Vom 05. – 07.09.2019 findet das Enduro2 in Davos statt. Vom Prinzip her ein gewöhnliches Endurorennen, doch mit einer kleinen Besonderheit: Man fährt immer zu zweit und die gemeinsame Zeit wird gewertet. Damit du dich darauf besser vorbereiten kannst, findest du hier die typischsten Probleme, die ein Teamrennen so mit sich bringen kann – samt möglichst einfachen Lösungen, versteht sich! Viel Vergnügen bei der Lektüre.
Rennen fahren macht Spaß. Rennen zusammen fahren macht doppelt soviel Spaß. Diese einfache Gleichung ist der Gedanke hinter den Enduro2-Rennen – und tatsächlich steckt ein Haufen Wahrheit darin. Wie in jedem sozialen Kontext ist es allerdings oftmals ein sehr schmaler Grat zwischen größter gemeinsamer Euphorie auf der einen Seite und auf der anderen Seite dem Wunsch, dem Teampartner am Ende einer Stage direkt durch den Fullface-Helm eins aufs Maul hauen oder gar die Facebook-Freundschaft kündigen zu wollen.
Damit aber tatsächlich die Freude überwiegt, findest du hier ein paar Lösungsvorschläge für ein paar ganz typische (Renn-)Pärchenprobleme. Jetzt fragst du dich vielleicht, was mich dafür qualifiziert, denn ich bin weder Dr. Sommer noch bin ich krasser Bikeprofi. Aber immerhin habe ich schon so manchen Teamwettkampf bestritten, darunter ein Sieg und ein dritter Platz mit meinem damaligen Partner Daniel Eiermann beim Enduro2 in Les Arcs. Drum maße ich mir dreist an, über ein paar typische Probleme Bescheid zu wissen. Zwecks einer etwas besseren Lesbarkeit und da ich tatsächlich noch nie mit einer Dame zusammen gestartet bin, ist im Folgenden immer vom „Teampartner“ die Rede.
Übrigens: Der ein oder andere Tipp kann sogar auch bei Einzelrennen hilfreich sein. Oder beim gemeinsamen Biken ohne Wettkampfcharakter. Oder auch gar nicht.
Problem 1: Ab Puls 198 reagiert mein Teampartner seltsam
Lasst uns gleich einmal mit einem recht häufig auftretenden Problem starten. Denn: Rennen stellen körperliche und psychische Extrembelastungen dar. Die Folge ist eine sehr hohe Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung. Dies bedeutet, dass Menschen auf einmal anders handeln, als sie es im Normalfall tun würden. Und somit auch häufig deutlich anders, als du es vielleicht von dieser Person gewohnt bist. Übrigens fließt dieses Problem in alle weiteren mit ein, deswegen jetzt besonders gut aufpassen!
Gut daran ist, dass die Lösung eigentlich recht einfach ist. Sie ist zudem wahrlich keine neue, bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnis und eigentlich mit gesundem Menschenverstand völlig logisch: Lernt euch einfach bestmöglich kennen. Verbringt Zeit auf dem Rad miteinander. Und gerne auch abseits davon. Und noch wichtiger, da eine gute Vorbereitung ja bekanntermaßen die halbe Miete ist: Versucht, eben gerade die eher extremeren Belastungen schon einmal im Training durchzuspielen und lernt, wie der Partner reagiert. So weißt du im Idealfall relativ bald schon, woran du bist. Wie man das am besten macht, fragst du dich jetzt?
Entspanne, hier kommt die Lösung: „Gusto-Intervalle“
Diese Intervallvariante wurde von Dr. Daniel Eiermann und mir höchstpersönlich entwickelt und sorgt dafür, dass ihr zukünftig über alle weiteren Belastungen nur noch lachen könnt – empirische Datenerhebungen dazu reichen wir bald nach. Doch lasse dich nicht täuschen und verstehe das Gusto falsch. Auch ohne Zwinkersmiley ist dieses nämlich ironisch gemeint, denn so richtiger Genuss wird – vorerst – nicht auftreten. Also außer natürlich, du bist der Stärkere von euch beiden und zudem noch etwas sadistisch veranlagt.
Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Fahre dich mit deinem Teampartner 10 bis 30 Minuten warm. Dann geht es ab. Immer einer von euch beiden bestimmt die Strecke und das Tempo, darf aber seine Intervall-Einheit nicht verraten. Der Hintermann muss immer am Hinterrad bleiben. Keine Ausnahme. Werden es 30 Sekunden Vollgas? Oder doch eher sechs Minuten EB? Man weiß es nicht. Tendenziell ist es aber immer so, dass man sein eigenes Gusto-Intervall eher so auslegt, dass man die Schwäche des anderen erwischt.
So wird man gezwungen, an seinen unangenehmen Bereichen zu arbeiten und die Laktattoleranz steigt ins Unermessliche. Besonderes Schmankerl: statische Skihocke dazwischen einbauen oder andere Aufgaben wie etwa Fahrtechnikeinheiten. Danach darf natürlich der andere bestimmen. Die Anzahl ist je nach Gusto variabel. Es gilt: Viele Intervalle gleich viel Gusto.
Eure Form wird es euch danken und wenn ihr beide dieses Prozedere überlebt, ohne euch an die Gurgel zu gehen, werdet ihr das Rennen genießen können! Pro-Tipp: Das Ganze ist auch mit noch mehr Leuten sehr lustig. Aber so spaßig Gusto-Intervalle auch sind, durch das „Last Man Standing-Prinzip“ handelt es sich um hochintensive Rennsimulationen. Folglich solltet ihr dabei nicht übertreiben, unbedingt gesund sein, ausreichend Regeneration einplanen und immer auf euren Körper hören. Je ähnlicher euer Niveau dabei ist und je besser ihr euch kennt, desto anstrengender und spaßiger wird die ganze Chose.
Lange Rede, kurze Lösung des Problems:
Lerne deinen Partner möglichst gut kennen und geh‘ das ganze Rennen entspannt an. Und trainiere Gusto-Intervalle!
Problem 2: Einer von euch beiden ist bergauf deutlich stärker
Vermutlich wird einer von euch beiden der Stärkere bergauf sein. Bei mir war das übrigens immer der Daniel. Ich bin zwar einigermaßen fit, allerdings nie auf einem Niveau, wie es mein Partner war. Sehr zu meinem Leidwesen. Aber gut für meine Form: Allein das Wissen um die eigene Schwäche motiviert einen im Vornherein, doch das ein oder andere mal richtig reinzutappen und sich eben mehr anzustrengen, da man ja nicht zu sehr hinterher hängen mag. Passe also dein Training an und trainiere deine Schwächen.
Vermutlich wird der Schwächere nicht auf das selbe Level kommen. Trotz Gusto-Intervallen. Gut beim Enduro ist, dass sich die wirklichen, gewerteten Gegenanstiege ja in Grenzen halten. Als Schwächerer neigt man dann aber oftmals dazu, in die Anstiege zu schnell hineinzufahren, man mag es dem Partner ja recht machen. So verschießt man sich dann aber komplett. Hier ist also der mit der größeren Lunge gefordert, den Partner etwas einzubremsen. Je besser ihr euch hier kennt, desto besser könnt ihr auch den Speed einschätzen.
Lassen es die Strecke und die Schenkel zu, schiebt der Stärkere den Schwächeren. Keine Zeit für Ego-Probleme, ihr seid auf einer gewerteten Stage! Im Fall, dass der stärkere Bergauffahrer bergab allerdings Mankos hat, kann man natürlich auch berghoch etwas Zeit gut machen und mit Vorsprung in die Abfahrt gehen. Jedoch Vorsicht: Fahrt nicht mehr als ca. zehn Sekunden heraus. Wer weiß, was auf der Abfahrt passiert.
Hilfreich ist übrigens auch, wenn ihr – vor und während dem Event!– miteinander sprecht. Was wollt ihr eigentlich erreichen beim Rennen? Wenn der eine gewinnen möchte, der andere nur irgendwie ins Ziel kommen möchte, ist das eher schlecht. Kommuniziert folglich miteinander und macht einen Zielabgleich. Im Idealfall wollen übrigens beide einfach eine geile Zeit zusammen auf dem Rad erleben. Dann fahrt ihr am schnellsten und könnt alles mitnehmen, was ein solches Rennen so bietet.
Auch hier gibt es also ganz pragmatische Lösungen: Training, Kommunikation und Schieben.
Problem 3: Einer von euch beiden ist bergab deutlich stärker
Was bergauf passieren kann, ist natürlich auch bergab möglich. Einer von euch ist bergab schneller. Was also tun?
