Unser Gastautor Johannes Habel war bereits im Sommer 2016 mit Begleitung auf dem Bike im Queyras unterwegs. Schon damals waren sie beeindruckt von der Schönheit, Einsamkeit und Weite dieses Gebirges in den französischen Westalpen. Auf ihren Touren purzelten die Höhenmeter nur so – hier kann man hoch hinaus und dennoch wartet auf der Abfahrt kein Stolperbiken, sondern spielerische Trails! So fassten sie schon letztes Jahr den Entschluss, möglichst bald wiederzukommen – viel Spaß mit ihrem Reisebericht!
Tag 1: Wokenbruch auf dem Pic du Malrif
Wir starten in Cervieres östlich Briancons, es geht über den Pic du Malrif in das Bergparadies. Bergauf tauchen wir ab in ein malerisches Tal. Wie auf dem roten Teppich begleitet uns ein sanfter Bach nach La Chalp. Nach dem kleinen Dorf, in dem sich die Einheimischen mit Rotwein und Baguette zuprosten, wird es für uns ernst. Die Wolken über uns werden dichter und wir müssen unser Rad ziemlich bald schultern. Die letzten Wanderer, die noch das Tal erreichen wollen, kommen uns entgegen. Auch die Luft wird immer feuchter. Mit jedem erklommenen Höhenmeter haben wir das Gefühl, dass sich der Himmel verdichtet. Oben angekommen ist es dann soweit und auf 2906 Metern Höhe fängt es an zu regnen. So wird es selbst im Hochsommer plötzlich empfindlich kalt.
Wir haben beide von dem langem Antstieg einen riesen Hunger, doch aus der geplanten gemütlichen Jause wird nichts. Die Freude auf die Abfahrt ist dennoch ungebrochen und so starten wir mit klammen Fingern in den 1300 Höhenmeter überspannenden Höhenverlust. Schnell wird uns wieder warm und auch die Fahrwerke erwachen zum Leben. So surfen wir auf Asche ähnlichen, für Bikes gezauberten Wanderwegen nach unten und kommen mit breitem Grinsen auf dem Gesicht im im Tal liegenden Abriès an. Bis zu unserem Eintreffen in der Gîtes de France im Talschluss ist uns nicht bewusst, dass man in Frankreich auch auf der Hütte gemeinsam isst und das mehrgängige Menü genießt. Es gibt Rotwein, Lasagne und Tiramisu – so darf es weiter gehen. Bon appetit!
Tag 2: Rauf auf den Dreitausender
Am nächsten Morgen stehen wir auf und informieren uns bei der sympathischen Wirtin über das Wetter – heute soll die Sonne wieder zu ihrer vollen Kraft kommen. Also schnell frühstücken und ab auf unsere Bikes. Nachdem gestern die Befahrung eines Dreitausenders aufgrund des Wettereinbruchs leider nicht Realität wurde, wollen wir heute über den 3026 Meter hohen Monte Losetta in das im Italien liegende Chianale abfahren. Vor uns liegen 1400 Höhenmeter Anstieg. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass wird das Meiste davon tragen müssen. Auch heute begleitet uns wieder ein malerischer Bach auf dem Weg nach oben und die Berge um uns herum rücken immer näher zusammen. Wieder und wieder blickt auch der majestätische Monte Viso auf uns herunter, der südlichst gelegenste Dreieinhalbtausender der Alpen und damit höchster Berg der cottischen Gebirgskette. Die alpine Umgebung motiviert uns und so sind die ersten Höhenmeter schnell gemacht. Vor dem Passo Vallanta machen wir kurz Rast an einem idyllisch gelegenen Bergsee. Was dann folgt ist vor allem steil. Die Gerölllandschaft, gespeist von den steilen Rinnen des Monte Visos, macht uns das Tragen des Bikes schwer. Wir sind mehr als froh, schließlich am Passo Vallanta anzukommen – allerdings haben wir noch einiges vor uns.
