Mit Piombino stellen wir euch heute einen noch etwas unbekannteren Spot für Mountainbiker an der etruskischen Küste in der Toskana vor. Ob sich die Fahrt lohnt, erfahrt ihr im kleinen Spotcheck!
Hinweis: Als wir in Piombino waren, traten im Norden Italiens die ersten Covid-19-Fälle auf. Aufgrund dieser Situation musste der geplante Spotcheck leider etwas kürzer ausfallen. Es wird deshalb hauptsächlich auf ältere Fotos zurückgegriffen, die uns von Tuscany Bike zur Verfügung gestellt wurden.
Piombino: Der Süden der Toskana
Piombino liegt in der italienischen Provinz Livorno, etwa auf Höhe von Korsika. Die Stadt selbst hat etwas über 33.000 Einwohner und bietet eine sehr gut erhaltene und sehenswerte Altstadt mit römischen und mittelalterlichen Elementen. Ausgrabungsstätten zeugen auch heute noch von der bewegten Geschichte der Region, wo etwa schon in der Antike die Etrusker Eisen verarbeiteten und eine florierende Hafenstadt hochgezogen wurde – daher wird die Region auch „Etruskische Riviera“ genannt.
Der ursprüngliche Hafen wurde um einen modernen, großen Fährhafen erweitert. Dieser ist zwar wahrlich keine Augenweide, doch bietet er den Vorteil, dass man von dort aus in unter einer Stunde nach Elba übersetzen kann. Die Bikes kann man hierbei natürlich auch mitnehmen. So kann die Insel selbst als Tagesausflug von Piombino aus besucht und befahren werden.
Die Piombino umrundende Landschaft mit ihren Hügeln und Feldern direkt am Meer bietet wunderschönes toskanisches Flair. Alleine eine Fahrt durch die ikonischen Zypressen-Alleen ist die Anreise wert und steigert die Lust, beim nächsten Besuch ein Rennrad mit einzupacken, um ein paar Straßenkilometer zu sammeln.
Die Toskana liegt zwar geografisch gesehen immer noch relativ weit in Norditalien, dennoch ist mit deutlich höheren Temperaturen und weniger Niederschlag als in Deutschland zu rechnen. Biken ist theoretisch ganzjährig problemlos möglich, zu empfehlen ist das Frühjahr. Wir konnten selbst im Februar mehrere Touren bei 18 Grad und strahlend blauem Himmel fahren.
Die Trails
Piombino/Populonia
Bedingt durch das Klima und die geographische Lage sind die Trails eher trocken und lose. Bei Populonia, direkt nördlich von Piombino, erhebt sich ein Hügel auf etwa 300 Meter Höhe in Steinwurfnähe zum Meer, welcher förmlich durchzogen von alten Wegen und neu hergerichteten Trails ist. Und zwar wirklich mit so vielen Pfaden, dass man dort mehrere Touren fahren kann, ohne einen Weg zweimal zu benutzen. Bei einem ersten Besuch ist es tatsächlich schwer, in dem Gebiet die Orientierung zu behalten.
Die Trails sind vom Charakter her insgesamt als eher flowig und schnell zu bezeichnen, bei einem recht natürlichem Untergrund. Doch Vorsicht: Zuweilen überrascht in einem schnellen Stück ein gröberes Steinfeld, welches ordentliche Reifen und etwas Fahrtechnik erforderlich macht. Zumeist jedoch spielt sich der Schwierigkeitsgrad im Bereich S1-S2 ab, mit einigen S3-Stellen. Als perfektes Rad dafür wäre mein Tipp ein leichtes Allmountain/Enduro mit 130-160 mm Federweg und stabilen Reifen. Doch auch mit einem CrossCountry-Fully wird man hier sicherlich seinen Spaß haben.
Im Wald selbst sind immer wieder seltsame Gerüstkonstruktionen zu finden. Diese dienen den lokalen Jägern zur Vogeljagd. Die lokale Mountainbikeszene hat zu diesen aber einen guten Draht, da sich die Biker mit um die Wegepflege kümmern, welche wiederum auch von den Jägern benutzt werden. Zur Jagdsaison soll es keine Seltenheit sein, dass einem auf dem Trail ein Jäger mit der Vespa entgegenkommt.
Campiglia Marittima
Hat man eine Mitfahrgelegenheit zur Verfügung oder scheut sich nicht, einen etwas längeren Transfer mit dem Rad zu bewältigen, erschließt sich mit Campiglia im Hinterland von Piombino ein weiteres Gebiet. Mit dem Auto benötigt man für die Strecke von Poggio all’Agnello aus etwa 15 Minuten.