In der Vorbereitung könnt und solltet ihr natürlich wieder an euren Schwächen trainieren. Besonders wirksam: Der bessere wirkt als Lehrer, gibt Übungen vor, korrigiert, filmt, macht Fotos und gibt Tipps. So könnt ihr gezielt an Schwächen arbeiten und habt im Idealfall stets eine Korrektur von bei euch eingespielten, jedoch falschen Bewegungsmustern. Sich selbst auf Fotos oder Videos zu sehen hilft übrigens häufig enorm, um eingeschliffene Fehlerbilder zu erkennen und im Idealfall auch wieder abschalten zu können.
Manche Rennen bieten die Möglichkeit, unterschiedlich zu starten, bzw. geben einen Rahmen vor, in dem gestartet werden muss. Unser Tipp: Lasst den Langsameren zuerst starten. Der Stärkere startet dann mit 5 bis 15 Sekunden Abstand. Nicht mehr! Er fährt dann seinem Teampartner auf, überholt, sobald sich die Möglichkeit ergibt und kann dann die Linien vorfahren. Dies kann man auch hervorragend trainieren.
Apropos Training: Fahrt viel bergab mit rennähnlichem Tempo. Wie harmoniert ihr am besten? Probiert das auch auf unbekannten Trails. Viele Stages im Rennen werden auf Sicht gefahren. Macht Kommandos aus, die ihr euch gebt. Diese sollten möglichst simpel sein.
„Werter Max, in den nächsten 32 bis 34 Metern solltest du deinen geliebten Drahtesel nach rechts steuern, auf Grund einer recht massiven Vertiefung im Erdreich, gelegen auf linken Seite.“ etwa wäre falsch. Besser: „RECHTS“ oder auch gegebenenfalls noch „RECHTS, ALTER!„. Auch das Einfügen von kurzen, aber deftigen Kraftausdrücken ist noch genehmigt. Es empfiehlt sich übrigens, vorher genau auszumachen, was welche Ansage heißt. Bei uns sinnvoll: Eine Richtung zu rufen heißt, auch dorthin zufahren. Bei Kurven gibt es zwei Kommandos: „Inside!“ und „Außen!“
Im Falle eines Sturzes des vorne Fahrenden empfiehlt es sich, lauthals zu fluchen und mit ausladender Gestik den anderen auf die bessere Linie hinzuweisen. Wichtig: Ein kurzes „Ok!“ ist das Signal dafür, dass der Partner überholt und entspannt weiter rollt, bis der Unglücksrabe wieder am Hinterrad ist. Brüllt der Verunglückte „Stopp!„, sollte man anhalten. Auch ein „Halt!“ solle die selbe Wirkung haben. Das gilt übrigens auch für den Fall, dass der Hintere stürzt. Laut schreien – im Eifer des Gefechts und mit Fullface hört man manchmal nicht ganz so gut. Hilfreich ist, wenn der Vorfahrer regelmäßig einen Statusbericht einfordert und sich bei Gelegenheit immer wieder kurz umdreht und versichert, ob der Hintermann noch da ist.
Dann kommt jetzt noch ein Geheimtipp: Bejubelt euch gegenseitig. Lasst den Glückgefühlen, die euch Blindracing bescheren kann, freien Lauf. Jauchzet und jubelt! Beglückwünscht euren Partner für seine geile Linienwahl oder andere besonders geglückte Manöver. Dies zaubert euch ein Lächeln auf die Lippen, glaubt mir!
Wir kommen folglich zur Lösung: Trainiert zusammen, sprecht euch ab und genießt jeden Meter der Abfahrt.
Problem 4: Einer von euch beiden fährt ständig Defekte
Während Defekte schon im Training oder in normalen Einzelstartrennen dermaßen ätzend sind, ist dies im Teamrennen noch gravierender. Denn dein kaputtes Rad wird im blödesten Fall euch beide das ganze Rennen kosten. Schaut also schon vor dem Rennen, dass eure Schüssel in einem möglichst einwandfreien Zustand ist. Wichtig: Keine Kompromisse, besonders nicht bei der Reifenwahl. Verbaut bei einem Event, das so bergablastig wie etwa das Enduro2 in Davos ist, zumindest hinten eine richtig fette Karkasse. Mein Tipp: DH-Reifen hinten Tubeless, und ihr seid quasi pannensicher. Reifeninserts sind auch einen Gedanken wert, ich selber fahre ohne.