Der Aufstieg zum Monte Losetta wird kein Kinderspiel. Doch zum Glück treffen wir unterhalb des Gipfels ein paar italienische Wanderer, die uns zum Weitergehen motivieren. Endlich stehen wir auf 3026 Metern Höhe. Vor uns ein durchgehend fahrbarer Trail – wer hier Stolperbiken sucht, wird enttäuscht. Der Weg nach unten ist zwar technisch anspruchsvoll, doch flüssig zu fahren. Ein weiteres Mal verblüfft uns dieses Gebirge, bei dem sich alpine Umgebung mit unglaublich spaßigen Trails vermischt. Während über uns die Sonne untergeht, genießen wir den abwechslungsreichen Trail. In Chianale müssen wir einige Zeit nach einem Platz für die Nacht suchen. Ganz in der Nähe einer alten Kirche finden wir Unterschlupf in einer Gîtes d’Etape. Alles wirkt ein wenig streng hier – sogar im Aquarium schwimmen Krippenfiguren.
Tag 3: Über 2 Pässe nach Guillestre
Am nächsten Morgen sind wir ziemlich froh, als die Sonne aufgeht und wir wieder aufbrechen können. Am letzten Tag unserer Tour stehen gleich zwei Pässe auf dem Programm. Wieder müssen wir die Bikes tragen, diesmal 2200 Höhenmeter. Es geht zur Quelle der L’Ubaye, die am Col du Longet entspringt. Unsere Beine wachen auf und so geht es tragend aufwärts. Nach einiger Plackerei haben wir unser Zwischenziel schnell erreicht und können uns am klaren und eiskalten Lac Longet erfrischen. Auf dem Weg nach unten folgen wir dem Lauf der L’Ubaye. Von rechts und links speisen kleinere Bäche den Fluss, so wird die L’Ubaye immer rauschender. Während im oberen Teil der Trail einem Flowtrail über Almwiesen gleicht, wird er im unteren Teil immer schwieriger und kleine Gegenanstiege bringen unsere Beine zum Brennen.
Im Tal folgen wir einem schwach ausgetretenen Weg in einem riesigen Flussbett. Die Abfahrt hat uns erschöpft, also halten wir nochmal zu einer Rast mit Panini und Käse – der größte Teil der Tour liegt noch vor uns. So rollen wir später auf einer leicht abfallenden Teerstraße nach unten, rechts und links von uns nur schroffe Felsen, die fast endlos in den Himmel ansteigen. Direkt von der Straße biegt unser Steig steil nach rechts ab: Jetzt heißt es statt rollen wieder einmal Bikes tragen. Der 3028 Meter Hohe Pointe Escreines wartet – unser Tor zurück nach Guillestre. Wieder begleitet uns Wasser auf dem Weg nach oben, immer wieder begegnen wir kleineren Wasserfällen umgeben von dichtem Nadelwald. Von anderen Menschen hingegen keine Spur. Mit Erreichen der Baumgrenze sind wir wieder einmal von der umgebenden Landschaft beeindruckt. Auch die Fauna lässt nicht lange auf sich warten: Eine Herde Steinböcke beobachtet uns kurz vor dem Pic Ecreines. Endlich oben angelangt, schauen wir etwas besorgt auf die Uhr, denn die Sonne geht gerade schon hinter den hohen, umgebenden Bergen unter. So wird das nichts mit unserem nächsten Dreitausender. Im Stillen sind wir allerdings auch froh, nur noch die vielversprechende 1800 Höhenmeter tiefe Abfahrt vor uns zu haben – die längste unserer Mehrtagestour. Der erste Teil führt über eine steile Schotterrinne nach unten. Immer wieder erwarten uns technische Stellen, die allerdings durchwegs fahrbar sind.
Im Wald wird der Trail immer flüssiger: Ein Wahnsinn – enge Kurven, die mal wieder wie für Bikes gemacht erscheinen! Das Trailfeuerwerk nimmt kein Ende, es ist, als würde die Natur mit uns feiern. Als wir dann in Guillestre und damit am Ende der Tour ankommen, freuen wir uns nur noch auf Pizza, Bier und einen Platz zu schlafen. Die vergangen drei Tage haben uns müde gemacht und dennoch war es jede Schinderei wert. Magische Momente in schönster Kulisse und traumhaften Trails liegen hinter uns. Vive la France!
War euch der Queyras vorher bekannt? Hättet ihr Lust, dort mal mit dem Bike hinzureisen?
Weitere Informationen
Text & Redaktion: Johannes Habel | MTB-News.de
Bilder: Johannes Habel
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