Über die Vor- und Nachteile der Laufradgrößen 26″, 650B und 29″ wurde schon viel diskutiert. Der bayerische Hersteller Syntace gibt jetzt aktiv eine Empfehlung, welcher Durchmesser für wen der richtige sein könne. Die einfache These dabei: Rahmenlänge und Laufraddurchmesser müssen einfach zur Körpergröße passen.
Was man mit Rahmen schon seit langem macht, müsse auch beim Laufrad fortan geschehen: Großer Fahrer, großer Rahmen, große Räder – und bei kleinen Bikern umgekehrt. Dank inzwischen vier Laufradgrößen (da man schon länger auf ein 24″ Hinterrad an kleinen Rahmen setzt) könne man endlich in vernünftigen Schritten alle Biker zufrieden stellen.
# Scaled Sizing – zur richtigen Radgröße eine Empfehlung von Liteville
Doch damit nicht genug: Als Empfehlung gibt man nun auch aus, vorne ein größeres Laufrad als hinten zu fahren. Was schon seit geraumer Zeit als 69er oder 96er mit 29″ + 26″ Kombination eine Nischenanwendung gefunden hatte, wird dank 27,5″ breitentauglicher. Warum sollte man vorne ein größere Rad fahren als hinten? Darüber kann man lange diskutieren…
Über die Frage lässt sich vortrefflich diskutieren, Fakt ist aber: Während der Fahrer-Schwerpunkt das Vorderrad schiebt, zieht er das Hinterrad, was einen Unterschied rechtfertigen könnte. Mit einem größeren Vorderrad lassen sich nun (so weit bekannt) Hindernisse leichter überrollen, außerdem zählen eine bessere Spurführung und mehr Bremsreserven zu den Vorteilen. Bergab lässt sich nicht verleugnen, dass das Hinterrad später steigt, man also in steilem Gelände selbstbewusster hinter dem Lenker steht.
Am Hinderrad ist nun die Geschichte mit dem besseren Überrollverhalten gar nicht mehr so wichtig, was sich anschaulich mit einer Schubkarre illustrieren lässt, die man einmal die Bordsteinkante hoch schiebt und einmal hoch zieht. Stattdessen bereiten große Hinterräder den Rahmen-Herstellern Bauchschmerzen, schließlich muss das Rad beim Einfedern irgendwo hin – als Konsequenz wird das Heck sehr lang und das Fahrrad unhandlich. Ein kleineres Hinterrad sorgt zusätzlich für eine bergab komfortablere Position und dafür, dass sich das Vorderrad leichter anheben lässt – ein klarer Vorteil bei Hindernissen oder Sprüngen.
# Washington DC um 1910 – wann wohl diese Kombination ihr Comeback feiern wird? Fotograph und Fahrer unbekannt.
Welche Radgröße für welche Körpergröße?
Der Durchschnittsbiker sei 1,75m groß und fährt Rahmengröße M. Ihm empfiehlt man die Kombination aus 26″ hinten und 27,5″ vorne. Ein großer Biker mit 1,92m wäre genau 10% größer. Sollten jetzt auch seine Räder 10% größer sein, so ergäben sich die Laufradgrößen 28.6″ und 30.3″, was man mit 27,5″ hinten und 29″ vorne annähern könnte. Auch die Kettenstrebe wächst (wie bekannt, aber eigentlich unterproportional) von 430 auf 435mm an.
Das selbe lässt sich auch umgekehrt rechnen: Ein 10% kleinerer Fahrer wäre 1,57m groß, nach proportionaler Verkleinerung der Räder käme man auf 23,4″ und 24,8″, hier liegt man bereits seit längerem mit 24″ + 26″ recht nah dran. Bei der Kettenstrebe kommt man mit 405mm auf eine merkliche Kürzung.
Diese „Scaled Sizing“ genannte Größen-Angabe ist natürlich nur eine Empfehlung. „Das ist nur unsere Empfehlung!“
Zwar spricht der Flyer mehrmals von Perfektion („Rahmenlänge und Laufraddurchmesser endlich perfekt zu Ihrer Körpergröße“, doch schien den Liteville-Vertretern im Gespräch durchaus bewusst, dass es eben nicht nur auf die Körpergröße ankommt, sondern auch auf persönliche Vorlieben.
Das Argument, größere Vorderräder seien am Motorrad ja schon lange der Standard, lässt sich beim Mountainbike unserer Meinung nach nur bedingt rechtfertigen. Für Motorcrosser ist nämlich in höherem Maße der Beschleunigungswiderstand von Bedeutung: Ein größeres (und zusätzlich schwereres) Rad lässt sich schwieriger beschleunigen. Bei den am Fahrrad üblichen Gewichten und Beschleunigungen sind diese Effekte aber eher zu vernachlässigen.
Gibt es Argumente gegen die gemischte Bereifung? Ein Punkt, der schnell einfallen könnte, ist der der Ersatzteileversorung. Ja, man kann den Vorderreifen nicht hinten aufziehen, wie es einige Sparfüchse ganz gerne tun, um den Reifen bis zum bitteren Ende fahren zu können. In Zeiten von Radspezifischen Gummimischungen und Profilen ist das aber glaube ich zu verschmerzen. Muss man mehrere Schläuche im Gepäck haben?
Muss man nun mehrere Ersatzschläuche mit dabei haben? Nein, ein 26″ Schlauch lässt sich auch auf 650B und zur Not auch auf 29″ verbauen. Andersrum ist das schwieriger, aber da kann man sich ja vor der Tour Gedanken drüber machen. Wer bisher einen Laufradsatz mit identischen Speichen vorne und hinten, links und rechts hatte, wird nun mindestens doppelt so viele Ersatzspeichen mitnehmen wollen. Das war’s dann aber auch aus der Sicht der Teileverwendung.
Und die Optik? Die gute und zugleich schlechte Nachricht, je nach Geschmack: Weil das anders große Hinterrad immer dabei ist, fällt der Unterschied zwischen 26″ und 27,5″ endlich mal auf. Das ist nämlich sonst oft gar nicht mal so einfach…
Unsere Meinung:
Der Ansatz hat einige sehr richtige Aspekte: 1. Geometrie und Radgröße müssen zu einander passen. 2. Da die Geometrie zur Körpergröße passen muss, muss auch die Radgröße zur Körpergröße passen.
Nur nach der Körpergröße die Laufradgröße auszuwählen, ist jedoch eine starke Vereinfachung. Als Empfehlung für alle, die sich nicht allzu sehr einen Kopf machen wollen, ist diese Empfehlung daher eine Bereicherung. Dank sonst identischer Räder kann man das 301 ja auch tatsächlich in den unterschiedlichen Konfigurationen Probe fahren. Wichtig ist uns jedoch, darauf hinzuweisen, dass die Laufradgröße auch einfach zu persönlichen Vorlieben passen muss – und die stellen ganz gerne mal die Ausnahme zur Regel dar.
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