Bei Campiglia Marittima kommt man auf über 600 Meter Meereshöhe hinauf und hat dementsprechend auch etwas längere Abfahrten. Vom einfachen, flüssig durch das Dickicht fließendem Pfad bis hin zu angelegten Downhillstrecken bietet das Angebot für Biker jeglicher Couleur ein passendes Angebot.
Elba
Wie schon oben angedeutet, ist Piombino der nächstgelegene Hafen zur Insel Elba. Der Verbannungsort Napoleons bietet auch uns heute einen Rückzug vom hektischen Alltag und verwöhnt mit grandioser Flora und Fauna, tollen Aussichten und idyllischen Buchten. Gerade im Frühjahr ist hier noch kaum etwas los, was zwar Nachteile beim Finden von geöffneten Restaurants hat, einem dafür aber völlig einsame Buchten beschert.
Hier präsentieren sich die Trails etwas steiler und technischer und erinnern vom Charakter her an die anderen beiden bekannten Bike-Inseln Madeira und La Palma. Möchte man Elba noch als Tagestour mitnehmen, empfiehlt es sich, von Piombino aus die Fähre nach Marina di Campo zu nehmen. Von hier aus lässt es sich direkt hochtreten und man kann beispielsweise mit dem Buca del Bandito einen anspruchsvollen, aber wirklich sehr empfehlenswerten Trail mitnehmen.
Hat man mehr Zeit, kann man natürlich auch mehr davon auf Elba verbringen und noch weitere Trails fahren. Diese werden vom lokalen Bikeverein gepflegt.
Matteos Tipps
Matteo ist Chef von Tuscany Bike und damit unser Mann vor Ort, um uns die Region vor Augen – und insbesondere natürlich unter die Stollen – zu führen. Der stets entspannte und enorm hilfsbereite Local kümmert sich mit seinen Mitarbeitern um das Trailnetzwerk, bietet geführte Touren und Fahrtechnikkurse an sowie Shuttle-Dienste. Hier kommen seine Empfehlungen.
Matteos Top-3-Trails direkt bei Piombino:
Als Start- und Endpunkt ist hier Populonia zu empfehlen.
Essensempfehlungen:
Hier rät Matteo auf jeden Fall zu lokalem und frischem Fisch. Typisch toskanisch und sehr gut seien zudem noch die lokalen Käse und Schinken. Gut speisen kann man in/um Piombino in folgenden Restaurants:
- La Terrazza (Restaurant im Poggio All’agnello, typisch toskanisch)
- La Rocchetta (leckere Fischspeisen, direkt in Piombino, am Piazza Bovio)
- Il polpo Marino (gute Fischspeisen und nette Leute, bei Baratti gelegen)
- Mamma Carla (typisch toskanische Speisen, direkt in Piombino an der Via Corso Emanuele)
- Dispensa Desideri (direkt bei Populonia gibt es hier gute Pizzen und Antipasti sowie Wein zum Kaufen)
Trinken:
Keine große Überraschung, empfohlen wird natürlich der lokale Wein. Matteos Tipp ist der Vino Rosso aus seiner Lieblings Vinothek Poggio Rosso. Wer sich nach der Biketour noch einen Sundowner genehmigen möchte, sollte dies beim Bagno Baratti tun, wo es sehr gute Cocktails und Antipasti gibt. Versüßt wird die gemütliche Atmosphäre am Strand durch häufige Live-Musik.
Was man außer Radfahren noch tun sollte:
- Bolgheri besichtigen: Hier kann man etwa Mitbringsel für die Freunde und Verwandten besorgen. Neben Wein, Öl und Sehenswürdigkeiten aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit empfiehlt sich ein Besuch der „Viale dei Cipressi“ – fünf Kilometer fährt man zwischen Zypressen entlang und fühlt sich dabei an die Aufnahmen von „Gladiator“ im gleichnamigen Film erinnert.
- Rennradfahren: Die Toskana gilt nicht umsonst als ein Highlight für Rennradfahrer und ist oftmals Destination für die ersten Trainingslager von Wettkampffahrern. Auch wenn es keine richtig hohen Berge gibt, so kann man in den Hügel doch enorm viele Höhenmeter abspulen und so gestählt in die Saison starten.
- Badetage einlegen: Die Locals gehen zwar vor Mai kaum selbst ins Wasser, der barbarische Besuch aus dem Norden kann sich aber selbst im Frühjahr schon den ersten Sonnenbrand am Strand holen.
Allgemeines
Piombino lässt sich ausgezeichnet als Station in einem Roadtrip einbauen. Der Weg dorthin bzw. auf der Rückweg lässt sich mit mehreren gute Bikespots verbinden. So kann man beispielsweise bei den nördlich gelegeneren Orten Sestri Levante, Carrara und Calci (direkt bei Pisa) sehr gut den ein oder anderen empfehlenswerten Trail mitnehmen. Von Piombino aus ist man wiederum sofort auch in Massa Marittima und Punta Ala, den beiden bekannteren Bikeregionen in der Toskana.
