Gehirnerschütterungen sind ein großes Thema im Mountainbike-Sport und werden glücklicherweise auch vermehrt als ein solches wahrgenommen. Das haben auch drei Studenten der Hochschule Stralsund erkannt und das Projekt Accist Technology ins Leben gerufen. Erstes Produkt soll ein Sensor sein, der bei Stürzen gefährliche Belastungen für den Kopf aufzeichnet und über ein kleines Display Warnungen und Empfehlungen ausgibt.

Dass Gehirnerschütterungen prinzipiell gefährlich sind, ist nichts Neues. Dennoch werden sie viel zu oft nicht erkannt oder nicht ausreichend ernsthaft behandelt – selbst im Profi-Sport. So erlitt Myriam Nicole zwar kurz vor dem Downhill World Cup-Finale in Lourdes Anfang der Saison eine Gehirnerschütterung, ging allerdings trotzdem an den Start. Später musste die Französin dann bekannt geben, wochenlang unter massiven Nachwirkungen gelitten zu haben (UCI-Richtlinien nutzlos?: Nicole und Seagrave erleiden Gehirnerschütterungen). Ihre Konkurrentin Tahnée Seagrave befindet sich nach einem Sturz auf den Kopf weiterhin in Behandlung, Kade Edwards musste deshalb auf den Start in Lenzerheide verzichten, Ex-Weltmeister Reece Wilson warnt öffentlich vor Kopfverletzungen und pausiert aktuell ebenfalls seine Saison und Ex-Fourcross-Weltmeisterin Anneke Beerten wird nach einem Autounfall mit Gehirnerschütterung wohl bleibende Schäden davontragen, ebenso wie die EWS-Racerin Lorraine Truong. Dies sind nur die bekanntesten einer ganzen Reihe aktueller Fälle im MTB-Profi-Sport.

Der Accist-Sensor soll nicht nur Schläge auf den Kopf aufzeichnen
# Der Accist-Sensor soll nicht nur Schläge auf den Kopf aufzeichnen - sie werden auch nach medizinischen Kriterien beurteilt. So soll das kleine Display in Serie konkrete Handelsempfehlungen darstellen.
Eine erste Version arbeitete noch mit verschieden farbigen LED-Lichtern
# Eine erste Version arbeitete noch mit verschieden farbigen LED-Lichtern - in Serie setzt man wohl auf das Display.

Die Dunkelziffer an unerkannten Fällen dürfte im Amateur-Bereich wesentlich höher ausfallen. Doch wenn die gefährlichen Auswirkungen von Stürzen auf den Kopf so bekannt sind – warum werden sie dann oft ignoriert? Ein Grund dürfte wohl sein, dass die Schäden erst mit Verzögerung einsetzen und häufig nicht so offensichtlich sind wie ein gebrochener Knochen. Die drei Studenten Maximilian Briz, Hannes Lüder und Valentin Müller-Judex wollen das nun ändern und haben dafür das Forschungsprojekt Accist Technology ins Leben gerufen. Ihre Lösung ist ein Sensor, der in den Helm integriert wird und den Fahrer über einen kleinen Bildschirm informiert, ob eine gefährliche Belastung für das Gehirn vorliegt.

Zu diesem Zweck wird ein 9-Achs-Beschleunigungssensor genutzt, der translatorische und rotatorische Beschleunigungen um sämtliche Raumachsen bestimmen kann – inklusive des Erdmagnetfelds. Somit lässt sich bestimmen, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit sich der Kopf bewegt. Über einen speziellen Algorithmus und medizinisch entwickelte Werte und Einflussfaktoren lässt sich dann ermitteln, wie gefährlich die Belastung für das Gehirn war. Ein Display am Helm gibt dann nicht nur die gemessenen und errechneten Werte aus, sondern auch konkrete Heilungsempfehlungen – zum Beispiel, ob man ruhen oder einen Arzt aufsuchen sollte. Zusätzlich soll es noch eine App geben, die zur Nutzung allerdings nicht zwingend nötig ist.

