Theresia Schwenk ging in Albstadt bei ihrem ersten UCI Mountain Bike World Cup in der Elite-Kategorie an den Start – und das gleich mit ordentlichem Erfolg. In ihrem Artikel berichtet sie von matschig-rutschigen Bedingungen, Fahrerinnen mit Knie- und Ellenbogenschonern und den Vorzügen, bei einem XC-Rennen eine Dropperpost im Bike zu haben. Viel Spaß bei Bericht und Bildern aus Albstadt.

Ich kann es immer noch nicht glauben: Mein erster UCI Mountain Bike World Cup in der Elite Kategorie und direkt Platz 43. Der eine oder andere Leser denkt sich vielleicht, joaa, Platz 43 ist jetzt nicht so der Burner, aber DOCH, das ist es für mich. Ich fahre seit 15 Jahren Cross-Country Rennen, eigentlich liegt es also nahe, dass ich eine gewisse Routine bei Rennen habe. Manchmal ist das auch so, nicht aber an diesem Wochenende! So etwas habe ich noch nicht erlebt.

Warmfahren auf der Rolle, die Vorfreude auf meinen ersten Elite-Weltcup ist enorm hoch
# Warmfahren auf der Rolle, die Vorfreude auf meinen ersten Elite-Weltcup ist enorm hoch
In Gedanken schon im Rennen
# In Gedanken schon im Rennen
Auf der Suche nach dem idealen Startplatz
# Auf der Suche nach dem idealen Startplatz

Mein Renntag beginnt früh, zu früh. Denn bereits um 06:00 liege ich hellwach im Bett und bekomme kein Auge mehr zu. „Hoffentlich hat es die ganze Nacht geregnet!“, schießt es mir immer wieder durch den Kopf. Da stellt sich bei dir vielleicht eine Frage: Warum wünscht sie sich Regen, ist sie völlig verwirrt? Die Antwort ist ganz simpel: Bei schlechtem Wetter habe ich mehr Chancen, Plätze gut zu machen. Denn dann könnte ich eher mit meiner Fahrtechnik punkten. Meine Gedanken drehen sich im Kreis. So früh am Tag schon so viel über den Rennverlauf zu spekulieren ist eigentlich nicht meine Art. Beim Frühstückstisch wird mir dann bewusst, wie aufgeregt ich bin. Ich habe absolut keinen Hunger und keinen Appetit und musste mir zwei Brötchen förmlich reinzwingen. Mein Bruder Robert, der später am Tag das Herren-Eliterennen bestreiten wird, kennt mich so nicht und schmunzelt über meine Nervosität: „Ist doch gut, dass Du so aufgeregt bist, das zeigt, dass Du richtig Bock auf das Rennen hast“. Bock habe ich definitiv. Meine Stimmung ist schon an der Grenze zur Übermotivation.

Am Renngelände angekommen schauen Robert und ich uns zwei Runden des U23 Damen-Rennens an. Es nieselt leicht und die Mädels rutschen auf oder neben dem Bike die Downhills hinunter. „Ohne Matschreifen wird das nicht fahrbar sein“, überlege ich. Auch Robert gibt mir das Go für die Matschreifen. Er ist nicht nur mein Bruder und fährt selbst beim World Cup mit, er ist auch mein Mechaniker und kann Streckenverhältnisse sehr gut einschätzen.

Beim Warmfahren auf der Rolle erreicht meine Nervosität dann ihren Höhepunkt. Voll fokussiert fahre ich mein Warmup-Programm und begreife erst jetzt so richtig, dass ich gleich neben den schnellsten Frauen der Welt in meinen ersten Elite World Cup starten werde. Genauer gesagt starte ich nicht neben den schnellsten Fahrerinnen, sondern dahinter. Ein kleiner, aber sehr feiner Unterschied. „In der letzte Startreihe ist wenigstens freie Platzwahl“, lächle ich in mich hinein und entscheide mich spontan doch ganz links, und nicht ganz rechts zu starten. Wenn ich meine Aktion im Nachhinein kritisch reflektiere, stelle ich natürlich fest, dass es völlig egal ist, ob ich ganz rechts oder ganz links starte. In der ersten Kurve, spätestens aber im ersten Anstieg ist Stau sowieso vorprogrammiert.

