Ein Bike für ein Vielzahl von Einsatzbereichen zu schaffen – davon träumt vermutlich jeder Ingenieur, der in der Mountainbikebranche tätig ist. Die sehr große Vielfalt unseres Sports stellt dabei eine kaum lösbare Aufgabe dar, denn oftmals widersprechen sich die Anforderungen an das Bike grundlegend.

Gestern ging es zwar schon um gehobene Federwege, doch Scott kann mehr als „nur“ 150mm in ein CC Bike zu bauen und das ganze auch noch sehr angenehm fahrbar zu machen. Betrachtet man die Palette des letzten Jahres, so fällt auf, dass es zwischen dem Ransom, einem Carbonenduro mit 165mm Federweg und dem schweren World Cup Geschoss Gambler mit 190 bis 230mm Federweg eine nicht zu unterschätzende Lücke gibt, die noch deutlicher ausfällt, wenn man nicht in Federwegen, sondern in Einsatzbereichen denkt.

Das Ransom ist mit Sicherheit ein vielseitiges Bike, doch ist es für Freeride im eigentlichen Sinne nicht geeignet, ebenso wenig wie das zu dicke, zu schwere Gambler. Genauso wenig ist das Genius geeignet, um einen Schwerpunkt auf Abfahrten und Sprünge zu legen. Und wer könnte sich vorstellen, mit Ransom oder Gambler bei einem Slopestyle Contest anzutreten? Wer will mit dem Ransom ernsthaft Downhill fahren und wer tritt das Gambler auch nur 100Hm den Berg hinauf?

Hinzu kommt, dass sowohl das Ransom, als auch das Gambler, für den Geldbeutel der häufig jungen Klientel und dessen rasant beliebter werdenden Spielarten des Mountainbikens schlichtweg zu teuer sind.

Diese Lücke in der Modellpalette war auch den Ingenieuren bei Scott klar und so entwickelten sie über zwei Jahre hinweg ein neues Bike für Bikepark, Freeride und Slopestyle. Der Rahmen sollte quasi jeden Einsatz meistern können – von Downhill über große Jumps und hohe Drops bis hin zu groben Mountaincross Strecken. Im Tarnmantel eines Nitrous SS wurden die Rahmen bei Lance McDermott und Timo Pritzel gesichtet, doch was nach einem reinen Teambike aussah, war der Geometrietest für den jüngsten Spross der Scott Familie, das Voltage FR.

Mit Bedacht und unter Berücksichtigung vieler wichtiger Punkte hat Scott mit dem Voltage FR nicht nur einen Lückenfüller, sondern eine eigene kleine Bikefamilie ins Leben gerufen. Dabei gelingt nur einem Rahmen der Spagat zwischen den oben genannten Kriterien, so dass das Bike die ideale Waffe für Fahrerinnen und Fahrer mit kleinerem Geldbeutel, Verleihstationen in Bikeparks und Downhillfahrer werden soll. Wie das gelingen kann?

Bereits bei Beginn der Entwicklung lagen die Schwerpunkte einerseits auf einem günstigen Einstiegspreis, andererseits jedoch auf einem niedrigen Gewicht, einer vielfältig passenden Geometrie sowie einer hohen Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit, um die auf den ersten Blick sehr verschiedenen Einsatzbereiche zu vereinen. Schließlich will niemand mit einem DH-Bike einen Slopestyleparcours fahren und kaum einer wird sich mit dem straffen Slopestyle-Bike eine ernsthafte Downhillstrecke vornehmen. Als Fully fürs Grobe ging es also in erster Linie um eine Unterscheidung zum Gambler, dass selbstredend auch für Freerideeinsätze genutzt werden kann. Charakteristisch für Scotts World Cup Downhiller sind Design, Steifigkeit und nicht zuletzt Federweg, was den Rahmen ideal für schnelle Downhills und den Renneinsatz macht. Beim Voltage FR hingegen musste dem breiten Einsatzspektrum Tribut gezollt werden und so ging es hier um ein handliches und agiles Bike, dass auf flacheren Downhillstrecken (wie z.B. in Canberra, wo dieses Jahr die Weltmeisterschaften stattfinden werden) ebenso zu Hause ist wie auf Dirt Jumps und deshalb günstig, leicht und vielfältig veränderbar sein muss.

