YT steigt mit Aaron Gwin und Ángel Suárez in den World Cup ein – Grund genug für uns, ein ausführliches Interview mit YT-Gründer und Geschäftsführer Markus Flossmann über die Hintergründe des Teams zu führen.

MTB-News.de: Hallo Markus! Nachdem ihr die guten Neuigkeiten endlich veröffentlicht habt – haben sich viele Leute bei euch gemeldet?

Markus Flossmann: Ja, wir haben schon eine Wahnsinns-Resonanz bekommen per Facebook und auch per E-Mail. Auch durchweg positiv, da war ich echt überrascht. Vor allem haben mich auch Leute angeschrieben, die gar keine Mountainbiker sind, wie beispielsweise unser Markenanwalt, die das trotzdem mitbekommen haben.

Auch von uns an dieser Stelle nochmal herzlichen Glückwunsch. Wie konntet ihr Gwin davon überzeugen, zu YT zu kommen? Das Tues war ja bisher nicht im World Cup vertreten. Erik Irmisch, der ja schon länger auf dem Tues unterwegs ist, wird er vermutlich auch eher nicht kennen.

(lacht) Nein, nicht wirklich. Aber wir waren trotzdem keine unbekannte Marke für ihn. Er sieht natürlich, was im Freeride-Bereich abgeht und ist ein Freund von unserem Teamfahrer Cam Zink. Unsere Marke kannte er also schon und unsere Produkte ebenfalls ein bisschen. Ich vereinbarte einen Termin mit ihm und wir trafen uns dann relativ kurzfristig. Dabei haben wir gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind und wir konnten uns beide vorstellen, gemeinsam ein Team aufzubauen. Ihm war bei der ganzen Sache sehr wichtig, dass er Entscheidungskraft hat und selbst bestimmen kann, welche Komponenten er am Rad fährt. Aaron möchte mitreden können und auch an der Entwicklung teilhaben. Aber wirklich ausschlaggebend war schließlich, dass das Rad out-of-the-box richtig funktioniert und es ihm taugt.

Wie lief das genau? Hattest du bei dem Treffen ein Fahrrad dabei und er hat es direkt getestet – oder wie können wir uns das vorstellen?

Nein, das das Bike kam erst später ins Spiel. Zur Story: Steve Jones (vom DIRT Magazine, Anm. d. Red.) hat mich im Interview Anfang letzten Jahres mal gefragt, ob das Tues einen Downhill World Cup gewinnen könnte. Ich habe dann gesagt: Ja klar, warum nicht? Wir hatten tatsächlich im Hinterkopf, dass wir 2017 in den World Cup einsteigen wollten. Aber Steves Frage hat mich irgendwie nicht mehr losgelassen und dann hab’ ich gesagt: Challenge accepted, wir werden versuchen, das Ganze schon auf 2016 vorzuziehen. Aber wenn du ein Bike hast, das vielleicht einen World Cup gewinnen kann, brauchst du natürlich auch den passenden Fahrer dazu – da war Aaron Gwin, glaube ich, nicht die schlechteste Wahl.
In Andorra bei der WM trafen wir uns das erste Mal und sprachen über die Möglichkeiten. Wir waren beide begeistert und hatten ein gutes Gefühl. Wir schickten ihm dann ein Bike zu, beziehungsweise einen Rahmen, den er mit seinen Komponenten aufgebaut hat. Eine Woche später gab er die Rückmeldung und sagte: „Hey Jungs, das ist genau das Bike, das ich mir immer gewünscht habe.“

Mit YT-Boss Markus Flossmann in der Muckibude - Aaron Gwin
# Mit YT-Boss Markus Flossmann in der Muckibude - Aaron Gwin

Wie war das mit Teammanager Martin Whiteley? Ihr kamt also nicht über ihn zu Aaron, sondern habt erst mit Aaron verhandelt?

Nein, Martin kam erst später ins Spiel. Wir wussten damals noch gar nicht, dass sein Team, Trek World Racing, nicht mehr weiter laufen würde. Als klar wurde, dass wir ein Team aufbauen werden, brauchten wir natürlich noch einen Teammanager, der sich um das Ganze kümmert. Denn wir hatten weder die Erfahrung noch die Möglichkeit, den immensen Zeitaufwand mit eigenen Leuten zu stemmen. Da kam es uns sehr entgegen, dass Aaron das Team unter Martins Management aufbauen wollte. Ich dachte eigentlich, dass die zwei nicht mehr so ganz die dicksten Freunde wären – aber sie hatten sich wohl einige Wochen vorher ausgesprochen und wollten wieder etwas zusammen starten.