Und Päääng
# Und Päääng
Ich konnte mich auch in der Startloop auf dem Rad halten, viele Kontrahentinnen sind gestürzt
# Ich konnte mich auch in der Startloop auf dem Rad halten, viele Kontrahentinnen sind gestürzt
Fullgaz, Theri!
# Fullgaz, Theri! - Foto: Theresia Schwenk

Noch 15 Sekunden bis zum Start und durch die Lautsprecher dröhnt jetzt keine Musik mehr, sondern ein Pulsschlag. Wow, das lässt meinen Puls gleich noch viel höher schlagen, er müsste jetzt bei circa 200 Schlägen pro Minute angekommen sein. Päääng. Alle sprinten los wie die Verrückten, ich natürlich auch. Am Start versuche ich mich möglichst weit außen zu halten, um nicht mitten im Gedränge gefangen zu sein. Ich komme ganz gut weg und kann ein paar Fahrerinnen überholen. Im ersten Anstieg spüre ich direkt, dass „Bergauf“ heute leider nicht meine Lieblingsteildisziplin sein wird. Es geht in den ersten Downhill mit dem bekannten Albstadt Drop. Noch bei der Anfahrt zum Drop kommt mir hier etwas komisch vor. Ist das hier real oder träume ich? Ich kann auf einen Schlag ungefähr zehn Fahrerinnen überholen. Warum? Eine Fahrerin nach der anderen rutscht auf dem sich nach Glatteis anfühlenden Matsch weg. Viele steigen direkt ab und schieben den Abhang hinunter. Ich habe einfach unheimlich guten Grip und kann ohne Probleme herunterfahren. Ein bisschen rutsche ich natürlich auch, meine Komfortzone muss ich bei dieser Abfahrt aber nicht verlassen. Es fühlt sich mit den Reifen alles sehr sicher an. Ein in diesem Rennen immer wiederkehrender Kampf stellt sich für mich heraus. Bergauf werde ich immer von den schnelleren Fahrerinnen überholt, bergab hingegen kann ich dann kontern und die Plätze wieder gut machen.

Als ich nach der Startrunde über die Ziellinie fahre, kann ich meine Platzierung nicht wirklich glauben: 48te, whaaat? Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Mein großes Ziel ist Top 60 und jetzt bin ich in den Top 50. Irgendwie motiviert mich das so sehr, dass ich im nächsten Anstieg so aufs Gas drücke, dass ich mir fast die Lunge aus dem Hals husten muss. Dann sehe ich, dass Sabine Spitz drei Plätze hinter mir fährt. Hooooly shiit! Was geht hier denn ab? Ich vor der doppelten Olympiasiegerin? Da kann etwas aber ganz gewaltig nicht stimmen. Doch auch im Dual Uphill kommt sie nicht näher an mein Hinterrad. Im Bullentäle ist die Stimmung jetzt am Höhepunkt angekommen. Wir Fahrerinnen werden den Uphill hochgeschrien, das ist wirklich gigantisch! Es ist aber gar nicht schlecht, dass ich meinen eigenen Atem nicht mehr hören kann, so kann ich auch nicht hören ob ich schon fiepe oder eine klassische Schnappatmung an den Tag lege. Ich kann das alles nicht wirklich glauben, doch im genau richtigen Moment ermahne ich mich: „Theresia, konzentriere dich auf die kurze Abfahrt!“. Gedacht, getan. Ich kann alles sicher fahren und dabei wieder einige Damen überholen. Auch weil ich immer die A-Line fahren kann und viele Damen die B-Linie wählen. Ich muss zugeben, der Untergrund ist wirklich extrem rutschig und ich bin im Devil Corner heilfroh, ein Fully mit Dropperpost und Matschreifen zu fahren, denn selbst damit kann ich mein Rad kaum in Spur halten. Ich habe größten Respekt vor den Damen, die mit einem Hardtail ohne Dropperpost an den Start gehen. Teilweise grenzt das sicherlich an Lebensmüdigkeit.

Lächelnd mit Mariska Strauss vor mir in Richtung Ziel im Start Loop..
# Lächelnd mit Mariska Strauss vor mir in Richtung Ziel im Start Loop..

In der zweiten regulären Runde zieht sich das Feld dann schon weiter auseinander und ich kann bergab endlich mein Tempo fahren. Ich merke Abfahrt für Abfahrt, wie viel mir das Endurofahren in diesem Rennen hilft. Ich versuche bergab nicht besonders schnell zu fahren, sondern eine saubere Linie zu finden, auf der ich sicher herunterfahren kann. Diejenigen Frauen, die ich bergab überhole, tun mir teilweise auch wirklich leid: Blutige Knie, aufgeschlagene Ellbogen, Tränen im Gesicht und jede Menge technische Defekte. Ja, diese Bedingungen verlangen nicht nur den Fahrern, sondern auch den Bikes alles ab. Meine persönliche Heldin des Rennens ist Mariske Strauss (RSA), sie ging mit Knie- und Ellbogenschonern an den Start.

