Rocky Mountain-Teamfahrerin Julia Hofmann machte sich mit Daniel Schäfer, Andreas Tonelli und Fotograf Carlos Blanchard auf nach Marokko, um eine Woche lang die Trails im hohen Atlasgebirge mit dem Mountainbike zu erleben. Herausgekommen ist eine schöne Reisestory mit grandiosen Fotos. Julia berichtet von einer traumhaften Reise.
„Spinnst du? Marokko! Du, eine Frau und mit blonden Haaren, das kannst du doch nicht machen! Das ist viel zu gefährlich!“ Auf diese oder ähnliche Reaktionen stieß ich bei all jenen, denen ich von unserer Reise ins Land der Berber erzählt habe. Eine Woche lang mit dem Bike die Trails im hohen Atlasgebirge erforschen, mitten im Herzen von Marokko die Kultur, das Land und die Menschen erleben, das war unser Ziel! Trotz aller Widerworte landeten Daniel, Andreas, Reni, Bruno, Fotograf Carlos und ich im letzten Oktober im Nordwesten Afrikas in der montanen Region am Flughafen von Marrakesch.
Marrakesch liegt nördlich des hohen Atlasgebirges auf einer Hochebene auf rund 450 m über dem Meer und ist der Ausgangspunkt unseres 8-Tage-Enduro-MTB-Trips, bei dem wir wie die Nomaden von Hotel zu Hotel ziehen. Der hohe Atlas erstreckt sich von Südwesten nach Nordosten im leichten Bogen. Mit seinen schroffen Felsformationen und den sehr steilen Gipfeln hat er Ähnlichkeiten mit dem Hochgebirge.
Mit gleichmäßigen Schritten geht der Esel, unsere Bikes auf dem Rücken, die steilen steinigen Wege hoch hinauf auf den Berg. Es geht knapp zu auf diesen engen Pfaden. Immer wieder sind es nur ein paar Millimeter Abstand zwischen dem Lenker oder der Gabel unserer Bikes und der schroffen Felswand. Mit Leichtigkeit klettert der Esel mehrere Stunden in der prallen Mittagssonne, während wir mühsam versuchen mit ihm Schritt zu halten.
Kaum zu glauben, dass seit unserer Ankunft schon vier Tage vergangen sind. Es fühlt sich an, als seien wir gerade erst von unserem Guide Hashim am Flughafen empfangen und mit dem Geländewagen zu unserem ersten Hotel in Marrakesch gebracht worden. Nach einem perfekten Einklang am Abend auf dem Djemaa el Fna Square, dem wohl bekanntesten Ort Marrakeschs, einem mittelalterlichen Markt- und Henkersplatz, mit hervorragendem Abendessen an den kleinen Ständen zwischen Schlangenbeschwörern, Affendompteuren, Tänzern, Akrobaten und Wahrsagerinnen, fallen wir mit einer Vorfreude auf die nächsten Tage in unsere Betten.
Am nächsten Morgen verladen wir unsere Bikes auf die Geländewagen und machen uns auf den Weg in den Süden bis hin zu den Ausläufern des Atlasgebirges. Immer weiter schlängelt sich die steile unbefestigte Straße hoch bis zu einem Plateau bei Amizimiz auf 1900 m. Hier starten wir unsere erste Tour auf dem afrikanischen Kontinent. 18 km reinster Singletrail! Die meisten der Wege hier sind von Maultieren und Eseln genutzte Tretpfade, die die Verbindung zwischen den einzelnen Bergdörfern darstellen.
Faszinierend, dass hier nur die Vierbeiner die Trailbuilder sind. Hier eine Anliegerkurve, da ein kleiner natürlicher Sprung, dort eine technische Sektion und alles in einer atemberaubenden Landschaft. Immer wieder kommen wir an kleinen Bergdörfern vorbei, die in Täler zwischen den Bergen eingemeißelt sind. Die Kinder dort begrüßen uns herzlich und begutachten neugierig unsere Räder und wollten unbedingt eine Runde damit drehen. Alle Zweifel, alle Skepsis und Vorurteile, die uns im Vorfeld über dieses Land immer wieder zu Ohren gekommen sind, wurden schon in den ersten Minuten, mit dem ersten Kontakt mit den Menschen hier komplett in Luft aufgelöst.
