Die luftige Höhe in den Pyrenäen hat einmal mehr für hochinteressante Rennen mit einigen nicht ganz zu erwartenden Rennverläufen gesorgt. Während die Niederländerin Anne Terpstra bei den Damen für einen echten Überraschungscoup sorgte, gelang Nino Schurter die Revanche nach zwei Weltcuprennen ohne Sieg. Großes Highlight aus deutscher Sicht: Ronja Eibl sicherte sich ihren ersten Sieg in der U23-Kategorie und auch Max Brandl präsentierte sich als Fünfter der männlichen U23-Klasse in starker Verfassung. Alle Highlights der Rennen vom Sonntag gibt es hier in der großen Fotostory.
=> Alle Ergebnisse des Rennens findet ihr in diesem Artikel.
Damen – Terpstra taktisch & physisch überlegen
Etwas ungläubig blickte Anne Terpstra beim Siegerinterview in die Kamera – die Tatsache, dass bisher noch keiner anderen Frau aus ihrem Heimatland ein Weltcupsieg gelungen war, schien sie doch etwas zu überraschen. Obwohl die Niederländerin bei den meisten Beobachtern im Vorfeld des Rennens von Andorra nicht ganz oben auf dem Zettel stand, musste man durchaus damit rechnen, dass sie erneut weit vorne mitfahren würde. Nach einer Verletzung im Frühjahr 2018 konnte sich die Fahrerin des Ghost Factory Teams bereits im Vorjahr immer weiter an die Weltspitze herankämpfen. Diesen Aufwärtstrend setzte sie nun in dieser Saison fort und konnte sich bereits bei den Rennen in Albstadt und Nove Mesto als Fünft- und Siebtplatzierte erfolgreich in Szene setzen. Nun folgte die absolute Krönung mit dem ersten Weltcupsieg ihrer Karriere in der Höhe von Andorra.
Von Beginn an hatte die Niederländerin die Kontrolle über das Renngeschehen. Nachdem zunächst die Französin Pauline Ferrand-Prevot die Initiative ergriff, war es schließlich Terpstra, die eine lange Solofahrt startete. Doch von hinten drohte Ungemach: Die Europameisterin Jolanda Neff machte nach einem schwachen Start mächtig Boden gut und rückte immer näher an Terpstra heran. In der vorletzten Runde schloss die Eidgenossin auf und vieles deutete darauf hin, dass Neff unmittelbar an der Niederländerin vorbeiziehen würde und ihrerseits den Weltcupsieg einfahren könnte.
Doch mit taktischer Finesse hielt Terpstra entgegen und nutzte einen langezogen Wiesenanstieg für die entscheidende Attacke. Scheinbar mühelos ließ sie Neff zurück und brachte auf kurzer Strecke mehr als 10 Sekunden zwischen sich und die Europameisterin. Diesen Vorsprung gab Terpstra dann auch nicht mehr ab und siegte letztlich souverän vor Jolanda Neff.
Um den dritten Rang kämpften in der letzten Runde des Damenrennens ganze vier Fahrerinnen, die innerhalb von 17 Sekunden das Ziel erreichten. Die überraschend starke Mexikanerin Daniela Campuzano hielt sich lange Zeit auf dem dritten Rang auf, ehe in der letzten Runde noch die stark aufkommende Yana Belomoina sich an ihr vorbei schob und den dritten Rang sicherte. Nichtsdestotrotz sorgte Campuzano als Viertplatzierte für das erste mexikanische Podium in der Mountainbike-Weltcup-Historie. Nicht weniger überraschend war der fünfte Rang von Jenny Rissveds. Die Olympiasiegerin von Rio de Janeiro 2016 verschwand nach ihrem Triumph lange Zeit von der Bildfläche und kehrte erst in dieser Saison wieder in den Weltcupzirkus zurück. Nur wenige Meter hinter ihr ärgerte sich die Belgierin Githa Michiels über die verpasste Möglichkeit das erweiterte Podium zu erklimmen.
