Das Crankworx-Festival in Whistler liegt schon eine Weile zurück, dennoch möchten wir nochmals auf unseren Aufenthalt dort zurückgreifen: Die Jungs von „EGO-Kit“ hatten uns im Rahmen des Festivals eines ihrer Testbikes für ein paar Runden auf den Singletrails rund um Whistler zur Verfügung gestellt. Ob es sich lohnt, ein Kona Entourage mit einem Motor, einem Gasgriff und einem Akku zu bestücken, das erfahrt ihr hier.
Wie wir alle wissen, boomt der E-Bike-Markt gewaltig und es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Downhill-Bikes mit Motor erscheinen würden. 2010 waren die Jungs von Ego die ersten, die ein DH Bike mit Elektromotor ausstatteten und damit einige Actionclips drehten. 4 Jahre später sind die Jungs mehr als einen Schritt weiter und bieten mittlerweile auch Komplett-Bikes mit ihrem Motor an – und vielleicht ist ihr Antrieb auch einer der wenigen, der den großen Namen im E-Segment Konkurrenz machen kann. Und die große Frage lautet: Lohnt sich ein E-Motor dieser Klasse beim derzeitigen Entwicklungsstand moderner Allround-Bikes namens Enduro?
EGO Kit: die Idee dahinter
Wie genau kamen die Jungs von EGO auf die Idee, ihren eigenen Antrieb zu entwickeln? Mario von EGO erklärt uns, dass die Entwicklung des EGO Kits der österreichischen Heimat der EGO Crew geschuldet sei. Um die Gipfel der Salzburger Berger zu erklimmen, muss man entweder den Lift nehmen, Shutteln oder gar selbst hinauf treten. Letzteres macht mit dem DH-Bike bekanntlich alles andere als Spaß. Und wenn man abends nach dem Feierabend noch eine Runde Radfahren will, so sei es einfach zu anstrengend, sich zwei Stunden den Berg hinauf zu quälen.
Daher haben sich die Jungs hinter EGO dazu entschlossen, ihren eigenen nachrüstbaren Elektromotor zu entwickeln. Mit ihrem Background in der Automobil- und Radsport-Industrie sei es nun ihr Ziel zu zeigen, dass E-Bikes nicht nur für ältere Semester sowie Pendler interessant sind, sondern auch eine echte Alternative zum Shutteln, Liften oder Schieben darstellen. Bergab würden sie darüber hinaus, bis auf das höhere Gewicht, keinen Nachteil mit sich bringen.
Kurz und bündig
- EGO Kit Version: EGO-Kit 3400WRP
- Power: 3400W
- Reichweite: 70Km
- Gewicht: ca. 11Kg
- Energiequelle: Lithium Mangan Akku mit 20Ah
- Preis: ca. 4000€
- EGO Kit Version: EGO-Kit 2400 17Ah
- Power: 2400W
- Reichweite: 50-55Km
- Gewicht: ca. 10Kg
- Energiequelle: Lithium Mangan Akku mit 17Ah
- Preis: ca. 3400€
- EGO Kit Version: EGO-Kit 2400 13Ah
- Power: 2400W
- Reichweite: 40-45Km
- Gewicht: ca. 9,7Kg
- Energiequelle: Lithium Mangan Akku mit 13Ah
- Preis: ca. 3100€
Der Antrieb
Das Herzstück eines jeden Antriebs ist natürlich der Motor, der Motor des Testbikes verfügte über 2400 Watt und wird durch ein Planetengetriebe untersetzt. Eine zweite Untersetzungsstufe bilden das Ritzel am Motor, welches über einen Freilauf verfügt, und das Kettenblatt an der Kurbel. Verbunden sind beide über eine Halflink-Kette, die über ein gefedertes Röllchen auf Spannung gehalten wird. Verbaut ist eine Echo Trial-Kurbel, da diese auch über einen Freilauf verfügt. Damit wird sichergestellt, dass man Gas geben kann, ohne dass sich die Kurbeln mitdrehen. Gleichzeitig kann man ohne Motorwiderstand pedalieren, da der zweite Freilauf diesen entkoppelt.
Der EGO Motor kann derzeit als nachrüstbares Set mit 2400 oder 3400 Watt erworben werden. Wer außerdem auf der Suche nach einem neuen Bike ist, kann sich entweder ein fertiges Kona Precept oder Kona Wo mit bereits montiertem Ego-Kit kaufen. Außerdem kann man sich sein Ego-Kit in ausgewählten Bike-Shops farblich ans Bike anpassen lassen.
Erster Eindruck
Bevor wir uns auf das giftgrüne Kona Entourage setzen, stellt uns Mario erst einmal den leichtesten Gang rein. Jetzt nur noch den Rucksack mit dem darin enthaltenen Akku anziehen, denselben anschließen und ab aufs Bike. „Vorsicht mit dem Gashahn“ ruft Mario hinterher. Einmal kräftig daran gezogen und man merkt, dass er nicht zu viel versprochen hat. Da der Gasgriff eine leichte Verzögerung aufweist, neigt man schnell dazu, etwas zu viel Gas zu geben, was ein schnell steigendes Vorderrad zur Folge hat. Durch beherztes Ziehen der Hinterradbremse ist das Vorderrad zwar schnell wieder am Boden, doch ein ungeübterer Fahrer hätte jetzt schon die ersten Probleme.