Das wäre jetzt tatsächlich eine Frage gewesen. Das war ja dann doch etwas unschön, als sie damals auseinandergegangen sind. Die beiden sind dann quasi über Aarons Job bei euch wieder zusammengekommen?

Sie waren vorher schon in Kontakt, weil Aaron auch vorhatte, ein eigenes Team zu machen, in dem er sich ein bisschen mehr einbringen kann. Ihm war wichtig, dass er bei der Entwicklung des Rahmens mitwirken darf. Da rennt er bei uns offene Türen ein, denn wir involvieren alle unsere Teamfahrer in die Entwicklung und lassen ihr Feedback in die Entwicklung einfließen. Das fand er natürlich gut und es ist auch in unserem Interesse, dass Änderungsvorschläge, die er macht, schnell umgesetzt werden. Wir sind da deutlich flexibler als manch Großer der Branche.
Vielleicht war das auch der Grund, warum er bei seinem vorherigen Sponsor im ersten Jahr Probleme hatte. Die Basis war nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Es wurde ihm aber versichert, dass man daran arbeiten würde, das Ganze in die richtige Richtung zu bringen. Das hat aber scheinbar etwas länger gedauert, als beide Seiten gedacht hätten. Deswegen war es auch wichtig, dass bei uns die Basis passt. Er wollte ein Rad haben, von dem er weiß: Damit kann ich ein Rennen gewinnen. Und genau das hat er jetzt.

Hat er jetzt schon viele Änderungsvorschläge? Muss Stefan (Anmerkung der Redaktion: Stefan Willared, Chefentwickler bei YT) ihm jetzt quasi ein neues Fahrrad bauen und viel verändern oder wie war das Feedback bisher?

Bisher hat er keine Änderungswünsche an dem aktuellen Rahmen. Die Geometriedaten von unserem Rahmen, wie er sie bei uns auf der Webseite gesehen hat, sind genau die, die er sich immer gewünscht hat. Er hat zu mir gesagt: „It was already a Gwin bike before I even got it.“ Also habe ich ihm den Rahmen rübergeschickt und er wollte nichts verändert haben – auch von der Kinematikseite her nicht. Dämpfer und Gabel hat er in mehreren Testcamps mit FOX perfekt abgestimmt und aktuell ist er sehr zufrieden. Wir wollen natürlich trotzdem das Tues weiterentwickeln und auch mit seinem Input aufs nächste Level bringen.

Aaron Gwin in der Entwicklungsabteilung - Stefan Willared (rechts) ist für die Bike-Entwicklung verantwortlich
# Aaron Gwin in der Entwicklungsabteilung - Stefan Willared (rechts) ist für die Bike-Entwicklung verantwortlich

Was heißt das für euch als Marke, jetzt einen der berühmtesten und besten Fahrer unter Vertrag zu haben?

Es ist uns natürlich wichtig, die Marke Aaron Gwin und ihre Reichweite zu nutzen, um unser Image auch außerhalb von Deutschland zu kommunizieren. Und selbstverständlich wollen wir unsere Marke auch in Übersee stärken und dort unsere Fahrräder verkaufen. Am meisten profitieren wir aber im Bereich Entwicklung. Das Feedback, das er uns geben kann, auf dem Level, auf dem er fährt, ist schon immens.

Warum wurde das jetzt erst Ende Februar bekannt gegeben? War Aaron noch vertraglich gebunden?

Nein, wir waren uns schon relativ früh einig. Die wichtigsten Punkte hatten wir schon Anfang Dezember durch. Es war ja wirklich so, dass ein komplettes Team aus dem Boden gestampft werden musste. Aber da gab es noch einiges mehr auf der To-Do-Liste: wir brauchten einen zweiten Fahrer fürs Team, das Team-Setup musste vorgenommen werden, Verträge mit den anderen Sponsoren mussten wir unter Dach und Fach kriegen Trikots mussten gedruckt und Fotoshootings gemacht werden, Videodreh und so weiter.
Das Ganze sollte komplett rund und safe sein, sodass wir mit einer vernünftigen Pressemitteilung rausgehen und das Team entsprechend präsentieren können. Wir wollten nicht mit der Meldung um die Ecke kommen: „Hallo, wir machen jetzt auch ein World Cup-Team, Aaron Gwin ist dabei und mal gucken, wer noch dazu stößt.“ Das ist nicht unser Stil. Wir hätten es gerne früher verkündet, aber es hat einfach so lange gedauert und ich wage zu behaupten, dass wir gar nicht mal so langsam waren, dafür, dass wir in dreieinhalb Monaten ein World Cup Team aus dem Boden gestampft haben..

