Ich stehe ja auf ausgefallen, und soeben habe ich eine Menükarte vor Augen. Als Vorspeise könnte Ricolakräuter-Suppe gereicht werden, als Hauptspeise schiebt der Kellner in Lederhosen eine gekochte Milka-Rinderzunge an Röstis hinterher, bevor ich mich zum Abschluss über den Nachtisch in Form von Bärenmarken-Tatzen her mache.
Genau so wie diese Menükarte von fortgeschrittenem Schwachsinn zeugt, so wäre es auch blanker Nonsens, mich im Renntempo über die Alpen zu schicken. Deswegen werde ich wohl nie an der BIKE Transalp powered by Sigma als Fahrer teilnehmen. Aber…
…das Team Radon Jenschura suchte vor Wochen einen Busfahrer. Vier äußerst motivierte oder verblendete Fahrer dieses Teams aus Rheinland-Pfalz haben dieses Rennerlebnis als Saisonhöhepunkt auserkoren. Der Hauptsponsor Jenschura stellte dazu nicht nur die Frühstückseinheiten zur Verfügung, sondern auch 4 Startplätze. Seitdem vergeht bei vier Mountainbikern nicht mehr das Glänzen in den Augen. Nur, wer fährt das Wohnmobil von A nach B, während sie über die Alpen hetzen?
Ja genau, richtige Antwort, das wird mein Job sein. Ich habe das Casting zu „Deutschland sucht den Bus-Chauffeur“ mit meinen Socken für mich entschieden. Aber da mir der Job als Kapitän der Landstrasse zu wenig ist, bin ich jetzt auch alles andere was so anfallen kann, bei einem betreuten Etappenrennen. Nun haben sie auch noch ein Kindermädchen, einen Mechaniker, Verpfleger, Servicepunktierer und Berichterstatter. Dem Antrag auf Pflegestufe 3 wurde stattgegeben. Wenn es sein muss, wird auch Hand angelegt am welken Männerfleisch. Man muss als examinierte Pflegekraft auch Opfer bringen.
Mir ist klar, auf was ich mich bei dem Auftrag „Betreutes Rennen“ einlasse. Aber ist das auch so bei den Fahrern, die sich der Herausforderung BIKE Transalp erstmalig stellen? Auf was lässt man sich dieses Jahr ein, wie bereitet man sich darauf vor und was für Materialfragen stellen sich? Fragen, zu denen ich euch am Beispiel meiner 4 glorreichen Streiter Tim Greis, Torben Fibich, Markus Schuhen und Jens Krämer eine kurze Übersicht geben möchte.
Streckenvorstellung
Vom 17. bis 23. Juli 2016 führt die Route der diesjährigen BIKE Transalp über 519,46 km und 17.736 Höhenmeter erneut einmal quer über den Alpenhauptkamm, doch bereits zu Beginn des siebentägigen Etappenrennens sorgt die 19. BIKE Transalp – Auflage für ein absolutes Novum. Noch nie zuvor erfolgte der Start außerhalb Deutschlands. Diesen Sommer durchbricht Imst in Österreich die Tradition deutscher Startorte. Erstmals, in der 18 Jahre langen Geschichte der TransAlp, führt kein Kilometer durch Deutschland.
„Dass wir Imst als Startort gewählt haben, ist letztlich unserem Auftrag geschuldet, die Strecke der BIKE TransAlp nicht langweilig werden zu lassen und immer wieder mit neuen Ideen für Spannung zu sorgen.“ Renndirektor Marc Schneider
Die zweite Premiere ist, den aktuellen Sieger des härtesten Radrennens der Welt, dem „Race across America“, Pierre Bischoff begrüßen zu dürfen. Er hat mit seiner Partnerin Miryam Gyslin (Schweizer Strassenmeisterin 2014) den Kampf um die Mixed Wertung vor Augen. Wer kann schon behaupten, in der direkten Vorbereitung für die BIKE Transalp 5.000 km abgespult zu haben…
Vorbereitung
Wie bereitet man sich effektiv und sinnvoll auf ein solch anstrengendes und forderndes Etappenrennen vor? Planlos Kilometer zu schrubben wäre wohl ein wenig zu kurz gedacht. Ein wenig mehr Plan muss schon dahinter stehen, um auf den Punkt fit zu sein. Solch ein Rennen ist wegen der Dimensionen schlecht kalkulierbar. Alleine das sehr wechselhafte und wahrlich nicht sommerliche Wetter in diesem Jahr können aus einem Rennfahrertraum auch ein Renndesaster werden lassen. 7 Tage lang jeden Tag dem Körper Höchstleistung abzutrotzen und nach dem Rennen, dem Wrack aus Muskeln und Sehnen, die richtige Fürsorge zu kommen zu lassen, ist gerade für Novizen eine große Herausforderung. Jeder, der in Acro ankommen kann, wird ein Sieger sein, Platzierungen gibt es als Bonus oben drauf.