Nach ein paar Versuchen klappt das Anfahren schon recht gut. Durch dosiertes Ziehen der Bremse oder einen schwereren Gang ist das steigende Vorderrad schnell unter Kontrolle zu bekommen. Nun heißt es nur noch Gas geben und mit 50 Sachen und einem breiten Grinsen über den Parkplatz brettern. Aus Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer drehen wir den Gashahn nicht bis zum Anschlag auf. Aber 50 Sachen reichen auch schon, um an der kleinsten Unebenheit abzuheben. Was für ein Spaß!
Auf dem Trail
Nach dem kurzen Fahreindruck auf dem Parkplatz sind wir gespannt, wie sich das EGO-Bike auf lokalen Trails fährt. Doch um diese fahren zu können, heißt es erstmal Gas geben: Die sonst so öden Schotterstaßen und Waldwege werden dank Motor zu einer angenehmen Abwechslung. Jede Kurve lädt zum Driften und jede Gerade zum Wheeliefahren ein. Ja, wir wissen: eigentlich sollte uns das keinen Spaß machen – tut es aber trotzdem. Die Versuche, steilere und technischere Passagen zu erklimmen, scheitern anfangs gänzlich. Schuld daran ist die fehlende Übung mit der Verzögerung des Gashahns in Verbindung mit dem brachialen Drehmoment. Mit einem schwereren Gang fällt es uns dagegen deutlich einfacher, das Bike auch auf technischen Abschnitten unter Kontrolle und in Bewegung zu halten. Denn kommt man erstmal aus dem Gleichgewicht ist es ziemlich schwierig, seinen Fahrfluss wieder zu finden.
Auf den Trails außerhalb des Bikeparks, nahe dem Lost Lake, lassen wir das Gas stehen. Die ebenen und flowigen Singletrails machen dank höherer Geschwindigkeit deutlich mehr Spaß und kleinere Anstiege schmälern den Fahrspaß nicht im Geringsten. Die zusätzlichen 10 Kilo, verteilt auf Rucksack und Fahrrad, fallen dabei nicht negativ auf. Im Gegenteil, das Bike liegt sehr satt auf dem Trail, fast fehlt uns ein wenig das Feedback vom Untergrund. Allerdings ist mit dem Motor auch Vorsicht geboten: Der Gasgriff ist zwar eine schöne Sache; man neigt jedoch schnell dazu, sich weit aus seiner Komfortzone zu begeben. Auf den Trails sollte man sich daher lieber zweimal überlegen, ob man Gas gibt oder doch lieber mit etwas Muskelarbeit arbeitet. Um dem doch sehr starken Drehmoment des Motors entgegenzuwirken, verlagern wir unser Gewicht komplett anders, was regelmäßig zu Grip-Verlust und einer falschen Linienwahl führt. Außerdem haben wir oft Probleme, das satte Fahrwerk inklusive Mehrgewicht um enge Kurven zu wuchten.
Fazit zum Ego Kit
Obwohl wir E-Bikes immer ein wenig skeptisch gegenüber stehen, müssen wir zugeben, dass sich die Jungs von EGO eine Menge Gedanken über ihren Antrieb gemacht haben. Bergauf macht das Bike dank Motor eine ganze Menge Spaß und auch technische Passagen sind mit genug Übung kein Problem. Bergab wirken sich die 10Kg (5,5kg am Bike, 4,6kg im Rucksack) nicht so stark wie anfangs vermutet auf das Fahrverhalten des Bikes aus.
Allerdings wiesen die Testbikes ein paar technische Mängel auf, die laut Mario allerdings in Serie nicht mehr vorkommen werden. Beispielsweise war die Steckverbindung zwischen Akku und Motor zu klein ausgelegt, wir würden uns außerdem über einen Unterrohrschutz für den Motor und einen besser geregelten Gasgriff freuen.
Wenn wir ganz ehrlich sind, macht das EGO-Kit auf jeden Fall eine Menge Spaß. Wer in wirklich alpinem Gelände wohnt, für eine Feierabendrunde keine zwei Stunden bergauf radeln, schieben oder tragen will und bergab das Mehrgewicht und die damit verbundene Trägheit verkraften kann, für den ist das EGO-Kit vielleicht genau das Richtige. Wer allerdings in eher flacherem Gelände wohnt und keine langen Anstiege zu bezwingen hat, sollte sich überlegen, ob er sich für den Preis von 3000€ und mehr nicht doch ein Enduro- oder Trail-Bike kauft – Fitness und mehr Abfahrtsspaß inklusive.
Das sollte noch gesagt sein…
Ein derartig stark motorisiertes Bike, wie es uns zum Test zur Verfügung gestellt wurde, ist in Deutschland ohne Zulassung und Kennzeichen nicht erlaubt und würde den ohnehin schon vorherrschenden Konflikt zwischen Bikern und Wanderern wohl kaum verbessern. Eins ist klar: die Geschwindigkeiten, die mit diesem Gerät möglich sind, ähneln denen eines Motorrades und haben daher nicht nur moralisch, sondern auch laut Gesetz nichts im Wald zu suchen. Wer sich mit dem EGO Kit also legal im Gelände bewegen möchte, muss sich wohl mit der nächstgelegenen Motocross-Strecke anfreunden.
Ein Unterstützungsmotor darf, zumindest in Deutschland, maximal 250 Watt haben und davon sind wir auch mit dem kleinen Motor schon mehr als weit entfernt. Allerdings geben die Jungs von EGO an, auf Kundenwunsch ein komplett straßenkonformes EGO anzubieten.
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