Verspielt, handlich und spaßorientiert – mit diesen Adjektiven lässt sich die Klasse unseres heutigen Test-Bikes wohl am besten beschreiben: das 4Cross-Fully Nicolai ION 14. Das ION 14 soll sich laut Hersteller nicht nur bestens für ruppige 4Cross-Rennen eignen, sondern ebenso ein spaßorientiertes Bikepark-Spielzeug sein. Wir haben den agilen Flitzer in einem Kurztest auf die Probe gestellt. 

Wenn in Deutschland die Begriffe Maschinenbau und Mountainbike in Verbindung gebracht werden, dürfte wohl jedem Mountainbiker hier zulande umgehend der Name Nicolai vor dem geistigen Auge aufblitzen. Seit Gründung der Firma hat sich Nicolai beim Bau von Fahrrädern der Philosophie des Maschinenbaus verschrieben. Auf Hydroforming oder gar Carbon wird ganz bewusst verzichtet. Lange Zeit waren es vor allem die „monströsen“ DH-Boliden, mit denen man die Marke in Verbindung brachte.

Der Trend zu „filigraner, leichter, schneller“ sorgte auch im Hause Nicolai für neue Ideen. Aus dieser Evolution ging auch die Weiterentwicklung des kultigen UFO DS [nach wie vor im Nicolai-Programm] hervor: Das 4Cross Race-Bike ION 14 – ein Zwitter aus Bike Park-Spaßgerät und 4Cross-Race-Fully, das maßgeblich nach den Wünschen der 4Cross-Spezialisten David Graf und Quentin Derbier konstruiert wurde.


# Nicolai ION 14

Der erste Eindruck

Schon beim ersten Blick auf das Nicolai stechen die vielen Frästeile sowie der Verzicht auf geschwungene Rohre ins Auge. Nicht nur die durch das Eloxal hervorgehobene Edeloptik kann mich begeistern, auch die nahezu perfekt gezogenen Schweißnähte lassen das Herz eines ehemaligen Metallers höher schlagen. Mit Sicherheit sind Gussets in Zeiten von Hydroforming und Carbon nicht mehr jedermanns Sache, doch kann mich der Mix aus schön gefertigten CNC-Teilen in Kombination mit perfekten Rohrübergängen durchaus begeistern. Die verhältnismäßig dünnen Rohre verleihen dem ION 14 eine ebenso schlichte wie elegante Optik und lassen das kleine Fully aus der Masse hervorstechen.

Nach der ersten optischen Musterung folgt das Anfassen. Schon beim Anheben überrascht das ION mit etwas Übergewicht und das trotz vieler leichter Anbauteile. Auch die Größe sorgt für eine Überraschung: gefühlt tippe ich auf Rahmengröße „Medium“, fällt der Reach doch relativ kurz aus. Die Messung verrät etwas anders – es handelt sich um einen „Large“-Rahmen. Kaum zu glauben, ist doch der Reach-Wert von 402mm selbst für ein 4Cross-Bike in Größe „L“ verhältnismäßig kurz. Auch wenn auf der Nicolai-Website nur der Rahmen angeboten wird, so mustere ich auch die Ausstattung unsere Test-Bikes. Alles in allem gibt es keinen Grund zur Klage, lediglich die in die Jahre gekommenen Descendant-Kurbeln passen meiner Meinung nach nicht ganz zum Konzept des leichtfüßigen Spaßgeräts.

Neben dem kurzen Hauptrahmen macht sich auch die hohe Lenkzentrale sofort bemerkbar. Die außen liegenden Steuersatzschalen und das verhältnismäßig lange Steuerrohr lassen das Cockpit recht weit in die Höhe wachsen. Eine Gegebenheit, an die es sich beim Fahren jedoch recht schnell gewöhnen lässt.

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# Typisch NicolaiSchöne CNC-Bauteile am gesamten Rahmen. 

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# An Steifigkeit mangelt es dem ION 14 nicht.