Beste deutsche Fahrerin war in Vallnord abermals Elisabeth Brandau. Die deutsche Meisterin kämpfte sich nach einem schwachen Start stetig nach vorne. Von Platz 28 nach der ersten Runde arbeitete sich die Schönaicherin mit starken Rundenzeiten in die erweiterte Spitze und landete letztlich auf dem zehnten Rang. Adelheid Morath belegte als zweitbeste Deutsche den 31. Platz.
Fotostory Damen
Herren – Schurter mit unbändigem Willen zum Sieg
Der Verzicht des Gesamtweltcupführenden Mathieu van der Poel auf das Rennen in Vallnord eröffnete vielen Fahrern die Chance sich beim dritten Lauf des Weltcups ins Rampenlich zu fahren. Bereits im Short Track gelang dies dem Brasilianer Henrique Avancini, der auch im Cross-Country-Rennen direkt am Start dort weitermachte, wo er zwei Tage zuvor aufhörte. Früh setzte er die Konkurrenz unter Druck, woraufhin zunächst kein Fahrer folgen konnte. Auch nicht Nino Schurter, den aber zudem ein Sturz in einer technischen Abfahrt aus dem Konzept brachte und bis auf den zwölften Rang zurück spült.
Schließlich ist es der Tscheche Ondrej Cink, der im Verfolgerfeld die Initiative ergreift und den führenden Marathon-Weltmeister jagt. Und das sehr erfolgreich – bereits am Ende der zweiten von sieben zu fahrenden Runden kann Cink zu Avancini aufschließen und diesen letztlich auch distanzieren. Scheinbar unaufhaltsam jagt der Tscheche dem Ziel entgegen und kann zwischenzeitlich 35 Sekunden Vorsprung auf die nächsten Verfolger herausfahren. Doch urplötzlich kommt der Motor von Cink zum Stottern: Herzprobleme zwingen ihn zunächst das Tempo zu drosseln und letztlich sogar in der Verpflegungszone anzuhalten – der Weg war damit frei für die Verfolger, den Sieg unter sich auszumachen.
Dies waren letztlich Henrique Avancini und die beiden Eidgenossen Nino Schurter und Mathias Flückiger. Während Schurter sich nach seinem Sturz zu Beginn des Rennens schnell erholen konnte und sich direkt in der Verfolgungsgruppe hinter dem Führenden Cink befand, musste sich Mathias Flückiger erst vorarbeiten. Der Sieger des Rennens aus Albstadt erwischte einen denkbar schlechten Start und steckte zunächst etwas im Verkehr der Konkurrenz fest. Mit zwei Rundenbestzeiten in der zweiten und dritten Runde gelang ihm schließlich der Anschluss an Schurter und Avancini.
Bis in die letzte Runde hinein blieb das Trio mehr oder weniger zusammen. Insbesondere Avancini hatte immer wieder Mühe dem Tempodiktat der beiden Eidgenossen zu folgen, doch stets biss sich der Brasilianer wieder heran. Eine explosive Attacke vom Weltmeister Schurter war dann letztlich zu viel für Avancini – Flückiger konnte hingegen folgen und setzte seinerseits Schurter wieder unter Druck. Immer wieder duellierten sich die Beiden um die besseren Position vor den technischen Abfahrten. Erst kurz vor dem Schluss gelang schließlich Schurter das entscheidende Manöver, das Flückiger derart ins Hintertreffen brachte, dass dieser auf der Zielgeraden keine Chance mehr hatte einzugreifen.
Platz drei ging an Henrique Avancini, der auch nach der Attacke von Schurter nie aufgab und zwischenzeitlich den beiden Führenden nochmals beträchtlich nahekam. Vierter wurde der Vorjahressieger Gerhard Kerschbaumer aus Italien vor Jordan Sarrou aus Frankreich. Ebenso überraschend wie bei den Damen: Der Mexikane Jose Gerardo Ulloa Arevalo belegte nur sieben Sekunden hinter Sarrou den sechsten Rang.