Wer jetzt erwartet, dass das Bike mit unzähligen Geometrieoptionen in Form von durchlöcherten Wippen und Dämpferaufnahmen, wie es noch vor einigen Jahren an vielen Bikes üblich war, aufwartet, der irrt. In der Geometrie unterscheiden sich die verschiedenen Versionen nicht und neuerdings misst Scott seine Bikes nun mittels Reach & Stack [Was ist das?], da der Fahrer auf diesem Bike die meiste Zeit stehen wird und die Position des Sattels unbedeutend wird. Um die Dirt Jumper anzusprechen, wurde das Oberrohr so tief als möglich positioniert und bleibt dort auch unabhängig von der Rahmenlänge. Rahmenlänge? Ganz im Trend der Zeit, in der es darauf ankommt, so viel Bewegungsfreiheit wie möglich über dem Bike zu bieten, wird es das Voltage FR als Short und Long Version geben, die sich durch ein 25mm längeres Oberrohr unterscheiden, jedoch die gleichen Sitzrohre verwenden. Für die notwendige Laufruhe sorgen darüber hinaus ein mit 335mm ziemlich tiefes Innenlager sowie ein Lenkwinkel, der je nach verwendeter Gabel bei den Serienbikes (180 oder 160mm) zwischen 65 und 66° liegt. Der Sitzwinkel ist, auch um noch minimale Uphillambitionen zuzulassen, mit 72,5 beziehungsweise 73,5° relativ steil gewählt, was jedoch auch dem Tricksen zuträglich ist. Um die Kosten für den Rahmen in selbigem zu halten gibt es kein verstellbares Steuerrohr oder andere Gimmicks wie beim Gambler.

Diese Geometrie kann allein jedoch die angestrebte Vielfältigkeit nicht garantieren, weshalb der interessanteste Teil der technischen Daten mit Sicherheit der Federweg ist. Bei einem Übersetzungsverhältnis von höchstens 2,37:1 werden beste Dämpfungseigenschaften garantiert und ganz nebenbei der Dämpfer geschont. Die Kennlinie verläuft unabhängig vom Federweg leicht progressiv, was ein besseres Ansprechverhalten und mehr Sag bedeutet, ohne am Ende den nötigen Durchschlagschutz vermissen zu lassen. Am Rahmen befinden sich zwei Aufnahmepositionen für den Dämpfer, die den Federweg die sich im Federweg um zwei Zentimeter unterscheiden.

Und jetzt kommt die zentrale Idee des Bikes zum Tragen: Verschiedenen Dämpferaufnahmen. Wer aus einem Bike drei machen will und dabei ein Federwegsspektrum von 135 bis 180mm abdecken will, der kommt um verschiedene Dämpferaufnahmen nicht herum. Für den Aftermarket wird es also drei Dämpferaufnahmen geben, über die der Federweg verstellt werden kann.

Die drei Aufnahmen sind jeweils für Dämpfer mit 216mm, 222mm und 241mm Einbaulänge konstruiert und im passenden Zusammenspiel ergeben sich drei mögliche Federwege: 135-150mm für den kürzesten Dämpfer, 150-170mm für den mittleren Dämpfer und 160-180mm für den längsten Dämpfer. Der Austausch der Aufnahmen ist sehr leicht zu bewerkstelligen, ebenso die Verstellung des Federwegs innerhalb eines Setups.

Um den mit 3,4kg für das Rahmenset angenehm leichten Rahmen weiter zu spezialisieren gibt es die IDS Ausfallenden. Die Standardvariante stellt ein Schnellspannausfallende dar, dass je nach Lust und Laune durch ein Maxle- oder ein 12mm Steckachsausfallende ersetzt werden kann.

Wer sich für die Steckachse entscheidet, dem bieten sich darüber hinaus weitere Optionen. Sollte der Rahmen für den Slopestyle Einsatz aufgebaut werden, so kann mittels eines 10mm kürzeren Ausfallendes die Kettenstrebenlänge für maximale Variabilität auf 415mm reduziert werden. Diese Option steht jedoch nur beim kürzesten Dämpfer zur Verfügung, macht aber bei den längeren Dämpfern auch vom Einsatzbereich her wenig Sinn. Wer jedoch kurze Kettenstreben von seinem Dirt Jump Hardtail gewohnt ist, wird sich über diese Verkürzung freuen. Die Standardlänge von 425mm stellt wie eh und je den besten Kompromiss bereit und wer den Rahmen als Downhillgeschoss aufbauen will und viel mit Highspeed unterwegs ist, der sollte sich überlegen, ob er nicht in die andere Richtung verlängert und mit dem dritten erhältlichen Ausfallende die Kettenstrebenlänge auf 435mm erhöht.