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# Langes Steuerrohr + außenliegenden Steuersatz = hohe Front

Der erste Ritt 

Beim kräftigen Antritt hat man das Gefühl, als käme die eingespeiste Energie am Hinterrad bestens zum Angriff. Dem Hinterbau als solches ist das jedoch nur bedingt zu verdanken, vielmehr ist es der straff ausgelegte Tune des Dämpfers, welcher jedoch gleichermaßen einem sensiblen Ansprechverhalten im Wege steht. Schnell merkt man dem ION 14 an, dass man sich beim Dämpfer-Setup zwischen zweierlei Charakteristiken entscheiden muss: entweder einem nahezu antriebneutralen Dämpfer-Tune welches ein weniger gutes Ansprechverhalten billigend in Kauf nimmt oder eben einem Tune, der ein gutes Ansprechverhalten sowie eine geländeorientierte Feder-Performance an den Tag legt, dafür aber mit Antriebseinflüssen zu kämpfen hat. Bei vielen FSR-Hinterbauten ist das, ohne clevere Plattform-Systeme, die Qual der Wahl – da stellt auch das Nicolai keine Ausnahme dar.

Wie schon erwähnt scheint das Test-Bike auf Vortrieb ausgelegt zu sein, so wie es sich wohl der 4Cross-Racer wünschen dürfte. Den Sprint beherrscht es gut, wenngleich ich bei einer Körpergröße von 1,80 Meter mit der kurzen Front meine liebe Mühe habe. Immer wieder geraten meine Knie im Sprint in Konflikt mit den Apparaturen des Cockpits. Viel zu oft bleibe ich mit meiner Shorts oder dem Knie am Schalthebel hängen, was im Eifer des Gefechts auch schnell einmal unschön enden kann. Allen, die nicht auf ein ultimativ weniges Bike angewiesen sind, sei bei einer Körpergröße ab 1,80 Meter auf jeden Fall zum „X-Large“-Rahmen geraten – dieser unterscheidet sich vom „Large“ im Wesentlichen in puncto Reach, Oberrohrlänge und Radstand. Das 40 mm längere Sitzrohr fällt mit einer Länge von 400 mm bei einem Fahrer dieser Größe wohl kaum ins Gewicht.


# Single Trail-Ausritt mit dem ION 14

Im Gelände 

Auf der 4Cross-Strecke kann das Bike, wie auch in der Ebene, durch massig Vortrieb punkten. Den wohl wichtigsten Aspekt des 4Cross-Rennsports meistert es damit tadellos. Weniger gut präsentiert sich das ION 14 jedoch auf ruppigen Passagen wie beispielsweise einem Steinfeld. Das kurze Bike mit dem straffen Hinterbau kommt schnell aus der Ruhe und vermittelt dem Fahrer Unsicherheit. Vor allem die Front schaukelt sich schnell auf. Aufgrund der hohen Front lastet wenig Druck auf dem Vorderrad, was bei groben Schlägen dafür sorgt, dass sich das Vorderrad schnell aus der Bahn werfen lässt. Auch bei Sprüngen werde ich mit dem ION 14 einfach nicht so richtig warm. Auch wenn sich das agile Bike wild durch die Luft wirbeln lässt und quasi zu „Tricksereien“ einlädt, so vermittelt es dennoch einen unangenehm unruhigen Eindruck in der Luft.


# Solche Style-Einlagen lassen sich mit dem agilen ION immer und überall wunderbar ausführen.

Ernüchterung macht sich auch auf der Dirt Jump-Line breit. Nachdem ich das Bike einige Runden über den Dirt-Spot gejagt habe, übergebe ich das ION 14 in die Hände zweier Dirt Jump-Fachmänner. Schon nach den ersten Fahrten müssen sie die ersten Defizite bemängeln: Bei jedem Absprung sackt der Hinterbau weg und gibt bei Weitem zu viel Federweg frei, was die beiden Dirt Jumper sichtlich viel Absprungenergie kostet. Nur mit Hängen und Würgen schaffen es die Beiden, das ION 14 der Reihe nach über die technische Line zu manövrieren. Schon nach den ersten beiden Versuchen wird die dreistufige Low-Speed-Druckstufe des Monarch Plus-Dämpfer in die dritte und damit nahezu geschlossene Position gebracht. Doch leider ist auch das nicht die Lösung der Probleme und so verlieren die beiden Testfahrer schnell den Spaß am ION 14.