Ob auf dem touristischen Djemaa el Fna Square oder in den abgelegensten Bergdörfern, überall findet man Menschen, die einen herzlich empfangen und, obwohl sie kaum etwas zum Leben haben, laden sie uns zum Tee und zum Essen von Nüssen und frisch gebackenem Naanbrot ein und würden es als Beleidigung ansehen, wenn wir ihnen etwas dafür geben wollten.
Eines der absoluten Highlights dieser Tour sind die kleinen Märkte in den Dörfern, die wir auf den Abfahrten durchquerten. In jedem der Dörfer versammeln sich die Menschen an den Ständen der Hühnchenverkäufer, der Bäcker, oder Metzger und die Gewürzstände verbreiten einen Duft, der sich über den kompletten Marktplatz legt. Das Hauptfortbewegungsmittel und der wichtigste Partner ist hier der Esel, denn kaum eine Straße führt zu den Dörfern in den Bergen.
Jeder der Trails, die wir in den sechs Tagen unter unsere Räder nahmen, ist auf seine Weise etwas ganz besonderes. Mal flowig, mal steil, dann ein Stück bergauf und danach wird man mit einer Freeride-Abfahrt vom Feinsten belohnt. Doch mit Abstand der beste und landschaftlich beeindruckendste Trail ist der, den die Einheimischen den „Fliegenden Teppich“ nennen. Dieser 35 Kilometer lange Singletrail schlängelt sich zwischen steilen, mit Sträuchern bewachsenen Hängen durch eine Landschaft voller Farben, die ich noch in keinem Land zuvor so gesehen habe.
Oben am Einstieg ist der Boden felsig und ähnelt einer riesigen Sandsteinplatte. Der Grip unserer Reifen ist perfekt und wir rollen wie auf einer Murmelbahn durch die roten Hügel. Danach fahren wir auf aus schwarzem Boden geformten Wellen, die der Trailbuilder eines Pumptracks nicht perfekter hätte anlegen können. Immer wieder springt Daniel von einer Welle zur nächsten, als würde er nie den Boden berühren. Weiter unten, nach mehreren Kilometern Auf und Ab, wird es sandiger und das tiefe Schwarz der Landschaft wechselt ins Braune…
Ich versuche so dicht wie möglich an Daniels Hinterrad zu bleiben, um weniger Staub abzubekommen. Doch ist es kaum möglich, noch irgendetwas zu sehen. Nach mehreren Monaten ohne Regen ist es so trocken und der Staub so fein, dass wir wie nach einem Sandbad in unserem Hotel eintreffen.
Das Essen, egal ob am Abend im Hotel, oder tagsüber auf den Märkten, war ein Erlebnis der Sinne. Immer unterschiedliche Mischungen aus Gewürzen, Gemüse und Fleisch. Teilweise mit Zutaten, die mir bis heute ein Geheimnis geblieben sind. Das wohl bekannteste und alltägliche Mahl in Marokko ist Tashim. Dies ist ein Tontopf, der mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt auf dem Feuer über mehrere Stunden köcheln muss. Das Gemüse oder Fleisch wird hier, je nach Gardauer, in Schichten in den Tontopf gelegt, mit Gewürzen verfeinert und so lange gegart, bis es zerfällt und mit Brot gegessen werden kann. Die Brotfladen werden immer frisch auf dem Feuer gebacken und dienen morgens, mittags und abends als Hauptnahrungsmittel der Marokkaner.
Zu allem und immer wird der „Berber-Whisky“ serviert. Da kein Alkohol getrunken wird, ist dies immer Schwarztee mit frischer Minze. Der kommt immer wie von selbst an den Tisch und wird aus einer wunderschön geschwungenen Silberkanne serviert. Süß muss er sein und eingeschenkt mit Moustache, das heißt, er braucht Schaum… Also halte ich die Kanne ganz weit nach oben, als ich uns den Tee einschenke, dass er wie ein Wasserfall in die Gläser läuft… je mehr Schaum, desto größer der Bart, heißt es in Marokko…
Am letzten Abend schlendern wir durch die Innenstadt von Marrakesch, kaufen Souvenire und marokkanische Gewürze an den Ständen auf dem Marktplatz, schauen den Schlangenbeschwörern zu und lassen uns vom Affen auf dem Kopf herum tanzen. Dabei kommen wir an einem Barbershop vorbei. Da konnte Daniel nicht widerstehen: Nach so viel Moustache im Tee wollte er nun selbst einen Schnurrbart haben. Und gleich war der Vollbart ab und der Moustache da.
