Jubelnd fuhr er über die Ziellinie in Izu – der äußerst sympathische Chilene Martin Vidaurre war mit seinem 16. Platz bei den Olympischen Spielen in Tokio sichtlich zufrieden. Dabei war der Weg dorthin für den 21-Jährigen gar nicht so einfach: Der U23-Fahrer, der für das deutsche Lexware Mountainbike Team in die Pedale tritt, musste sich nach einem starken Saisonauftakt mit einer Corona-Infektion herumplagen, landete bei seinem Weltcup-Debüt 2021 aber gleich auf dem Podest. Im Lexware-Blog beschreibt uns Martin seine aufregende Zeit zu Beginn des Jahres!
Anmerkung: Der Blog wurde vor den Olympischen Spielen verfasst. Martin Vidaurre wurde im Elite-Rennen in Tokio starker 16. Beim U23-Weltcup in Les Gets wurde der Chilene Zweiter.
Hallo, ich bin Martin Vidaurre, chilenischer Mountainbiker, der für das Lexware MTB Team fährt. Dieses Jahr begann mit vielen Unsicherheiten. In Chile war es nicht einfach zu trainieren. Ständig in Quarantäne und Mobilitätsbeschränkungen zwischen den Regionen machten die Saisonvorbereitungen zu einer echten Herausforderung.
Aufgrund der Reisebeschränkungen verbrachten wir mehrere Wochen in einem Höhenlager auf 2.750 Metern über dem Meer. Oben in den Bergen existierte Covid nicht, der Fokus lag voll auf dem Training. Mein erstes Rennen der Saison war in Puerto Rico, die Panamerikanische Meisterschaft. Alle Länder Amerikas trafen sich, außer Brasilien, das zu stark von Covid betroffen war. Ich schaffte es, die U23-Kategorie mit einem guten Vorsprung zu gewinnen und den Short Track in der Elite auf einem guten zweiten Platz zu beenden. Daraufhin kehrte ich nach Chile zurück, wieder zwei Wochen in die Höhe und dann ging es ab in den Flieger nach Europa.
Als ich ankam, holte mich mein Chef Daniel am Flughafen ab. Dan musste allerdings fünf Stunden in Frankfurt auf mich warten, da ich den Anschluss Flug von Barcelona nach Frankfurt verpasst hatte. Wir landeten zwar nicht zu spät, aber die ganzen Kontrollen waren zu knapp kalkuliert und mein Gepäck kam auch nicht hinterher. Schlussendlich hat aber alles geklappt und als ich dann final in Deutschland angekommen war, absolvierte ich meine 5-tägige Quarantäne. Sobald ich aus dieser entlassen wurde, konnte ich die gute Gesellschaft meiner Teamkollegen und Freunde bei einer coolen Radtour genießen.
Zwei Wochen später reiste ich dann nach Salzburg, genau genommen nach Thalgau, in das Redbull A.P.C. (Anm. d. Red.: Red Bull Athlete Performance Center). Hier absolvierte ich drei Tage intensive Tests für eine mögliche Patenschaft. In diesen Tagen habe ich viel gelernt und kann mich glücklich schätzen, eines der besten Hochleistungszentren kennengelernt haben zu dürfen. Ich kehrte mit ausgezeichneten Ergebnissen nach Deutschland zurück und tankte neue Energie auf.
Am selben Wochenende fiel in Heubach dann die Bundesliga aus und ich musste nach neuen Möglichkeiten suchen, um Rennen zu fahren und meinen körperlichen Motor auf die anstehenden Rennen einstellen zu können. Die beste Alternative war da der Swiss Cup in Leukerbad. Wir verbrachten kurz vor dem Rennen allerdings mehrere Tage mit der Abwägung, ob wir wegen des schlechten Wetters hinfahren würden oder nicht – bis wir uns entschlossen zu fahren, obwohl die Vorhersage nicht gut aussah. Ich brauchte Rennen und wollte zeigen, was ich aktuell drauf habe.