Die Vorbereitung der zwei Radon-Jenschura Teams begann wie üblich am Ende der letzten Saison. Ziel war es, mit Grundlage über den Winter zu kommen und im besten Fall Verletzungen und Krankheiten aus dem Weg zu gehen. Beides funktionierte nicht wirklich. Vom banalen Grippevirus bis zum Schlüsselbeinbruch gab es eine grosse Vielfalt an Möglichkeiten, die Saat des Zweifels und der Demotivation an der Unternehmung Transalp in den Köpfen auszusäen.
Mit Einstieg in die Rennsaison 2016 war dann aber alles wieder in der Spur. Trainingslager auf Zypern und Mallorca, Trainingspläne, Leistungsanalysen und Ernährungsumstellungen gaben den nötigen Antrieb und Motivation. Die Formkurven zeigen seitdem beständig nach oben, die Platzierungen belegen es schwarz auf weiß.
Tim und Torben bringen als erfahrene Marathon und 24h Fahrer eine große Erfahrung für Langstreckenrennen mit und konnten sich bei einigen Marathonrennen und den 24h am Alfsee das nötige Selbstbewusstsein für die Alpen holen.
Markus und Jens sind das etwas schwächere Team, das gilt jedoch nicht bei der Motivation. Markus fährt trotz seiner Diabetes seit 7 Jahren mit Begeisterung Marathonrennen. Jens kommt zwar von der Kurzstrecke, transformiert sich aber seit Monaten mit professioneller Hilfe und Trainingsplänen zum Langstreckenfahrer. Ihr Motto ist: Ich muss soviel trainieren, dass ich derjenige bin, der sich weniger quälen muss.
Training und Rennbetrieb sind aber nicht alles bei einem Teamrennen. Kommunikation untereinander im Rennen gilt es zu üben und zu praktizieren. Den Partner lesen lernen. Auf die Schwächen und Stärken des anderen eingehen zu können ist wichtig, um die sieben Tage als Team bei der BIKE Transalp erfolgreich bestreiten zu können.
Material
Nach solch einem Rennen kommt niemand mehr mit dem Rad nach Hause, welches er 520 km vorher eingepackt hat. Wer das denkt, der glaubt auch noch an die Rückkehr von 26 Zoll Rädern in den Marathon-Rennzirkus. Die BIKE Transalp geht genauso rigoros mit dem Material ins Gericht wie andere große MTB-Etappenrennen. Ob Beskidy-Trophy, Sudety-Challenge oder Cape Pioneer, extreme Belastungen fordern nicht nur ihren Tribut an Körper und Seele des Sportlers.
Man kann versuchen, alle Eventualitäten auf das geringste mögliche Risiko einzuschränken. Über Banalitäten, wie dem Wetter angepasste Reifen und Laufradsätze, will ich gar nicht erst schreiben. Oft sind es ja eher die Kleinigkeiten, die zu Beschaffungskriminalität führen können. Natürlich kann man alles mitnehmen und es fehlt am Ende trotzdem genau das, was man vergessen hat einzupacken. Aber ein Etappenrennen sollte nicht am Fehlen des zweiten Satzes Bremsbeläge, einem Ersatz-Tretlager, Schaltzügen oder einem Bremsen-Entlüftungskit scheitern. Ganz großes Kino ist, wenn man im Umkreis von 100 km kein passendes Schaltauge organisieren kann. Auch im Fahrerlager ist es nicht immer gegeben, passendes Material zu ergattern, trotz aller Hilfsbereitschaft.
Mit Sicherheit ist ein Fully das angenehmere Arbeitsgerät, um die sieben Etappen der Transalp zu bestreiten. Jedoch werden die meisten ambitionierten Fahrer, wie auch meine Jungs, mit Hardtails an den Start gehen und sich nach einigen Tagen ein Fully herbeisehnen. Die Qual zu genießen wird dann die beste Methode sein, sich weiter über die nächsten Anstiege zu motivieren.
So sicher wie das Amen in der Kirche wird es sein, dass man nicht auf jede Situation vorbereitet sein kann. Genau das ist es doch, was das Event zum Erlebnis macht. Freitag geht’s los und ich wünsche uns allen ein wenig Sommer zur Genusssteigerung und eine tolle Woche. Unter der Überschrift „Fünf Freunde sollt ihr sein“ schauen wir mal, wie weit uns Teamgeist, Wille und Motivation bringen werden, bevor uns das kühle Nass des Gardasees begrüßen darf.
In diesem Sinne Think pink – eure Muschi
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