Bei der diesjährigen Eurobike Trendlounge ging es um 406 – als Laufradmaß besser bekannt unter 20″. Und dass es nicht nur BMX-Bikes und Kinderräder mit 20″ gibt, zeigte das Radkulturmagazin Fahrstil mit einer fantastischen Sammlung unterschiedlichster Bikes mit den kleinen Laufrädern – mit dabei sind Bonanza-Räder, das gute alte Mifa und sogar Wigald Bonings Roller. Wir haben die Räder fotografiert und mit den fahrstil-Zitaten der Stände versehen.
Die Eurobike-Trendlounge ist quasi fahrstils fünftes Themenheft im Jahr. Als begehbare Ausgabe versammelt sie etwa 20 Exponate unter einem Überbegriff und erzählt deren Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede. Eine geführte Tour durch die Sammlung und jazzige Lounge-Musik runden den Szeneabend auf der Weltleitmesse ab.
Innenlagerbauformen kommen und gehen, Achsmaße sind im steten Wandel und auch bei Rennrad und Mountainbike variieren Laufradgrößen und -breiten immer mehr. Bei Steuersätzen haben selbst Expert:innen den Überblick verloren. Die Sehnsucht nach Konstanten und Verlässlichkeit – einem echten Standard eben – ist groß. Und es gibt ihn: 406 – den meisten Radfahrenden bekannt unter „20 x 1,75 Zoll“, ist das universellste Laufrad- und Reifenmaß der Radwelt und deshalb ein wahrer „Hidden Champ“. Ohne 406 ist kein BMX, kein Klapprad, kein Kinderanhänger oder – ganz hipp und zeitgemäß – kaum ein Cargo-Bike denkbar. Diese Trendlounge wird eine Ode an diesen letzten, wahren, echten und wirklichen Standard im Bike-Biz!
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Bonanza-Rad
Das Fahrrad ist die effizienteste Form der Fortbewegung, die die Menschheit bisher ersonnen hat. Im krassen Kontrast dazu steht der Erfolg des Bonanza-Rades, das seine Blüte in den Siebzigern hatte: Es überzeugte die Teenie-Zielgruppe zwar gestalterisch, dürfte in Sachen Fahrdynamik und Alltagstauglichkeit hingegen die unfunktionellste Gattung der Radgeschichte sein. Da hilft es auch nichts, dass es auf 406-Laufrädern steht.
Mibo „Royal“
Diesen Roller aus tschechischer Fertigung bezeichnet sein Besitzer, Wigald Boning, als sein „wichtigstes zweirädriges Alltagsfahr- zeug“. Mit seinem „Royal“ fährt er bald sein drittes Kind in die Kita. Darum der Kindersitz samt Windschutzscheibe. Roller besitzt Boning einige, dazu nach eigener Einschätzung eine „veritable Rollermacke“. Letzteres steht außer Frage: Auf einem 16-Zöller fuhr er sogar über die Alpen.
Clydesdale Cargo Fork
Nachrüsten ist immer super! Aber wie lässt sich „Cargo“ an einem Fahrrad nachrüsten? Es muss was weichen, damit Laderaum entsteht. Wenn das Vorderrad schrumpft, öffnet sich dieser Raum, das sieht man an vielen Serien- Lastenrädern. Wenn man eine Crust-Gabel hat, funktioniert das an fast jedem Rad! Das 26- oder 28-Zoll-Rad wird einfach durch ein – man ahnt es fast – 406-Vorderrad ersetzt!
„Eerder Explorer“
Seit 2018 adaptiert Rahmenbauer Vincent van Eerd Brompton-Falträder auf 20-Zoll-Räder, Kettenschaltung und Scheibenbremsen. Der aktuelle Stand der Entwicklung geht bis Reifenbreite 2,6 Zoll. Der Faltmechanismus bleibt erhalten, das Faltmaß wächst um 14,8 und 4,5 cm. Kompletträder starten um 5.500 Euro. Das Orderbuch ist vorerst geschlossen.