Bereits am Samstagabend vor dem Rennen, als wir in der Schweiz ankamen, ging ich mit leichten Kopfschmerzen ins Bett. Ich hatte es nicht so richtig ernst genommen und mich aufs Schlafen konzentriert. Am nächsten Morgen hielten die Schmerzen aber an und ließen nicht nach, sondern nahmen zu. Das Erste, was ich tat, war, mich direkt vom Team zu isolieren und immer eine Maske zu tragen. Ich verstand nicht, warum ich mich so schlecht fühlte, denn die Woche zuvor hatte ich auf mich aufgepasst wie ein Baby und war auch nicht zu viel in der Kälte gewesen. Zu glauben, dass ich Covid haben könnte, war in diesem Moment für mich vollkommen ausgeschlossen.
Doch dann ging ich trotzdem zu Daniel und fragte ihn, ob er mir einen Schnelltest und eine Kopfschmerztablette besorgen könnte. Ich nahm die Tablette und es ging auch gleich besser, also dachte ich, ich könnte auch noch beim Rennen mitmachen. Das Ergebnis des Schnelltests war dann allerdings positiv. Ich konnte es nicht glauben, ich wiederholte es mit einem anderen Test und das Ergebnis war wieder dasselbe – positiv! Zum Glück hatten wir alle Einzelzimmer und waren bislang auch getrennt unterwegs, sodass wir davon ausgehen konnten, dass ich der einzige Betroffene war.
Allein bin ich dann zurück nach Freiburg gefahren und musste bis zum Montag warten, um mit einem PCR-Test das Ergebnis bestätigen zu lassen. Am Montag war es dann allerdings recht schnell offiziell: Ich hatte Corona.
Ich war zwei Wochen allein in meiner Wohnung in Freiburg eingesperrt. Ich hatte Zeit zum Ausruhen, Planen, leicht trainieren und nichts tun. Nach zwei Wochen hatte ich die entsprechenden Auswertungen von der Klinik und sie gaben mir grünes Licht, um wieder normal ins Training zurückkehren zu können. Also haben wir mit Jorge, meinem Trainer, eine gute Grundlagenwoche geplant und Rennen gesucht, da ich in diesen zwei Quarantäne-Wochen die ersten beiden World Cups in Deutschland und Tschechien verpasst hatte. Mit meinen Freunden aus Chile, die sich zu dieser Zeit auch in Europa aufhielten, fuhren wir zu zwei C1- und einem C2-Rennen. Reisen mit den Chilenen ist immer lustig. Es gibt keine Pläne und Absprachen, es ist viel Improvisation und Gelächter.
Die Rennen fielen von den Ergebnissen her sehr gut aus und stimmten mich zuversichtlich, dass in meinem Körper keine Spuren des Virus mehr waren. Nach dem letzten C1-Rennen in Italien ging es direkt nach Leogang, wo die dritte Runde des Weltcups stattfand, aber für mich war es eben der erste dieses Jahr. Die Woche vor dem Rennen war sehr entspannt und ich hatte einige gute Trainingstagen. Ich traf mich wieder mit dem Lexware-Team und somit kehrte auch die gute Planung, die Ordnung, die deutschen Witze und das Gelächter zurück.
Es kam dann der Tag des Rennens und sobald ich mein Aufwärmprogramm startete, wusste ich, dass das ein großartiger Tag werden würde. Ich startete aus der zweiten Reihe, weshalb ich die ersten hektischen Meter von etwas weiter hinten erst mal beobachten konnte. Gleich in der ersten Runde konnte ich dann aber schon auf den zweiten Platz vorfahren und das ganze Rennen mit einem Rückstand von 6 bis 12 Sekunden hinter dem Führenden bleiben. Erstes Podium für mich in einem Weltcup!
Am Ende hatte ich es vorgezogen, den guten zweiten Platz zu sichern, als alles zu riskieren um möglicherweise noch nach vorne zu fahren. Die Freude im Team war spürbar, sodass ich sehr zufrieden war.
In diesen Sinne, bleibt gesund und bis bald!
Martin
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