Zweitnervigster Defekt sind heruntergefallene Ketten. Was hilft? Ein möglichst neues Narrow-Wide-Kettenblatt samt Kettenführung. Ebenfalls noch kontrollieren sollte man seine Bremsbeläge. Alle restlichen Schrauben vor Start vielleicht mal noch einmal anziehen. Ansonsten muss man ja nicht so viel machen. Wichtiger sind dann die Skills, mit hohem Puls, zittrigen Händen und unter Argusaugen des Partners während die Zeit läuft einen Defekt zu reparieren. Schwer zu üben, einfach möglichst ruhig bleiben.
Lösung: Keine Kompromisse beim Material. Gewicht ist egal, es geht um Halbtbarkeit. Greift auf Bewährtes zurück.
Problem 5: Einer packt falsch
Enduro-Rennen bedeuten oftmals sehr lange Tage auf dem Rad. Zudem finden diese Rennen meistens draußen in der Natur statt. Dies bringt so die ein oder andere Situation mit, die man sich beim Losfahren so vielleicht noch nicht vorgestellt hätte. Zum Beispiel bekommt man Hunger. Oder das Wetter verändert sich. Oder man fährt trotz seiner dicken Reifen einen Platten. Oder, oder, oder …
Lange Rede, kurzer Sinn: Der Rucksackinhalt will wohl durchdacht werden. Ja, ich weiß, der heutige Endurofahrer klemmt sich seine Banane in die Speichen, taped Pumpe und Schlauch an den Rahmen und steckt sein Multitool sonst wo rein. Das sind dann aber immer die Kollegen, die nichts mehr zu Essen haben, da die Schwerkraft ihre Banane ins Weltall geschossen hat und die dich um Ersatzmaterial anschnorren, weil sie ihr Kettenschloss nicht mehr finden, das sie in irgendeine Rahmenöffnung gesteckt haben.
Folglich sollte zumindest einer von euch beiden einen Rucksack mitnehmen. Sprecht euch ab. Wichtig sind meiner Meinung nach immer folgende Ersatzteile/Gegenstände: Minitool, Schlauch, Pumpe, Tubelesswürste, Kabelbinder, etwas Tape und evtl. ein Leatherman. Dünne Regenjacke. Riegel und Gels. Ein Packung Tempos, um die Brille bei Nässe reinigen zu können, schadet ebenfalls nicht. Mehr braucht ihr – im Idealfall – nicht.
Lösung: Erkundigt euch, was euch erwartet. Besprecht, was ihr an Ersatzteilen/Klamotten braucht. Vorsicht: Haben ist besser als Brauchen, aber 15 Kilo Gepäck mitschleppen ist auch schlecht.
Problem 6: Einer von euch beiden lässt im Lift seinen perfekt gepackten Rucksack runterfallen
Mangels Lift können wir euch das leider nicht bildlich darstellen. Stellt euch aber einen hohen Lift vor und einen lautlos hinabgleitenden Rucksack. Der dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, unten aufschlägt. Der Partner reagiert mit einem „Ups“.
Lösung: Kurz Kichern, dann muss die Pfeife alleine wieder runter fahren und den Rucksack holen. Gefälligst so schnell, dass es keine weitreichende Folgen hat. (Grüße gehen raus an den Daniel)
Problem 7: Einer von euch fährt im Gewitter gegen einen Baum und schlägt sich mehrere Zähne aus
Auch hier gibt es leider keine visualisierenden Bilder. Max weigerte sich, sich die Kauleiste für das Bild heraushauen zu lassen. Aber wie bei guten Horrorfilmen entsteht der größte Graus durch die pure Imagination.
Simple Lösung: Kein falscher Ehrgeiz. Bring den Kollegen ins Krankenhaus. Gilt auch bei allen anderen ernsteren Verletzungen. (Grüße gehen raus den Engländer)
Herzlichen Glückwunsch, dank dieser super Tipps, die man alle mit gesunden Menschenverstand ebenfalls hätte erschließen können, seid ihr nun bereit, das Enduro2 in Davos zu bestehen. Wir sehen uns dort!
Welche Probleme kennt ihr noch bei Teamrennen? Ergänzt in den Kommentaren.
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