Franziska Meyer berichtet von einem ganz besonderen Rennen, nämlich dem Enduro2 Les Arcs. Hier wird nämlich gleich im Doppelpack Rennen gefahren. Was man während des dreitägigen Events mit viel Liftunterstützung so erlebt, erfahrt ihr in ihrem Rennbericht!
Tag 1
7:30 Uhr: Guten Morgen, Bourg-Saint Maurice! Eigentlich sollten wir als Team mit der Startnummer 1 jetzt schon im Reisebus nach oben sitzen, aber … erstmal Frühstück! Auf dem Parkplatz der Standseilbahn haben sich noch viele andere Racer mit den Campern platziert und wir sind zum Glück nicht die Einzigen, die es bevorzugen, im zweiten statt direkt im ersten Heat zu starten.
Die erste Stage startet weit oben im Skigebiet und ist alles andere als ein lockeres Einrollen, aber wir wurde im Briefing eh schon gewarnt, dass es direkt zur Sache geht. Ein schmaler Wanderweg, 850 Tiefenmenter Downhill, Bewertung schwarz, also schwierig! Da wir beim Enduro2 sind, stehen mein Team-Kollege Gustav und ich nebeneinander an der Startlinie und warten auf das Startsignal. Wir sind seit ziemlich genau einem Jahr nicht mehr zusammen biken gegangen, von daher wird’s jetzt gleich besonders spannend, wer vorne fahren wird und ob der Speed zusammenpasst.
Los geht’s, viel Staub fliegt hoch von Gustavs Hinterrad und ich muss einfach mal vertrauen, dass die Linie passt. Leider rächt sich bald, dass wir morgens so getrödelt haben und die ersten Teams tauchen vor uns auf. In einer Mischung aus englisch-französisch-schwedisch verschaffen wir uns Gehör und sind bald vorbeigezogen. Man muss dazu sagen: Überholen beim Enduro2 ist gar nicht so einfach, denn man muss ja zu zweit jeweils zwei andere überholen. Trifft man auf der Stage auf mehrere Teams gleichzeitig, wird’s schon mal etwas unübersichtlich und man muss erstmal schauen, wo eigentlich der eigene Teampartner steckt.
Die nächste Sache beim Enduro2 ist, dass alle 14 Stages ohne Training gefahren werden und diese aufgrund der Länge nur mit wenig Tape versehen sind. Der Vorausfahrende sollte folglich also besser auch vorausschauend fahren, um keine Abzweigung zu verpassen. Wir kommen gut und ohne uns zu Verfahren durch die erste Stage durch und stehen nach kurzem Transfer auch schon an der zweiten. Diese ist, recht ungewöhnlich für das Rennen, mit ca. drei Minuten die mit Abstand kürzeste und so gibt’s auch keine Überholmanöver.
Nach dem Lunch-Stopp mit Pasta und Dessert aufgefüllt, folgt die Königsetappe für heute. Der Trail Jacksons verspricht die Kategorie Black+ mit knapp 1000 Tiefenmetern Downhill und einem schon angekündigten Ende, was die Bremsen zum Rauchen bringt … okay, dann mal los! Wir behalten unsere interne Teamreihenfolge bei und sprinten in einen Wanderweg mit Kurven und steilen Abschnitten, bevor wir zum Bremsen abkühlen kurz auf eine flache Wiese kommen. Zum Glück, denn dann folgt der steilste Abschnitt vom Weg. Genau hier fängt das Chaos an: mehrere Linien, mehrere Teams am Schieben oder Bremse abkühlen, viel Staub. Und plötzlich hat sich mein Teamkollege aus dem Staub gemacht und ist nicht mehr auffindbar. Ich entscheide mich für eine Harakiri-Linie zwischen zwei Teams durch, bleibe noch in einem Busch hängen und erspähe Gustav, der schon schaut, wo ich eigentlich abgeblieben bin. Wir holen noch den kurz vorher gestarteten Joschi ein und fahren im Dreierteam weiter. Am Ende von vielen engen, aber geilen Kurven durch den Wald mit ein paar „Shortcut“-Rufen und -Fahrten werden wir auf einer kleinen Straße ausgespuckt. Nun endlich können wir nach knapp 12 Minuten wildem Ritt die verkrampften Hände vom Lenker lösen.
Zur Entspannung steht als nächstes einer der relativ flachen Bikepark-Trails auf dem Programm. Da hier im Juli gerade erst Saisonstart ist, ist dieser auch gut in Schuss und hat keine Bremswellen.
Der Vorteil, wenn man hinten im Team fährt, ist, dass man etwas mehr Zeit hat, den Trail auszuspähen und so finde ich eine super Linie und überhole meinen Teamkollegen kurzerhand, während der noch in der Kurve steckt. Haha! Blöderweise findet er kurz darauf eine ähnliche Linie und ist wieder vorn. Mist! Der letzte Trail an diesem Tag lässt die Bremsen noch ein weiteres Mal glühen, während wir durch lange Kurven im Wald düsen. Am Ende sitzen die meisten der Teams noch auf der Wiese und diskutieren über die Stages. Fehlt eigentlich nur noch das Bier!
Tag 2
Nein, auch heute schaffen wir es wieder nicht in den ersten Heat. Unser Versuch ist wieder kläglich gescheitert. Es stehen drei Bikepark-Stages am Vormittag an und zwei recht unbekannte Wanderwege am Nachmittag. Während wir auf der ersten Stage sind, braut sich im Norden eine ziemlich bedrohliche schwarze Wolke zusammen und kurz nachdem wir aus dem Lift Richtung zweite Stage aussteigen, stoppt dieser auch schon und es fängt an zu donnern.