Der Sensor soll Beschleunigungen um sämtliche Raumachsen auswerten und so ein genaues Bild des Unfalls und der Auswirkungen liefern.
# Der Sensor soll Beschleunigungen um sämtliche Raumachsen auswerten und so ein genaues Bild des Unfalls und der Auswirkungen liefern.

Aktuell existiert nur der von uns fotografierte Prototyp – das finale Produkt wird sich optisch noch deutlich verändern. Statt des teuren Entwicklerboards soll ein kleiner Sensor von etwa der Größe eines 50-Cent-Stücks verbaut werden. Somit bieten nicht nur große Fullface-Helme, sondern auch Halbschalen-Helme mehr als genug Platz für den Accist-Sensor. Dieser könnte zwar außen angebracht werden, soll dem Entwickler-Trio zufolge jedoch am besten integriert werden. Der ideale Punkt dafür sei zudem im oberen Bereich des Helms, weshalb sich eine integrierte Lösung anbietet. Unterstützung bekommen die drei jungen Entwickler aktuell vom Land Mecklenburg-Vorpommern – und auch beim Entwickler-Wettbewerb Red Bull Basement haben sie es 2021 bis ins Finale geschafft. Dank der Unterstützung soll der Sensor bereits im kommenden Jahr in Produktion gehen.

Ähnliche Systeme gibt es bereits von Tocsen oder auch Specialized – deren Sensoren sollen allerdings Stürze im Allgemeinen feststellen und über eine App einen Notfallkontakt informieren. Das Accist Technology-System hingegen ist auf den Kopf spezialisiert und soll hier wesentlich genauere Werte aufzeichnen. In eine ähnliche Richtung geht das von Reece Wilson beworbene HIT Impact-System, das ohne Display auskommt, von außen am Helm befestigt wird und über eine App Informationen über Messwerte und Gefahren ausgibt.

Hast du schon einmal eine mögliche Gehirnerschütterung ignoriert? Würdest du in Zukunft auf einen Sensor hören?

Infos: Accist Technology
  1. benutzerbild

    Deleted 494764

    dabei seit 12/2015

    2.75G ist nix, die EN-Norm nennt 300G als Maximum, was aber viel zu viel ist. Gute Helme bleiben unter 100G, zu rotatorischen Beschleunigungen gibts bisher keine Grenzwerte nach Norm.

  2. benutzerbild

    zhenn

    dabei seit 03/2021

    Endlich eine Entwicklung in die richtige Richtung, auch wenn das Thema viel zu lange bagatellisiert wurde (siehe NFL und NHL). Eigentlich traurig, weil der Betroffene selbst merkt ohnehin meistens dass etwas nicht stimmt, nur gibts medizinisch keine eindeutige Nachweismethode zur Diagnose wie Bildgebung oder Tests. Solche messbaren Werte wie sie dieser Helm ermöglicht führen dann hoffentlich zu mehr Akzeptanz in der Zukunft.

  3. benutzerbild

    Sloop

    dabei seit 03/2015

    Werbung für etwas, wo wenn man es googelt man nicht einmal eine Homepage findet?

  4. benutzerbild

    Ale_Schmi

    dabei seit 02/2005

    Nicht alles und jeder hat von Anfang an das Kapital zur Verfügung eine Homepage zu erstellen. Ist das denn so wichtig, um eine Meinung zu dem Produkt zu bekommen?
    Verstehe ich gerade nicht.

    Die Idee ist klasse! Ich bin gespannt, wie das Teil nächstes Jahr ausschaut. Ob es eine integrierte Variante gibt und ob eine Nachrüstlösung angeboten wird.

  5. benutzerbild

    Gregor

    dabei seit 02/2017

    Werbung für etwas, wo wenn man es googelt man nicht einmal eine Homepage findet?
    Keine Werbung, einfach nur ein informativer Artikel über das Forschungsprojekt.

Was meinst du?

Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular:

Verpasse keine Neuheit – trag dich für den MTB-News-Newsletter ein!