Für weitere Aufbaumöglichkeiten steht, wie an den meisten anderen Scott-Gravity-Rädern auch, sowohl eine ISCG Aufnahme nach altem Standard, als auch eine 05er Version bereit. Rein von der technischen Seite her müsste das Voltage FR damit Hammerschmidt tauglich sein.

Wie unschwer zu erkennen ist, haben die Scott Ingenieure alles in den Rahmen geworfen. Insgesamt gibt es 13 verschiedene Kombinationen aus Dämpferlänge und Ausfallende und in der Tat sollte bei dieser Vielfalt für jeden das passende Setup dabei sein.

Was kann er also, der Rahmen, der sowohl den Downhillprofi Nick Beer, als auch die Dirt Jumper, Slopestyler und Freerider wie Simon Kirchman, Marius Hoppensack und Timo Pritzel glücklich machen will?

Optisch gefallen alle drei vom Start weg erhältlichen Komplettbikes, auch wenn sich manch einer (auch ich) noch über etwas edlere, ruhigere Styles gefreut hätte. Das jedoch ist gar nicht das Ziel dieses Bikes und deshalb geht es mit knalligen Farben und einem Einstiegspreis von fairen 1500€ auf Kundenjagd.

Auf dem Weg zum Trail überzeugt das Voltage FR mit einer entspannten Sitzposition, die jedoch noch genug Druck auf dem Vorderrad lässt und nicht schon bei kleinsten Steigungen aufs Hinterrad steigt. Selbstverständlich muss das Bike mit ordentlich Nachdruck bergan bewegt werden, doch ist das bei 36 Zähnen und tiefem Sattel wiederum auch kein Wunder. Beim treten arbeitet der Hinterbau unauffällig – ein Schaukelstuhl ist das Bike nicht. Ist man dann erst auf der passenden Strecke angekommen, entpuppt sich das Bike als wahre Spaßrakete.

In der von mir gefahrenen Version mit 160mm an Front und Heck zeigt sich der Hinterbau durchaus schluckfreudig und vermittelt einerseits genug Feedback über den Streckenzustand, andererseits jedoch das Gefühl von richtig guten Reserven. Nominell bietet der Rahmen so zwar nur 10mm mehr als z.B. ein Genius, doch wie im ersten Teil des Berichts bereits angedeutet gilt es die Qualität des Federwegs zu beurteilen und dort gibt es riesige Unterschiede. Wie ein kleines DH-Bike liegt das Voltage FR auf der Strecke und lässt sich willig über Sprünge und durch Steilkurven dirigieren. Man sitzt angenehm zentral über dem Bike und durch das relativ geringe Gewicht von etwas über 15kg (wobei auch Aufbauten unter dieser wichtigen Marke problemlos machbar sind) fährt es sich agil und flüssig durch die schönen Waldstrecken, die sich in den Schweizer Bergen verstecken.

Bei den Photoshootings an den großen Sprüngen zeigen jedoch die Dirt Jumper, die auf identisch aufgebauten Bikes unterwegs sind, dass mit etwas härterem Setup auch die Airtime gut zu nutzen ist. Mit viel Style schießen sich Timo, Simon und Marius in die Luft und stylen dort ebenso wie Nick Beer, der sein Voltage FR mit Fox 40 und weiteren Downhillkomponenten lässig durch die Luft whippt.

So breit die fahrerische Mischung bei dieser Ausfahrt ist, so breit kann auch das Voltage FR eingesetzt werden und scheint den Ansprüchen bei der Entwicklung gerecht zu werden. Und auch bergauf kann das Bike durchaus eingesetzt werden. Wer genügend Schmalz im Oberschenkel hat, könnte beispielsweise mit einer Hammerschmidt und auf 150mm Federweg einen spaßigen Allrounder für die Alpen aufbauen, der im Downhill einfach mehr einstecken kann, als ein Ransom. Auf 180mm hingegen kann der Rahmen problemlos alle deutschen Downhillstrecken unter die Räder nehmen und der normalsterbliche Mountainbiker profitiert vom geringeren Federweg und Gewicht gegenüber dem Gambler.