Abgesehen von diesen biketechnischen Empfehlungen sollte man die Fahrt zudem nutzen, um seinen kulturellen Horizont zu erweitern. Florenz, Pisa, Cinque Terre, La Spezia und Bolgheri seien hier mal als die vermutlich bekanntesten Vertreter genannt, die alle auf dem Weg liegen oder nur wenig Umweg erfordern. Neben den allgemeineren Sehenswürdigkeiten werden hier insbesondere Geschichts- und Kunstinteressierte ihr Vergnügen finden.
Reise, Organisation und Unterkunft
Anreise
Theoretisch ist die Toskana auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, dies ist jedoch aufgrund der unverhältnismäßigen Fahrtzeiten kaum zu empfehlen. So bleibt einem außer dem Auto nicht viel anderes übrig. Von München aus ist man in Piombino in etwa 7:30 Stunden, von Stuttgart aus in etwa 8:45 Stunden – ein Grund mehr, Zwischenstopps einzulegen und Piombino eher als südlichsten Punkt eines Roadtrips einzuplanen.
Unterkünfte
Sowohl in Piombino wie auf Elba lassen sich mit kurzer Internetrecherche sehr schnell zahlreiche Ferienwohnungen in unterschiedlichen Preisniveaus ausfindig machen.
Als netter Tipp sei hier das Poggio all’Agnello genannt. Hierbei handelt es sich um ein altes Gut, welches zu einer Art Feriencamp für Sportler umgebaut wurde. Neben einem 50-Meter-Warmwasserpool gibt es sogar einen großen Pumptrack. In diesem Anwesen tummeln sich Rennradfahrer, Triathleten, Schwimmer und eben Mountainbiker. Das Essensangebot ist auf die Sportler ausgelegt und man kann zu fairen Preisen gut essen. Die Trails von Populonia und der Strand sind von hier aus in wenigen Minuten per Rad erreichbar.
Camping
Es gibt mehrere Campingplätze. Ist man mit einem Bus/Camper unterwegs, kann man insbesondere in der Nebensaison viele Stellplätze finden, wo man über Nacht stehen bleiben darf. Hierfür gibt es verschiedene Apps, die mögliche Plätze anzeigen. Aber auch einfaches Fragen hilft oftmals, wir konnten so etwa einmal direkt am Meer nächtigen – bei starkem Wind ist dies aufgrund der Lautstärke allerdings nicht zu empfehlen. Eine vierspurige Autobahn ist weniger laut.
Fazit
Piombino liegt zwar rein fahrerisch ein gutes Stück weiter von Deutschland entfernt als etwa Finale Ligure, sollte aber dennoch früher oder später einmal auf der Ferienplanung stehen! Alleine das toskanische Flair ist die Reise wert und lädt ein, die Seele baumeln, sich kulinarisch verwöhnen zu lassen und sich kulturell weiterzubilden.
Rein biketechnisch ist es ein besonders großer Genuss, direkt am Mittelmeer radeln gehen zu können und die Touren bei einem Aperitif am Strand ausklingen zu lassen. Die Infrastruktur für Radfahrer ist schon als gut zu bezeichnen und wird weiter ausgebaut. Dennoch ist es noch nicht vergleichbar mit Hotspots wie Finale – und dies ist hier eher positiv gemeint. Die Trails direkt vor Ort bieten ausreichend Varianten für zwei bis drei Tage. Erweitert man seinen Radius mit ins Hinterland, lässt sich leicht die doppelte Zeit vergnüglich dort verbringen. Dann ist man allerdings auf ein motorisiertes Fahrzeug angewiesen oder muss lange Transferstrecken auf dem Rad in Kauf nehmen.
Die Möglichkeit, einfach nach Elba überzusetzen, ist ebenfalls sehr reizvoll. Denn die Insel bietet landschaftlich und trailtechnisch großes Vergnügen.
So lässt sich festhalten, dass sich die Reise in den Süden definitiv lohnt – besonders, wenn man sie mit mehreren Zwischenstopps begeht und man nicht auf einen reinen Downhill- bzw. Shuttle-Urlaub aus ist. Es bleibt nichts anderes mehr übrig, als zu hoffen, dass die gegenwärtige Situation entschärft wird und wir unsere südlichen Freunde mit ihrem guten Essen, dem gutem Wetter und ihren schönen Trails schon bald wieder besuchen können. Forza Italia!
Biken in der Tokana? Wer war schon da und wie hat es euch gefallen?
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