Nach acht Tagen sitzen wir im Flieger nachhause. Im Gepäck haben wir Eindrücke von Menschen, die ohne großen Luxus, ohne Auto, teilweise ohne Elektrizität, Mobiltelefone, Internet, aber mit einer Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit durchs Leben gehen. Eindrücke von einer unberührten Natur und von Trails, die kaum ein Mensch hätte besser anlegen können. Nun weiß ich, dass es genau die richtige Entscheidung war, nach Marokko zu reisen. Und ich weiß auch, dass ich in dieses geheimnisvolle Land wiederkommen werde!
Unser Reiseplan
Tag 1
- Marrakesch
- Ankunft
- Hotel im Zentrum von Marrakesch
Tag 2
- Amizmiz
- Shuttle ca. 75 km, Biken auf Singletracks und Schotterstraße ca. 30 km, Anstieg ca. 365 Höhenmeter Abfahrt ca. 2.360 Tiefenmeter
- Unterkunft in Gite am Fuße des Atlas Gebirges
Tag 3
- Amizmiz
- Shuttle ca. 85 km Biken auf Singletracks und Schotterstraßen 30 km, Anstieg 400 Höhenmeter Abfahrt 2.170 Tiefenmeter
- Unterkunft in Hotel mit traditionellem Hamam
Tag 4
- Ouirgane
- Transfer ca. 45 km, Shuttle mit Eseln Biken auf Singletrails und Schotterstraßen 25 km Anstieg ca. 600 Höhenmeter, Abfahrt ca.1.840 Tiefenmeter
- Unterkunft in gleichem Hotel in Ouiragne
Tag 5
- Louka – Tahnaout
- Transfer ca. 50 km, Biken auf Singletrails 32 km, Bergauf ca. 350 Höhenmeter, Abfahrt ca. 2.020 Tiefenmeter
- Unterkunft Oukaimden Ski resort
Tag 6
- Louka – Ourika
- Transfer ca. 50 km Biken auf Singletrails und Schotterstraßen ca. 35 km Bergauf ca. 240 Höhenmeter, Abfahrt ca. 1.900 Tiefenmeter
- Hotel bei Ait Ourir.
Tag 7
- Tikla Valley
- Transfer ca.140 km Biken auf Singletrails ca 10 km Bergauf ca. 150 Höhenmeter, Abfahrt ca. 830 Tiefenmeter
- Hotel in Marrakesch
Tag 8
- Heimflug
Infos – Marokko
Bikeverleiher
vor Ort möglich, aber besser das eigenen Bike mitnehemen.
Airlines
- Ryanair
- Easyjet
- Lufthansa
Bike Transport
Bike für die Anreise in eine Radtasche oder in einem stabilen Bike Karton packen. Rad muss bei der Airline zum Transport angemeldet werden!
Was man nicht verpassen sollte:
- Den Marktplatz in Marrakech
- Die spektakuläre Landschaft des Atlasgebirges
- Die Märkte in den Bergdörfern
- Die Gastfreundlichkeit der Berber
Mitnehmen auf Tour
- Immer den Ausweis, Geld und ein Handy einstecken!
- Immer 2 Ersatzschläuche & Pumpe dabei haben!
- Erste-Hilfe-Set im Rucksack
- Mit neuen Bremsbelägen und Reifen mit stabiler Karkasse anreisen!
- Regenjacke dabei haben
- Minimum 1,5 Liter Wasser mitnehmen!
Tourenveranstalter & Booking Infos
MTB Guides Andreas Tonelli & Daniel Schäfer in Zusammenarbeit mit Triberg Bike Reisen / Maroc Nature
MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator der Fotostory. Der Bericht wurde uns von Julia Hofmann zur Verfügung gestellt. Für weitere Informationen zum Angebot findet ihr den Link zum Anbieter im Artikel.
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