Im Gelände zeigt das ION 14 seine zwei Gesichter. Zum einen lässt sich das Spaßgerät agil und verspielt durch jeden Anlieger zirkeln, zum anderen reicht der Hinterbau jedoch viele Schläge geradewegs an den Fahrer weiter. Besonders das Ansprechverhalten lässt zu wünschen übrig. Zwar arbeitet das Fahrwerk im mittleren Federwegsbereich recht gut, liegt trotz linearem Hinterbau aber nicht wirklich satt auf dem Trail. Den größten Spaß beschert mir das ION auf dem Flow Country Trail in Bischofsmais. Keine großen Kompressionen, keine harten Schläge, nur Anlieger und Wellen, in denen es Schwung mitzunehmen gilt, und das beherrscht das ION bestens.


# Trail-Surfen in den Alpen

Wo haben wir das ION 14 getestet?

  • Hometrails – natürlich trail-lastig sowie gebaut mit Sprüngen und Anliegern
  • Dirt Jump-Spots in Schwaben und Oberbayern
  • Bike Park Geißkopf/Bischofsmais
  • alpine Trails in den bayrischen Alpen

Zusatz – Bike Park Geißkopf

Anfang des Jahres testete ich bereits ein Bike mit ähnlichem Konzept im Bike Park Geißkopf. Damals hatte ich das Morpheus Skyla unter dem Hintern, welches nicht nur in seinen angestammten Einsatzbereichen Dirt Jump, Slopestyle und 4X eine ausgesprochen gute Figur machte, sondern auch im Gelände ein überraschend gutes Handling an den Tag legte. Im Vergleich zum Skyla muss sich das ION 14 vor allem im Gelände hinten anstellen. Trotz mehr Federweg und eines flacheren Lenkwinkels lag das kurze ION 14 nicht so satt auf dem Trail wie das quirlige Slopestyle-Bike aus dem Hause Morpheus. Wenngleich das Nicolai auf dem Flowcountry-Trail eine Menge Spaß bereitete und zeigte, wo seine Stärken liegen, so hatte ich auch hier den Eindruck, als wäre ich mit dem Morpheus schneller und vor allem effektiver unterwegs gewesen.


# Mit dem ION 14 über den Flow-Country-Trail in B-Mais – by Lars Scharl

Fazit

Nicolais ION 14 dürfte die Herzen eines jeden Maschinenbaubegeisterten höher schlagen lassen. Die Verarbeitung des Rahmens ist von hervorragender Qualität und auch die Liebe zum Detail macht das in Deutschland produzierte Bike sehr sympathisch. Bei den Fahreigenschaften polarisiert das ION 14 jedoch stark. Während der 4Cross-Fahrer den steifen, stabilen und vortriebsstarken Rahmen wohl sehr zu schätzen wissen dürfte, so dürfte der Fahrspaß aufgrund der mäßigen Hinterbauleistung deutlich gehemmt werden. Auch beim Springen konnte das ION 14 aufgrund seines durchsackenden Hinterbaus nicht wirklich punkten.

Letztendlich ist das ION 14 ein sehr spezielles Bike, das in einer nahezu winzigen Nische des Radsports auf den Plan tritt. In solch speziellen Bereichen sind die persönlichen Vorlieben eines jeden Fahrers meist grundverschieden und somit ist es schwer, ein Profi-4Cross-Bike mit einem allgemeingültigen Urteil abzustempeln. Da Nicolai das ION 14 jedoch auch für den Bikepark-/Fun-Einsatz ausschreibt, ist ein Urteil hier deutlich einfacher zu fällen. Das Bike hat viel Potenzial – würde man den Dämpfer mit einem anderen Tune und einer kleinen Luftkammer versehen, hätte das Bike tatsächlich beste Ambitionen in der spaßorientierten Park-Bike-Liga ganz vorne mitzumischen. Bei unserem Test-Bike war das jedoch nicht der Fall und so waren die Tester der einstimmigen Meinung, mit dem ION 14 zu viele Kompromisse eingehen zu müssen.