Nach der dritten regulären Runde werde ich dann aufgrund der 80% Regelung aus dem Rennen genommen. Eigentlich habe ich mir gewünscht, das Rennen zu Ende fahren zu dürfen, das Ziel war aber dann vielleicht doch etwas zu hoch angesetzt und für meinen ersten Elite World Cup unrealistisch.

In den Uphills und flachen Passagen habe ich ganz schön zu kämpfen
# In den Uphills und flachen Passagen habe ich ganz schön zu kämpfen
Noch einmal tief einatmen ehe es in die Abfahrt geht
# Noch einmal tief einatmen ehe es in die Abfahrt geht
Mit diesen Fans im Hintergrund werde ich bergauf getragen, Danke!
# Mit diesen Fans im Hintergrund werde ich bergauf getragen, Danke!

Als ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf der Wiese neben dem UCI Zelts der 80% Regel liege fällt mir auf, wie glücklich ich bin. Ich bin nicht gestürzt und hatte keine technischen Probleme, was in diesem Rennen extrem viel wert ist. Mit 25 UCI Weltranglistenpunkten mehr auf meinem Konto reise ich nun zum nächsten World Cup nach Nové Město na Moravě. Vielen Dank Albstadt für die tolle Organisation und Durchführung – It’s been a pleasure!

Ich konnte bei jedem Downhill die A-Linie wählen, auch hier beim Albstadt Drop
# Ich konnte bei jedem Downhill die A-Linie wählen, auch hier beim Albstadt Drop - Foto: Lukas Hoffmann
Die in meinen Augen technisch anspruchsvollste Stelle des Rennens konnte ich dank meiner Dropper Post problemlos und sturzfrei bewältigen
# Die in meinen Augen technisch anspruchsvollste Stelle des Rennens konnte ich dank meiner Dropper Post problemlos und sturzfrei bewältigen
Der Devil Corner gehört zu den technisch anspruchsvollen Passagen des Rennens..
# Der Devil Corner gehört zu den technisch anspruchsvollen Passagen des Rennens..
Die Abfahrt nach dem Devil Corner war eine einzige Rutschpartie
# Die Abfahrt nach dem Devil Corner war eine einzige Rutschpartie - Foto: Irmo Keizer
Der volle Fokus liegt auf den Wurzeln und Steinen vor mir
# Der volle Fokus liegt auf den Wurzeln und Steinen vor mir - Foto: Irmo Keizer
Grip soweit das Auge reicht. Schon verrückt was die Reifenwahl ausmachen kann
# Grip soweit das Auge reicht. Schon verrückt was die Reifenwahl ausmachen kann
Die schmalen Matschreifen waren die richtige Wahl
# Die schmalen Matschreifen waren die richtige Wahl
In den kurzen Gegenanstiegen konnte ich gut hochdrücken, die längeren Anstiege waren eine reine Qual
# In den kurzen Gegenanstiegen konnte ich gut hochdrücken, die längeren Anstiege waren eine reine Qual
Die Stimmung im Bullentäle wie jedes Jahr atemberaubend
# Die Stimmung im Bullentäle wie jedes Jahr atemberaubend - Foto: Lukas Hoffmann
Die Fans im Bullentäle im Rücken, dieses Gefühl war einfach grandios! - Foto mtb-news
# Die Fans im Bullentäle im Rücken, dieses Gefühl war einfach grandios! - Foto mtb-news
Im Ziel angekommen konnte mich vor Erschöpfung nichts mehr auf dem Rad halten
# Im Ziel angekommen konnte mich vor Erschöpfung nichts mehr auf dem Rad halten
Völlig erschöpft aber glücklich - Foto: Robert Schwenk
# Völlig erschöpft aber glücklich - Foto: Robert Schwenk
Mein Racebike für Nove Mesto
# Mein Racebike für Nove Mesto - Foto: Theresia Schwenk
  1. benutzerbild

    2nd_astronaut

    dabei seit 06/2007

    Wenn sie die gleichen Runden fahren, ok. Aber es bleibt oft ein ganz natürlich begründeter Leistungsunterschied bestehen.
    Und in einigen Sportarten, zB Tennis, spielen die Frauen oft weniger lang als die Jungs.
    ja, ich fand usain bolt auch hoffnungslos überbezahlt. ich mein, nicht mal 10s was zeigen -- ist doch lächerlich ;-)
  2. benutzerbild

    shnoopix

    dabei seit 11/2016

    Wenn sie die gleichen Runden fahren, ok. Aber es bleibt oft ein ganz natürlich begründeter Leistungsunterschied bestehen.
    Und in einigen Sportarten, zB Tennis, spielen die Frauen oft weniger lang als die Jungs.
    Dazu kommt dann auch noch Angebot und Nachfrage, nachdem sich die Preis- oder Antrittsgelder richten.
    Wobei ich sagen muss, ich finde ganz angenehm, dass die Damen eine Runde weniger fahren. Das macht das ganze irgendwie knackiger, würde den Männern auch gut stehen.