Das stimmt wohl. Andere Sache: Gwin macht ja eher einen zurückhaltenden Eindruck – ihr steht aktuell mehr für Party und wilde Tätowierungen. Du hast vorhin gesagt, dass ihr euch gleich gut verstanden habt. Wird er auch so gut in das Team reinpassen oder muss er sich erst tätowieren lassen?

Du weißt ja wie das ist, jede Familie hat ein schwarzes Schaf und so ist es mit ihm halt auch (lacht). War natürlich ein Witz. Aaron ist, und ich glaube das wird häufig verkannt, ein ganz, ganz lockerer und sympathischer Dude. Wenn es um’s Rennen geht, ist er extrem fokussiert, aber sobald er auf dem Rad sitzt, macht er sich dabei eben auch locker. Ich glaube das ist auch der Grund, warum er so gut fährt. Aaron ist ein supernetter Kerl, auch wenn er eben eher der ruhige und zurückhaltende Typ ist. Trotzdem passt er super in unser Team. Ich habe ja hier auch Mitarbeiter in der Firma, die nicht tätowiert und durchgeknallt sind. Das sind ganz seriöse Mitarbeiter, die auch mal im Hemd zur Arbeit kommen. Aber sie stehen trotzdem 100% hinter YT und machen damit auch unsere Marke aus. Also: Aaron passt hier perfekt rein!

Wird man Aaron auch auf Events in Deutschland sehen? Vielleicht mit euch im Huhnkostüm Eierlikör trinkend in Winterberg?

Das glaube ich nicht. Das passt nicht zu ihm und das würden wir ihm auch nicht aufzwingen. Ich denke schon, dass er zu ein bis zwei Events nach Deutschland kommen wird. Er wird aber keine Rennen oder sonstiges mitfahren, weil sein World Cup Kalender ziemlich voll ist. Gerade die Regeneration und Vorbereitungsphasen auf das nächste Rennen sind ihm wichtiger als noch weitere Rennen zu fahren. Das ist auch in unserem Interesse, aber wir versuchen ihn auf jeden Fall für ein bis zwei Events nach Deutschland zu bekommen.

Chef Markus Flossmann, Aaron Gwin und Entwickler Stefan Willared
# Chef Markus Flossmann, Aaron Gwin und Entwickler Stefan Willared

Im ersten Jahr seid ihr ja ein Team mit zwei Fahrern. Martin als Teammanager und wahrscheinlich noch zwei Mechaniker?

Richtig, Aarons Mechaniker John ist im Boot und Martin bringt mit Ben Arnott seinen Chefmechaniker aus TWR-Zeiten mit. Als Road Manager, Trainer und Assistent wird John Schlitz mit dabei sein, der ebenfalls schon bei TWR und beim Team G-Cross Honda auf eine gemeinsame Vergangenheit mit Martin zurückblicken kann. Als Fotograf und Social Media Manager wird sie dabei Isac Paddock begleiten und dafür sorgen, dass wir auch Media-Output generieren können.

Habt ihr vor, die Anzahl an Fahrern noch auszuweiten oder konzentriert ihr euch auf Aaron und habt einfach nur einen zweiten Fahrer dazu gebraucht?
Uns war wichtig, nicht mit einer One-Man-Show zu starten und nur Aaron zu haben, auf dessen Schultern der ganze Druck lastet. Wir wollten unserer Philosophie treu bleiben und wirklich ein Young Talent einsetzen. Jemanden, der auch von der Erfahrung von Aaron profitieren kann und die Möglichkeit hat, in Zukunft vorne mitzufahren. Wir möchten einen jungen Fahrer supporten und auch Aaron hatte Bock drauf. Das ist genau sein Ding. Deswegen starten wir jetzt erstmal mit zwei Fahrern und warten ab, wie die Saison sich entwickelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass vielleicht nächstes Jahr noch eine Person mit dazukommt. Aber das ist alles offen.

