Gemeinsam mit den Mountainbike-Profis Daniel Gathof, Simon Gegenheimer und Rémi Laffont hat sich der Fotograf Don Ailinger mit seiner Kamera auf eine Fotodokumentation für das erste MTB-Etappen-Rennen in Jordanien überhaupt begeben. Im Rahmen der Arabian Epic Series verlief das viertägige Etappenrennen von der Hauptstadt Amman hinab zum Toten Meer und schließlich über den Mount Nebo, das Shobak Castle und die Felsenstadt Petra in die bekannte Sandsteinwüste Wadi-Rum. Alles mit dem Ziel die Region zu stärken, das Thema Mountainbike weiter in den Arabischen Raum zu bringen und natürlich auch um im Winterhalbjahr Mountainbike Renn-Action zu haben. Viel Spaß bei der Fotostory mit sehenswerten Eindrücken!
Die Sonne hatte trotz der frühen Morgenstunde schon ausreichend Kraft entwickelt, um das Klassenzimmer mitten in Amman zu einer Sauna zu machen. Der Lehrer zeichnete Parabeln an die Tafel – die Mitschüler blickten gelangweilt aus dem Fenster. Mohammed zückte unter dem Tisch sein Smartphone, wie so oft, wenn der Matheunterricht mal wieder zum Gähnen war. Doch sein regelwidriges Verhalten sollte dieses Mal weitreichende Folgen haben.
„Give me all your passports – i will take care of everything“
So wurden wir mit gebrochenem Englisch Monate später auf dem Flughafen der jordanischen Hauptstadt hektisch begrüßt. „Wait at the Baggage Claim, don’t get out alone – you hear me – don’t get out alone.“ Etwas ungläubig und aufgeregt bewegten wir uns zur Gepäckausgabe. Wir, das sind Daniel Gathof, Simon Geggenheimer, Remi Laffont, Chris Buchmaier, Nico Hansel und ich, Don Ailinger. Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe aus drei Mountainbike-Profis, einem Filmteam und einem Mann mit einem Rucksack voller Foto-Equipment. Doch tatsächlich, unser Begrüßungskomitee sollte sein Versprechen halten. Alle Bikes kamen in Windeseile aus der Sperrgepäck-Luke, der schwer bewaffnete Sicherheitsdienst wich anstandslos zur Seite und auch unsere Pässe sollten wieder den Weg zu uns finden – mit samt eines 7-tägigen Visums. „So läuft das hier also.“ stellte ich leicht amüsiert und schon etwas entspannter fest. Denn offen gesprochen wusste ich nicht wirklich, was mich in einem arabischen Land umgeben von Flüchtlingsdramen, Kriegsherden und politischen Machtspielen erwarten würde. „Wüste und Kamele vielleicht“.
Nach einer erholsamen Nacht im Hotel hieß es: Bikes montieren, Objektive wienern, Buffet leer räumen und ab in die Pickups. Es stand die Streckenbesichtigung des Prologs auf dem Programm. Der Prolog des ersten Mountainbike-Etappenrennens in Jordanien überhaupt – initiiert von Martin Bryan, Gründer der Arabian Epic Series und Sari Hussein, Inhaber des einzigen Mountainbike-Shops im Wüstenstaat. Mit rund 25 Teilnehmern ein spannendes, aber vor allem abwechslungsreiches Vorhaben, wie sich in den kommenden Tagen herausstellen würde. So konnten sich am ersten Tag Fahrer, Organisatoren und Media-Team auf die Umgebung einstellen. „Wald, Felsen und Lehmboden – so kann man sich irren“ dachte ich, von meinen Vorurteilen etwas beschämt.
„Hunde die bellen, beißen nicht.“
Ein Spruch, den man von Hundehaltern aus heimischen Gefilden kennt und die man oft mit einem Kopfschütteln hinnimmt. Doch auch die Organisatoren versuchten die Fahrer von eben diesem Sprichwort zu überzeugen. Denn die physische Herausforderung für den Prolog sollte sich in Grenzen halten, nicht jedoch die psychische Belastung, die die Fahrer bei etlichen Schafs- und Ziegenherden und deren tierischen Bewachern aushalten mussten. Nicht selten bildeten sich Trauben von 10-15 ausgewachsenen Hunden um einzelne Fahrer mit lautem Gebell, gefletschten Zähnen und kurzen Jagdszenen. Doch mit einem sollten die jordanischen Veranstalter recht behalten, nicht ein einziges Mal schnappte ein Hund nach einer trainierten Wade. Ein lauter (zugegeben, teils vulgärer) Ausruf oder drohende Handbewegungen ließ die Hunde verschüchtert abwenden.
Sportlich gesehen ging es am folgenden Tag in die erste Runde. Das Fahrerfeld, bestehend aus den beiden Deutschen Daniel Gathof und Simon Gegenheimer, den Franzosen Remi Laffont und Emeric Tucat, wurde durch weitere Fahrer aus den Arabischen Emiraten, Dubai, den USA und drei Startern aus Jordanien komplettiert und prüfte auf dem rund 25 km langen Prolog die eigene Verfassung und tastete die Konkurrenz ab.