Fararer
Einspur-Anhänger gibt es nur wenige, manche bieten extreme Geländegängigkeit. So auch der Farfarer, 2006 designt von Quentin Lindh, zeitgemäß modernisiert vom heutigen Anbieter Frances Cycles. Der Trailer wird in Kalifornien aus Tange-Rohren von Hand gelötet und erlaubt diverse Upgrades vom Fatbike-Laufrad bis zum Surfboard-Halter. Die Hängemattentasche macht ihn zum Komfort- Transporter für mittelgroße Hunde.
i:SY Speed
Martin Kuhlmeier hat in den Nullerjahren das i:SY-Kompaktrad entwickelt. Es kombinierte moderne 406-Laufräder mit Ballonreifen, eine darauf abgestimmte Geometrie, funktionelles Zubehör und „Haben-Wollen“-Design. So verhalf es dem Kompaktrad zu einer Renaissance. Im Juli 2009 wurden die ersten Räder mit E-Antrieb ausgeliefert; unser Exponat stammt aus dieser ersten Charge.
Cannondale Hooligan
Eines der legendärsten 20-Zoll-Räder war wohl das „Hooligan“ von Cannondale-Entwickler Chris Dodman. Der Name klingt martialisch, ähnlich rabaukig kamen die Serienräder rüber. Ihre Fahreigenschaften aber: frech, spritzig und agil. Dafür sorgt auch der großvolumige Delta-V- Rahmen. 2007 auf der Eurobike präsentiert, wurde es bis 2018 hergestellt. Zunächst mit einer Fatty- Gabel ausgestattet, war es ab 2010 auch mit (starrer) Lefty zu haben.
„20 Zoll Testrad“
Wollen kleinwüchsige Erwachsene (110–135 cm Körperhöhe) Fahrrad fahren, sind sie meist auf Custom-Lösungen angewiesen. Kinderräder erfüllen ihre ergonomischen Ansprüche nicht, die etwa der längere Torso stellt. Junik-HPV hat sich auf diese Thematik spezialisiert – dieses Rad ist ein Testrad, das zum Ermitteln individueller Maße dient.
US-Kinder-Cruiser
In den Sechzigern war noch nicht abzusehen, dass Cruiser einmal zu Klunkern und so als Urahnen des Mountainbikes in die Geschichte eingehen werden. Der Cruiser war damals „velophiler“ Ausdruck des US-amerikanischen Lebensgefühls, des technischen Aufbruchs. Das Heckflossen- oder „Düsenjäger“-Design geprägte diese Zeit. Übrigens: Die Tank- Attrappe beherbergte die Batterie für den Doppelscheinwerfer.
Mifa Modell 901
Das Mifa-Klapprad war das meistproduzierte Fahrrad der DDR. Rund 2,8 Millionen Stück wurden zwischen 1967 und 1990 gefertigt – kaum eines dürfte noch so original erhalten sein wie dieses Exponat. Typisch: linierte Alu- Bleche, Luftpumpe, Kettenschutz und Stempel- bremse. Nicht wenige der Räder wurden ihres Faltmechanismus beraubt, der als wenig zuverlässig galt.
„Kompakt-Tandem“
Das Rad soll handlich sein, sich gut fahren und transportieren lassen, zudem wartungsfrei ausgestattet, leicht und schick. Ein bisschen Motorunterstützung wäre auch noch ganz nett. Scheibenbremsen nicht zu vergessen und am besten für zwei Fahrende, deren Ergonomie sich unabhängig voneinander einstellen lässt. Klingt … unmöglich?
Thomas Bernds hat es im Angebot! Und es rollt – natürlich – auf 406-Laufrädern.