Und wie seid ihr auf Ángel gekommen? Kam das über Martin?
Ja, das kam über Martin. Er hat ein Händchen dafür, junge Talente rauszupicken und Angel wurde schon vorher von ihm gemanagt.– Letztes Jahr war er in Lenzerheide auf Platz 16, was zeigt, dass der Junge wirklich Talent hat. Er war spanischer Meister bei den Junioren im Motocross. Er passt perfekt ins Team und versteht sich gut mit Aaron. Die zwei waren durch ihre Motocross-Vergangenheit sofort auf einer Wellenlänge. Man hat gemerkt, das wird funktionieren. Somit haben wir auch einen Europäer im Team, ich denke das passt ganz gut.

Das Engagement wird nicht ganz billig sein, denke ich – am Ende muss sich ja alles rechnen. Bedeutet das, dass ihr eure anderen Aktivitäten zurückfahrt? Habt ihr euer Engagement mit anderen Sportlern beendet oder reduziert?

Nein, nein. Überhaupt nicht, das werden wir auch nicht machen. Gerade Freeride ist ja bei uns ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Marke und unserer Philosophie. Genauso wie Dirt, wo ja unsere Wurzeln liegen. Da werden wir nichts zurückfahren, wir machen da ganz normal weiter und werden weiterhin nach dem Motto „Good Times“ leben. Das sind einfach wir und für uns ist jetzt eher die Aufgabe, dieses Lebensgefühl, eine gute Zeit zu haben, auch in den Downhill World Cup zu bringen. Dahingehend haben wir keine Interessen, jetzt irgendwo was weniger zu machen.

Spaß beim Firmenbesuch in Forchheim
# Spaß beim Firmenbesuch in Forchheim

Ihr hört jetzt wahrscheinlich häufig die Frage, ob die Bikes jetzt teurer werden. Kannst du dazu etwas sagen?

Die Fahrräder werden nicht teurer, das kann ich ganz klar sagen. Aaron passt in unser Marketingbudget und wir müssen uns nicht unter Druck setzen, mehr Bikes zu verkaufen oder die Preise anheben zu müssen. Wenn die Preise variieren, dann liegen die Gründe in der Ausstattung oder natürlich den Wechselkursschwankungen, ansonsten bleibt alles gleich bei uns.

Es gibt ja auch eine Downhill-Serie in Südkalifornien. Wird Aaron da schon mit seinem Tues an den Start gehen?

Ja, wird er. Zwei Rennen der Fontana Series stehen noch aus. Eigentlich wollte er das letzte schon mitfahren, aber wir mussten das Press Release auf Grund der tragischen Neuigkeiten aus Neuseeland verschieben.
Das hat uns echt einen riesigen Schlag versetzt und da haben wir gesagt, das können wir nicht machen, wir verschieben nochmal. Es hat ein paar Tage gedauert, um das zu verdauen.

Ja, das ging uns ähnlich. Wirklich ein großartiger Charakter, den die Mountainbike-Szene verloren hat. Vielen Dank für deine Zeit und wir drücken euch ganz fest die Daumen, dass das eine geile Saison wird.

Dankeschön!


Weitere Informationen

Text & Redaktion: Thomas Paatz, Sebastian Beilmann | MTB-News.de 2016
Bilder: Christoph Laue, Ewald Sadie, Ale di Lullo

  1. benutzerbild

    BrotherMo

    dabei seit 07/2010

    Nevegal 1996
    Klausmann
    Hot Chilli

    smilie

  2. benutzerbild

    Tabletop84

    dabei seit 05/2008

    Hot Chilli? Krass die hat ich ganz vergessen. Naja cool wäre es wenn sie einen deutschen Nachwuchsfahrer ins Team geholt hätten aber die Strategie ist ja bei Bulls auch nicht wirklich aufgegangen. Die deutschen Fahrer kamen ja selten in die Nähe von Wyn...

  3. benutzerbild

    bimmer1980

    dabei seit 11/2015

    Gwin hat bereits sein erstes lokales Rennen gewonnen, aber wohl nichts wildes...

    http://www.mbr.co.uk/videos/news/watch-aaron-gwin-win-his-first-race-for-yt-industries

  4. benutzerbild

    FloImSchnee

    dabei seit 08/2004

    ob das Tues einen Downhill World Cup gewinnen könnte
    Womit das nun auch geklärt wäre. smilie

    (ging ja schnell!)
  5. benutzerbild

    cycophilipp

    dabei seit 08/2003

    ich würd es YT und Gwin gönnen!!!

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