoros und menschenfeindlich. Die Franzosen fragen nicht, ob eine Strecke im Wald gebaut werden darf. Sie bauen sie einfach. Auf diese Weise entstehen viele Plätze zum Fahren und Trainieren. Und das wird positiv angenommen. Hier stehen der Freizeitwert und das gemeinschaftliche Training vor den Aspekten wie Umweltschädigung und Zerstörung. Gerade auch in den städtischen Gebieten ist Mountainbiken neben BMX und Skateboarden sehr beliebt. Der Sport belebt auch die Innenstadt. An den Strecken können sich die Jugendlichen treffen und gemeinsam Sport treiben. So hat jedes etwas größere Sportzentrum einen Skatepark und eine kleine Mountainbikeanlage. Das gehört in Frankreich dazu. Ebenso betreiben die Franzosen deutlich mehr Sportförderung im Mountainbikebereich. Schon früh werden die jungen Talente herausgefiltert und unterstützt. So werden internationale Stars hervorgebracht. Mit Nicolas Vouilloz ist auch ein Franzose der Mensch, der die meisten Weltmeistertitel im Downhill Mountainbiken gesammelt hat und der zu einer lebenden Legende des Sports geworden ist. Und auch in den anderen Disziplinen des Mountainbikens sind es oft die Franzosen, die sehr weit vorne in den Ergebnislisten gefunden werden können, wie z.B. beim CC Julien Absalon. An diesem Punkt wird klar: die Franzosen gehen einfach anders mit dem Mountainbiken um. Sie fördern es, lassen es wachsen und nehmen die Chancen, die es bietet, an.

Das Paradies für Dirtjumper: Peynier in Südfrankreich

Da könnten sich die Deutschen etwas von abschneiden. Sollte der Mensch seine Freizeitinteressen hinter den Umweltschutz stellen, wenn gar nicht nachgewiesen ist, dass das Interesse der Natur schadet? Diese Frage stellt sich den Franzosen offensichtlich nicht und das ist richtig so! Es ist an der Zeit, dass die Deutschen sich neuen Sportarten gegenüber öffnen und ihren Jugendlichen die Chance geben, ins Freie zu gehen und Sport zu machen. Denn das wollen doch alle, oder?

Den ursprünglichen (ausführlicheren) Bericht findet ihr hier.

Wer von euch war nicht schon in Frankreich zum Mountainbiken? Und wer hat sich nicht schon über z.B. die Zwei-Meter-Regel in Baden-Württemberg aufgeregt? Wer wurde nicht schon alles wegen seines Sports auf dem Trails angegangen? Und wer hat nicht schon seine mühsam erbaute Strecke zerstört vorgefunden?

Insgesamt kann ich Lisas Position sehr gut nachvollziehen – sie beschreibt leicht überspitzt, was Sache ist in Deutschland und hält am Beispiel Frankreichs allen Anti-Mountainbikern den Spiegel vor. Hoffen wir, dass zunehmend mehr Deutsche diese verkorkste Situation erkennen und das Mountainbiken weiter in die Öffentlichkeit tragen!

  1. benutzerbild

    jopo

    dabei seit 12/2003

    aber mit der einstellung der spaziergänger und wanderer hat das nicht viel zu tun... wie sie schreibt, das sie angefeuert werden, wenn sie dort durch den wald fahren... sowas in der art habe ich hier noch nie erlebt... ausser bei rennen...

    Ich schon, häufig! Allerdings nicht im Wald, sondern hier in den Voralpen am Berg. Das Verhältnis zwischen Bikern und Wanderern ist hier nämlich garnicht so schlecht, wie es im Forum oft dargestellt wird. Selbst wenn ich bergab mal wieder mit 50 Km/h angeflogen komme und das Bremsen je nach Untergrund meistens nicht ganz lautlos geht, ein paar nette Worte im Vorbeirollen wie:"Keine Panik, alles unter Kontrolle!" wirken Wunder. Wenn die trotzdem schimpfen, halte ich schonmal an und diskutiere auch mit denen. Schon, dass die sehen, das ich sofort anhalten kann. Wenn natürlich ein Idiot an einer Gruppe mit Kindern mit Topspeed vorbeirast, das können 100 rücksichtsvolle Biker nicht wieder gutmachen.
  2. benutzerbild