Manuel Fumic landete als bestplatziertester deutscher Fahrer auf dem 28. Rang und konnte durchaus eine aufsteigende Tendenz der Formkurve feststellen. Nach dem vierten Rang bei den deutschen Meisterschaften in Wombach vor zwei Wochen konnte sich der Kirchheimer mit zwischenzeitlichen Rundenzeiten unter den schnellsten 20 Fahrern wieder etwas stärker präsentieren. Ein Sturz in der ersten Runde verhinderte womöglich eine noch bessere Platzierung des ehemaligen deutschen Meisters. Zweitbester Deutscher wurde Markus Schulte-Lünzum auf dem 38. Rang. Georg Egger hielt sich lange in der Nähe von Manuel Fumic auf, ehe ein Defekt in der letzten Runde den Fahrer des Lexware-Teams noch weit zurückwarf – Platz 51 stand letztlich für ihn zu Buche. Ben Zwiehoff beendete das Rennen aufgrund von Atemproblemen vorzeitig.
Fotostory Herren
U23-Damen – Eibl unaufhaltsam zum ersten Weltcupsieg
Mit einer eindrucksvollen Vorstellung hat Ronja Eibl ihren ersten Weltcuperfolg unter Dach und Fach gebracht. Nach zwei zweiten Plätzen bei den Rennen in Albstadt und Nove Mesto galt die deutsche Meisterin auf der steilen Strecke in Vallnord allemal als Favoritin auf den Sieg. Dass sie schließlich derart überlegen gewinnt hatte wohl niemand im Vorfeld so vermutet. Zu Beginn des Rennens der U23-Damen formierte sich eine fünf Fahrerinnen umfassende Spitzengruppe um die spätere Siegerin Eibl. Zwischenzeitlich setzten sich kurzzeitig die Siegerin des Rennens aus Albstadt, Laura Stigger, und die Britin Evie Richards je allein an der Spitze ab, doch Eibl gelang stets wieder der Anschluss.
Immer weiter verkleinerte sich die Spitzengruppe ehe zwei Runden vor Schluss nur noch Eibl und Richards an der Spitze verblieben. Und auch dies blieb nicht lange so, eine Tempoverschärfung der Deutschen zwingt schließlich auch Richards zur Kapitulation, woraufhin Eibl ihren Vorsprung rasant ausbauen kann. Fast eine Minute bringt sie schließlich auf den verbliebenen eineinhalb Runden zwischen sich und Richards und sichert sich ihren ersten Weltcupsieg.
Die Viertplatzierte des Weltcupauftakts in Albstadt, Nina Benz, belegte nach einem konstanten Rennen den achten Platz. Der Laichingerin war am Tag vor dem Rennen der Rahmen zu Bruch gegangen, woraufhin sie mit Fremdmaterial vom jb Brunex Felt Team an den Start gehen musste. Antonia Daubermann verpasste als Elftplatzierte die besten 10 Fahrerinnen nur knapp.
Fotostory U23-Damen
U23-Herren – Dascalu klettert am Schnellsten
Das Rennen der U23-Herren in Vallnord bestimmen vier Fahrer aus vier unterschiedlichen Nationen. Allen voran der spätere Sieger Vlad Dascalu aus Rumänien, der gemeinsam mit dem Kanadier Sean Fincham, dem Spanier Jofre Cullel Estape und dem Schweizer Filippo Colombo früh der weiteren Konkurrenz enteilen konnte. Auch unser Blogger Max Brandl ist nicht in der Lage, beziehungsweise will bewusst, dem hohen Anfangstempo nicht folgen. Taktisch klug hält er sich anfangs etwas zurück und liegt lange Zeit etwa an Position 10. Erst in der zweiten Rennhälfte dreht der deutsche Elite-Meister richtig auf und fährt mit einer famosen letzten Runde noch auf den fünften Rang vor.
An der Spitze können sich zunächst Dascalu und Cullel Estape in der vorletzten Runde von ihren beiden Begleitern lösen ehe der Rumäne in der letzten Runde nochmals eine Schippe drauflegen kann und sich nach dem Triumph in Nove Mesto den zweiten Sieg in Serie sicherte.
David List landete als zweitbester deutscher Fahrer auf dem 19. Rang und fuhr damit zum ersten Mal unter die besten 20 Fahrer im Weltcup. Dicht dahinter folgte Moritz Schäb auf dem 22. Rang.
Fotostory U23-Herren
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