Aber was hilft es? Besser weiter unten beim Gewitter als oben am Berg! Also starten wir in die Stage und sind aus Angst vor dem Gewitter wahrscheinlich mindestens doppelt so schnell wie sonst. Leider wird das jedoch niemand erfahren, denn diese Stage und auch die folgende werden wegen des heftigen Gewitters gecancelt. Die meisten der anderen Teams haben das Gewitter etwas sinnvoller genutzt als wir und waren im Café.
Weiter geht es also mit Stage 10 und damit einem alpinen Singletrail, der gespickt ist mit Felspassagen, kleinen Bächen und Teams, die mit Ersterem nicht ganz so gut zurechtkommen. Insgesamt eine sehr schöne Stage, die weiter unten durch Wiesen, Alpenrosen und an einem See vorbeiführt und uns auch wieder über zehn Minuten lang gut auf Trab hält. Im Skiort Les Arcs 2000 gibt es im Woodbear Café Sandwiches und Getränke, bevor wir auf die längste Stage vom ganzen Rennen geschickt werden.
Ganze 16 Minuten Fahrzeit stehen am Ende dieser Stage auf dem Papier und sind für die meisten wohl auch die besten Minuten im ganzen Rennen. Der Trail ist an vielen Stellen frisch mit weichem Waldboden, einer Mischung aus Wurzeln und Steinen und einigen kniffligen Passagen. Der Anstieg in der Mitte lässt mich gleich mal blau anlaufen, was zum Glück bestimmt niemand sieht, mich jedoch dazu bringt, in der nächsten Kurve eine kleine Bodenprobe zu nehmen. Dadurch ausreichend aufgeweckt und erfrischt, läuft der letzte Teil vom Trail dafür nahezu perfekt. Auf dem Weg zurück zu den Autos nimmt unsere deutsch-schweizer-schwedische Reisegruppe gleich den nächsten Fluss zur Abkühlung mit, denn nach dem Gewitter hat es nicht besonders lange gedauert, um wieder an der 30 Grad-Marke zu kratzen. Leider verpassen wir wegen des kleinen Umwegs den Großteil der Bonusstage (das Barbecue) und bekommen nur noch die letzten Reste ab. Also liebe zukünftigen Teilnehmer, zu den wichtigen Anlässen immer pünktlich erscheinen! (Morgens allerdings ist das nicht ganz so wichtig.)
Tag 3
Endlich pünktlich um 7:30 Uhr am Shuttle … träume ich zumindest und dann war es plötzlich doch schon wieder 9 Uhr, aber wen interessiert das denn noch am letzten Tag?! Auf der vorletzten Stage steht dann plötzlich das zweitschnellste Team hinter uns (aha, sind halt auch nicht alle anderen pünktlich!) und mir schwant schon, dass wir jetzt mal die Überholten sein werden. Nach etwa der Hälfte der Stage höre ich dann auch hinter mir schon schnelle Reifen auf Schotter und warne Gustav noch fix, bevor gleich zwei Teams zum Überholen in einer engen Linkskurve ansetzen. Das Positive daran ist, dass wir dem schnelleren Team direkt hinterher können und schonmal die beste Linie sehen, bevor sie uns endgültig im Wald abhängen.
Als letzte Stage folgt jetzt noch die legendäre Black 8, ein steil gebauter Bikepark-Trail, den wir beide bestens kennen und auf dem wir es jetzt noch mal richtig laufen lassen können! Kurven, Sprünge, Wurzeln, verschiedene Linien: dieser Trail hat zum Schluss noch mal alles dabei und so kommen wir grinsend unten an der Straße an.
Zum Abschluss geht es noch einmal zur Charlys Factory, wo es neben der Siegerehrung auch verschiedenste Sorten Bier gibt, die das Warten auf die Ergebnisse etwas verkürzen. Am Ende hat es für uns für Platz 2 in der Mixed Klasse gereicht sowie Platz 21 im Gesamtklassement!
Fazit: Enduro2 Les Arcs
Das Enduro2 bietet für Enduro-Fans fast alles: Blind Racing, lange, anspruchsvolle Stages und eine coole Atmosphäre mit einem sehr internationalen Starterfeld. Man muss zwar manchmal etwas suchen, bis man den richtigen Weg findet und recht viele haben sich auch zwischendurch mal kurz verfahren, aber dafür bekommt man auch feinste Wanderwege und tausende Tiefenmeter geboten. Der Preis für das Rennen ist mit 200 € pro Person schon eher hochpreisig, dafür darf man aber auch (wie in unserem Fall) 1 Stunde und 46 Minuten auf Enduro-Stages verbringen und bekommt noch drei Mahlzeiten sowie sehr viel Liftunterstützung mit dazu.
Vom Anspruch ist das Rennen auf Grund der langen Stages und der fahrtechnischen Herausforderungen eher knackig. Jedoch herrscht eine super-entspannte Atmosphäre und es kümmert niemanden, wann genau man an der nächsten Stage ist. Falls es technische Probleme gibt, ist das Gravity Lab mit einem Bus mitten im Rennen anzutreffen und hilft, wo immer es etwas zu tun gibt.
Les Arcs ist im Winter ein riesiges Skigebiet und bietet im Sommer eine wahnsinnige Anzahl an Trails. Auch die umliegenden Gebiete (Pleney, La Thuile, Val d’Isere, Tigne, Meribel, Courchevel …) bieten Lifte und Trails, sodass es definitiv nicht langweilig wird, wenn man länger als nur für das Rennen bleibt.
Wer von euch sollte das Enduro2 unbedingt mitfahren oder war vielleicht sogar selbst schon am Start?
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