    Dddakk

    dabei seit 01/2009

    Ein guter Bericht, aber die Antworten darauf sagen schon alles: Man kann Frankreich von der Geografie, Siedlungsstruktur, Siedlungsdichte, Mentalität nicht mit Deutschland vergleichen. Ich habe mir vor 3 Jahren eine Wanderkarte gekauft, und meide nun einfach die Wanderwege und die Spazierwege nahe der Städte und der Wanderparkplätze. Das klappt ganz gut.
    Mein Hausberg ist von Wanderern, Touristen, Spaziergänge, SUV-Hunde-Gassi-Ausfahr-Mammis übersät, aber bereits ein Hügel weiter ist Ruhe.
    Und im Streitfall wird einfach ein wenig geschwätzt, klappt fast immer.

  3. benutzerbild

    canecorso

    dabei seit 06/2009

    Interessanter Bericht, aber das in Frankreich die "Uhren anders ticken" habe ich schon vor Jahren, als ich noch Paintball gespielt habe bemerkt.
    In Frankreich alles kein Problem, auch mit Softair nicht.
    Und in Deutschland ist es "tierisch verboten" , wird als unsittlich und "gegen die Menschenwürde" bezeichnet.

    In Frankreich sind die Leute um einiges relaxter, da regt sich keiner wegen irgendwelcher kleinigkeiten auf oder ruft gar wegen irgendwelcher Radfahrer die im Wald rumfahren die Polizei o.Ä.

  4. benutzerbild

    Asta

    dabei seit 05/2009

    Die ganze Diskusion kenn ich vom Kitesurfen. Da ist es leider ähnlich. Oft fadenscheinige Argumente die mit Vorurteilen gemischt vorgebracht werden.
    Da ist mittlerweile auch ein Verband entstanden, der sich jetzt einsetzt.
    Ist aber wie beim MTB von Ort zu Ort verschieden.

    Schöne Grüße
    Jürgen

  5. benutzerbild

    Kika

    dabei seit 12/2015

    Der Artikel - ob superwissenschaftlich oder nicht - bestätigt meinen Eindruck, den ich aus zahlreichen Frankreichaufenthalten gewonnen habe. Sowohl im Gelände als auch auf Strasse lebt es sich als Biker in Frankreich leichter smilie. Dass Franzosen ihre Natur nicht lieben oder Umweltschutz eher superlässig abhandeln, hab ich nie erlebt smilie. Kriege allerdings immer wieder nen kleinen Kulturschock, wenn ich aus Frankreich zurückkomme. Auch, wenn ich in der Regel keine Probleme hier habe. Unterschiede sind trotzdem deutlich zu merken.

    Sicher spielen als Ursache für die etwas schlechtere Bike-Situation hier die allg. Bevölkerungs-/Besiedlungsdichte/Lobbyismus und Mentalitätsunterschiede eine Rolle.

    Weiterer Unterschied, der mir in der Provence und den Alpes Maritimes aufgefallen ist: die Wanderwege sind naturbedingt sehr viel anspruchsvoller als z.B. bei uns im Pfälzer Wald. Daher sind die typ. Wanderer weniger Rentner/Sonntags-Ausflügler, sondern eher jüngere sportlichere Trekking-/Klettertypen. Hatte das Gefühl eher als Co-Sportler betrachtet zu werden, wenn mal denn mal Wanderer getroffen hat.

    Gegenbeispiel MTB-Park Pfälzer Wald
    sicher, alles schön und lobenswert und weiterso. Aber: vergleiche mal die bei uns freigeg. Wege im MTB-Park Pfälzer Wald (= Waldautobahn mit paar Trails) mit franz. offiziellen Tourempfehlungen z.B. vom Conseil General des Alpes Maritimes (z.B. die leicht abgewandelte Strecke der Transvesubienne oder "Crêtes du Cians"). Sind wir nachgefahren. Und waren platt, dass so was offiziell in Touriprospekten empfohlen wird. smilieEin sentier technique ist wahrlich ein sentier technique. Ebenso die div. ausgeschilderten Strecken der franz. Mountainbikezentren (nicht zu verwechseln mit Bikeparks). Schwierigkeits-Kategorie "schwarz" ist in der Regel wirklich rabenschwarz.

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