Ist das Voltage FR also die eierlegende Wollmilchsau für den Gravitysektor? Für Scott dürfte die Rechnung aufgehen. Mit einem fairen Einstiegspreis und durchgestylten Kompletträdern spricht das Bike vor allem junge Fahrer an, während die Variabilität auch all jene anlockt, die sich weder festlegen, noch jedes Jahr einen neuen Rahmen kaufen wollen. Letzten Endes wird kaum jemand drei verschiedene Ausfallenden und zwei Dämpfer nebst passender Aufnahme zu Hause liegen haben, doch bietet Scott jedem Fahrer die Möglichkeit, sich sein Bike so gut als möglich an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Dabei findet die Einstellung nicht on the fly auf dem Trail statt, sondern in der heimischen Werkstatt und nach reiflicher Überlegung, was man denn wirklich braucht. Scott verzichtet offensichtlich bewusst darauf, alle Eigenschaften in einem Rahmen vereinen zu wollen, denn einerseits ist dies technisch kaum möglich, überfrachtet den Rahmen und würde dafür sorgen, dass jeder an seinem Bike unnötigen Ballast mich sich führen würde. Außerdem steigert dieses Vorgehensweise das Produktionsvolumen und ermöglicht es dadurch, die angepeilten, vergleichsweise günstigen Preise zu erreichen.

Das Konzept lautet deshalb nicht, immer ein Bike für alle Fälle zu haben, sondern vielmehr, einen Rahmen für alle Fälle zu bieten, der eine Vielzahl von individuellen Aufbaumöglichkeiten bietet und daraus die für einen ideale auszuwählen.

Ein Bike für alle Fälle will hingegen das Ransom sein. Nur optisch und in den Ausstattungen überarbeitet geht das Hammerschmidt bestückte Allroundbike ins Jahr 2010 und wird auch dort wieder alle ansprechen, die lange Uphills in Angriff nehmen, um an feine Abfahrten zu gelangen.

Wer hingegen nur auf schnelles Downhill-Fahren aus ist, der wird bei Scott auch nach wie vor zum Gambler greifen. Der Rahmen erhält für 2010 einen Fox DHX RC4 Dämpfer und kommt je nach Modell mit Fox 40, Rock Shox Boxxer oder Rock Shox Totem. Neu sind die serienmäßig schön breiten Lenker mit 750mm.

Um den Gravitysektor abzurunden, bleiben nur noch die Hardtails. Hier hat es kaum Veränderungen gegeben – warum auch: der Rahmen ist nach wie vor ideal geeignet für die schwersten Tricks. Allerdings wurde das Bike wieder deutlich schöner, nachdem im letzten Jahr alle Regler ein wenig zu weit gedreht worden waren.

Scott zeigt sich also gut gerüstet für das neue Bikejahr 2010. Und natürlich wird man sich in dem kleinen Ort Givisiez, in dem man sowohl Deutsch, als auch Französisch sprechen können sollte, wie bei den anderen Herstellern auch weiterarbeiten. Auf den Trails werden bereits die 2011er Bikes getestet und in den Büros werden Formen und Anforderungen für 2012 zusammengeführt, genauer umrissen und bestimmt wieder in innovative Bikes umgesetzt.

Was haltet ihr von diesem Ansatz? Kann ein so vielseitiges Konzept Erfolg haben oder wird kaum einer von den verschiedenen Optionen gebrauch machen? Wie gefallen euch die Scott Neuheiten für 2010.

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Teil 1 des Berichts

Alle Bilder von Hansueli Spitznagel, Will Walker und Tobias Stahl sowie Scott.

Alle Videos von Scott.

  1. benutzerbild

    enter

    dabei seit 04/2009

    @ the.kill: das prob hatte ich auch einmal, das lag an dem zug, der auf der schraube lag, da hatte sich ein steinchen dazwischen-geklemmt und die schraube aufgedreht (nicht gerade ungefährlich..) - habe die züge auf beiden seiten von der schraube weg geholt, seitdem nichts mehr passiert in dieser richtung.

    übrigens jungens, es gibt hier einen thread im forum, für voltage inhaber...der ist auch wesentlich besser besucht als der hier...

  2. benutzerbild

    Scott_Pascal

    dabei seit 04/2011

    Gibt es eigentlich wieder ein neues Ransom

  3. benutzerbild

    Stefan-Nbg

    dabei seit 03/2005

    Ne, aber ein Genius LT

  4. benutzerbild

    Scott_Pascal

    dabei seit 04/2011

    aber ersetzt es irgendwie nicht voll

  5. benutzerbild

    Ransom racer

    dabei seit 03/2008

    aber ersetzt es irgendwie nicht voll

    Und wieso nicht???
    Bist du beide über längere zeit gefahren??

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