Pro:

  • agil
  • stabil & steif
  • hochwertige Verarbeitung
  • guter Vortrieb
  • eigenständige Optik
  • produziert in Deutschland

Contra:

  • fällt sehr kurz aus
  • recht schwer
  • Hinterbau zu linear – rauscht durch den Federweg
  • bei höheren Geschwindigkeiten schnell nervös

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Produktinformationen

Features:

  • Viergelenk-Hinterbau [Horst Link]
  • tapered Steuerrohr
  • Eloxal in verschiedenen Farben erhältlich
  • variabler Federweg [117 & 127 mm]
  • 5 Jahre Garantie
Testbike:
  • Rahmen: Nicolai ION 14 – 2012 – Gr. „Large“
  • Dämpfer: Rock Shox Monarch Plus RC3
  • Gabel: SR Suntour Epicon X1 LO-RC 130mm
  • Laufräder: Fullcrum Red Metal 3
  • Bremsen: Avid Elixir 9
  • Antrieb / Schaltung: SRAM X.9
  • Kurbeln: Truvativ Descendant
  • Kettenführung: Truvativ X.0
  • Lenkzentrale: Truvativ AKA & Truvativ Holzfeller
  • Sattelstütze: Truvativ Stylo
  • Reifen: Onza Ibex FR 2.25
  • Gewicht – Rahmen: 3.51 kg ohne. Dämpfer in Gr. M
  • Gewicht – Bike: 12,9 kg – ohne Pedale
  • Preis – Rahmen: 2199 Euro – Rahmen ohne Dämpfer [eloxiert]

Geometrie:

 

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Weitere Bilder vom ION 14

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# Nicolai Maschinenbau

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# Zwei Positionen stehen an der Wippe für die Dämpferaufnahme zur Verfügung.

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# CNC-Frästeile wohin das Auge blickt.

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# Das versteht man unter einen edlen Verarbeitung.

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# Kleines Spaß-Fully auf einer Feierabendrunde.

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# Das agile ION 14 lud nur all zu oft zu Spielereien ein. 

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# Nicolai ION 14 in freier Wildbahn

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# Nicolai ION 14

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Weitere Informationen:

Website: nicolai.net/152-0-ION+14

Facebook: facebook.com/pages/Nicolai-Bikes/

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Redaktion: Maxi Dickerhoff / Bilder: Christoph Bayer und Lars Scharl

  1. benutzerbild

    Pilatus

    dabei seit 05/2003

    Das beste ist die kombination aus beiden!
    IS an Rahmen/Gabel und PM Bremssattel. alles was gewinde ist, bleibt am günstigen Adapter, es ist leicht einstellbar und wiegt "nur" ~20g mehr?

  2. benutzerbild

    LB Jörg

    dabei seit 12/2002

    Ich frage mich wieso Avid und auch Formula ihre Bremssättel in PM-Standard produzieren. ....:

    Aus dem gleichen Grund warum sich damals VHS anstelle von Beta durchgesetzt hatsmilie

    G.smilie
  3. benutzerbild

    kephren23

    dabei seit 02/2011

    Aus dem gleichen Grund warum sich damals VHS anstelle von Beta durchgesetzt hatsmilie

    G.smilie

    Genau das dachte ich auch, das hat mit ganz anderen Dingen zu tun!
  4. benutzerbild

    Dr. BlutFleck

    dabei seit 06/2008

    seit wann ist eine Descendant in die Jahre gekommen?! smilie

  5. benutzerbild

    no_budgeT

    dabei seit 09/2008

    Welches Tune hatte der Dämpfer denn, bzw. welches würdet ihr empfehlen?
    Hatte der Dämpfer 50mm oder 57mm Hub?

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