    Zumindest war meine Wahrnehmung bisher, dass sich die Gruppen spätestens in der 4. Runde gefunden haben und man dann 2 bis 3 Runden lang nur noch Kämpfe innerhalb der Gruppen sieht. Meinetwegen könnte dann in der 5. Runde auch bei den Männern schon das Ziel kommen.
  3. benutzerbild

    cluso

    dabei seit 01/2003

    @Thomas Ich meinte nicht die Moderatoren / das IBC Team sondern die männliche User Fraktion.

    Dass das Wort Jungs häufiger im Verhältnis benutzt wird liegt wohl auf der Hand.

    Der männliche Anteil im Forum und das Schreiben über das männliche Geschlecht dürfte wohl unwesentlich höher sein als der Anteil der Frauen und das Schreiben über Frauen.

    Das Frauen sich selbst so bezeichnen um jung rüber zu kommen wundert mich zwar, aber wie Caro ja schon schrieb, scheint es nichts wirklich Negatives für einige Frauen zu sein.

    Da @Jana das Thema schon in einem Artikel oder darauf folgenden Thread (finde ich leider nicht mehr) zur Sprache gebracht hat, wollte ich noch ein Mal darauf hinweisen.

    Ich habe schon von verschiedenen Frauen (nicht MTB-Fahrerinnen) mitbekommen, dass sie es so sehen, wie ich es geschildert habe. Mädels = nicht reife Frauen.

    Es ist nur das Hobby und viele Männer meinen es anscheinend (wie ich den Reaktionen hier entnehme) nicht abwertend.

    Die Sache ist nur, dass sich solche Begriffe überall übertragen und gerade im Berufsleben stehen Frauen nicht selten schlechter da, als männliche Kollegen bei gleicher Leistung oder das die Frauen sogar höherer Leistung erbringen und trotzdem weniger verdienen.

    Auch im Profisport sind die Gehälter deutlich unterschiedlich, zumindest von dem was man so hört / liest.

    Um beim XC zu bleiben, eine Jolanda Neff oder Annika Langvad bspw. leisten mMn. sicherlich nicht weniger als ein Nino Schurter oder ein Julien Absalon (bis vor Kurzem).

    Daher finde ich es wichtig seinen Respekt gegenüber der Leistung der Frauen auch mit der Wortwahl zu unterstreichen.

    Servus @OldShatterhand81

    Ich fühle mich als männlicher Teilnehmer des Forums mit deiner Kritik angesprochen.

    Der Begriff Jungs ist für mich auch nicht unbedingt als Ausgeburt der Seriösität und Reife belegt, das hat auch was von Blödsinn reden, Bier saufen, "um die Häuser ziehen" etc pp...einfach so Bilder die mir dazu einfallen.. smilie

    Beide Begriffe haben vielleicht auch einen kindlichen/kindliche Freude als Zwischenton...vielleicht auch positiv verknüpft..."Mädelswochende", "Jungs zum biken gehen"...

    Darf ich fragen in welcher Altersklasse die Frauen waren in denen du das mitbekommen hast?
    Meiner Erfahrung nach haben Frauen in den "20ern" Anfang 30 diese Assoziation eher weniger.

    Ganz davon abgesehen, fürchte ich auch, ändert die Art der Postings (zumal die Statisik auch eindeutig ist) in einem Bikeforum nicht unbedingt die globale Politik und die gesellschaftlichen Strukturen.

    (Ich bin sowieso überrascht warum wir in 2018 überhaupt noch darüber diskutieren müssen...das sollte eigentlich selbstverständlich sein).

    Grüße

    C.
  4. benutzerbild

    kommski

    dabei seit 06/2013

    Ich finde es ganz schön reifenfeindlich wie Ihr mit dem Thema umgeht smilie.

  5. benutzerbild

    OldShatterhand81

    dabei seit 10/2008

    @cluso Ab Mitte 20 aufwärts.

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