Falt-Boom-Bereiter
Das „Pfiffs“ war das erste deutsche Klapprad. Damit setzte es einen Trend, der in Qualität und Funktion jedoch echte Tiefpunkte generierte. Das Pfiffs wies noch echte Qualität bei Schutzblechen, Alu-Felgen, Lackierung und Verchromung auf. Auch bei den Laufrädern setzte es den Standard für Generationen: 406 Millimeter. Damit teilte es ein Schicksal mit seinen Nachkömmlingen. Erst in den 2000er-Jahren gab es auf breiter Front bezahlbare und vollwertige Reifen in diesem Maß.
Velocar/Velorizontal
Als Autoalternative und Sportgerät entwickelte der Franzose Charles Mochet schon während des Ersten Weltkriegs Liege- und Sesselräder. Sein Velocar wurde 1932 für wettkampfregelkonform erklärt, erzielte 1933 diverse Rekorde – und wurde 1934 durch die UCI verboten. Es geht die Legende: Wäre damals anders entschieden worden, hätte der Radsport der letzten 90 Jahre eine sehr andere Richtung genommen. Sohn Georges führte die Entwicklung weiter.
Vpace Moritz20
Echte Trail-Raketen für Kids ab vier sind noch eine Seltenheit. Oft klafft eine Kluft zwischen cooler Vollfederung, ihrer tatsächlichen Funktion und dem Gewicht. Anders beim Moritz 20: Der Eingelenker mit 100 mm Federweg kommt auf 9,5 kg. Möglich macht das auch die hohe Fertigungstiefe: Federgabel, Kurbel, Lenker und Laufräder kommen von VPace selbst.
ATB
Zwischen 1989 und 1992 produzierte die Firma Moulton insgesamt 361 „ATB“-Modelle. Das All-Terrain-Bike war nach Moultons Prinzip nicht nur zum Transport teilbar, sondern auch geländegängig, was es zu einem der ersten vollgefederten Serien-MTBs machte. 2022 tauchten bei Moulton noch vier Originale auf – und gingen für je rund 10.000 Euro über den Tisch.
Muli-Cycles GmbH Muskel
Auch Cargobike-Entwickler:innen greifen gerne zum 406-Vorderrad, weil es die Baulänge reduziert und eine größere Ladefläche ermöglicht. Muli-Cycles aus Köln ging das nicht weit genug: Kurzerhand verlegten sie das 406- Rad ans Heck, behielten aber das „Vorne- Klein“-Prinzip bei und kreierten so ein ultrakompaktes Lastenrad mit dem Flächenbedarf eines traditionellen Rads.
„Peg“
Auf der Suche nach einem reisetauglichen, aber vollwertigen Rennrad für sich selbst entwickelte der Belgier Stijn Deferm das Peg. Er entdeckte es aber auch und es lehrte ihn viel, sagt er. Der ehemalige Downhill- Champion und Industriedesigner (u. a. Riese und Müller Birdy II) befand das Peg 2018 als fertig entwickelt und bietet es als Road- und Singlespeed-Version an (ab ca. 1.200 Euro).
Gefedertes Kurzliegerad
Der Leipziger Liegeradpionier Paul Rinkowski (1915–1986) war ein echter Verfechter von 20-Zoll- Laufrädern. Er entwarf Renn- und Liegeradrahmen mit dieser Radgröße, Zwei-, Drei- und Vierräder, ein modulares Campingrad – und fertigte Radialreifen mit einzigartigem Rollwiderstand. All das unter dem irren Materialmangel der DDR. Luftwiderstand trachtete er mit Scheibenrädern und Aero-Pedalen beizukommen. Dies ist der letzte von ihm gebaute Prototyp. Zur Serie kam es nie. Es wird ab und zu noch gefahren.
Skyway Tuff Wheels
Das BMX-Rad war der Kindheitstraum der 1980er-Jahre. Filme wie „E.T.“ oder „BMX Bandits“ befeuerten ihren Erfolg. Wer etwas auf sich hielt, dessen Laufräder waren „aus Plastik“. Die „Tuff Wheels“ von Skyway waren das Must-Have der BMXer:innen schlechthin. Noch heute sind die Tuffs unter Sammlern begehrt. Gleiches gilt für das Trägerbike, ein GT „Performer“.
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