Nachdem der Prolog durch einen der etwas abgelegenen Aussenbezirken von Amann führte, hieß es am nächsten Morgen: Mittendrin statt nur dabei. Gestartet wurde in einem Wohngebiet mitten in der Hauptstadt – „mutig“, dachte ich. Doch wieder waren die Veranstalter zuversichtlich: „We will be escorted by the police, roads will be closed for the race“. Und tatsächlich begleiteten zwei kräftige Verkehrspolizisten das Peloton, der Verkehr wurde mehr oder weniger mit Fähnchen und lauten Ausrufen zu regeln versucht. Ab und zu tauchten Pickups in zivil auf, Männer stiegen aus und stellten sich dem Verkehr in den Weg. „Geheimpolizei“ wurde mir versichert.
Nachdem die Stadtgrenze erreicht wurde, änderte sich auch schlagartig das Terrain. Von zugepflasterter Betonwüste in eine hügelige Steinlandschaft, in die sich bis auf einzelne Schäfer mit ihren Herden nun lediglich das Fahrerfeld zu verirren schien. Mit teils heftigen Uphill-Passagen und rasanten Abfahrten schraubten sich die Mountainbiker immer weiter ins, für europäische Verhältnisse, gefühlte Nirgendwo hinaus. Auch die erwartete Hitze stellte sich nun in windgeschützten Bereichen ein. Waren es rund um Amann noch „kebelige“ 10 – 15 Grad – trumpfte die Abgelegenheit nun mit über 20 Grad auf. Die Strecke führte hinab zum Kafrein Dam, einem Stausee, in dem heimische Fischer ihr Glück für ein Mittagessen versuchten, ein einsamer junger Mann auf einer Matratze seelenruhig daher trieb und am anderen Ende ein Pickup gerade seinen unsortierten Hausmüll ins Wasser kippte. Leider kämpft auch dieses Land mit dem gleichen Problem wie so viele aufstrebende Tourismus-Destinationen – dem Verständnis für Müllentsorgung. Nicht selten wird das Bild der sonst so endlos und wunderschön anmutenden Landschaft von glitzernden Plastikabfällen gestört. Leider, denn ansonsten wurden meine Erwartungen von Jordanien mehr als übertroffen. Wüste und Kamele – gibt es, aber auch endlose Hügellandschaften in den unterschiedlichsten Farben, grüne Wälder mit technischen Trails und ebenso urbane spannende Spots.
428 Meter unter dem Meeresspiegel
Eines der Highlights sollte am folgenden Tag auf die Fahrer warten. Gestartet wurde direkt am Strand des Toten Meeres, sage und schreibe 428 Meter unter Null. Eine beeindruckende Kulisse bot sich am Start, denn direkt hinter den Fahrern erhob sich in nur wenigen Kilometern Entfernung die israelische Hochebene mit der Hauptstadt Jerusalem. Die Fahrer mussten sich auf der Queen-Stage bei knappen 7 Windstärken durch karge Sandstein-Felder hinauf zum 808 Meter hohen Mount Nebo quälen, dem Berg, von dem Moses laut Geschichtsbüchern das gelobte Land sehen durfte. Spätestens an diesem Punkt war auch ich überzeugt, dass ich mit meinem „Wüste und Kamele“-Vorurteil weit gefehlt hatte. Mit spannenden Landschaften, Geschichte en Masse und perfekten Pisten für Bike-Freunde jeglichen Levels hat dieser arabische Staat einiges zu bieten.
Am darauffolgenden Tag startete das Feld vom 170 km südlicher gelegenen Städtchen Shoubak mit der Kreuzritterburg Montreal. Erneut änderte sich sowohl Klimazone als auch die Landschaft drastisch. Das Highlight lag dieses Mal am Zielort dieser letzten Etappe. „Little Petra“, ein ehemaliger Karawanen-Rastplatz auf der Handelsroute zwischen Mittelmeer und Rotem Meer. Mit in Felsen geschlagenen Behausungen und Opferplätzen aus dem 1. Jahrhundert eine beeindruckende Kulisse. Doch das sollte nur ein Vorgeschmack sein.
Petra – eines der neuen Weltwunder
Der darauffolgenden Tag sollte in die Geschichtsbücher des Bike-Sports eingehen. Durch unzählige Telefonate und mutmaßlichen Geldgeschenken wurde es den Fahrern Gathof, Gegenheimer und Laffont ermöglicht, ihre Bikes mit in die Felsenstadt Petra zu nehmen. Somit wurde dieses an sich schon sehenswerte arabische Juwel noch surrealer. Über Pflastersteine, die seit 2000 Jahren nur Esel- und Kamelhufen oder Wagenräder und Pferdekutschen kannten, rollten nun die drei Jungs mit ihren Carbon-Bikes hinweg. Ein Gefühl, welches wohl kaum einer von uns, sowohl Fahrern als auch Media-Team, nur annähernd in Worte fassen kann. Auch die Blicke der Einheimischen und Besucher reichten von ungläubig über fasziniert bis hin zu höchst entzückt.
Doch auch am nächsten Tag sollte ein weiteres Highlight vor der Linse folgen: Wadi Rum. Drehort für Filme wie Lawrence von Arabien oder dem Marsianer. Das UNESCO Welterbe besticht mit seiner unwirklichen Landschaft aus Sandstein und Granit. Nachdem uns unser schätzungsweise 14-jähriger Fahrer sicher mit Voll-Speed auf der Ladefläche seines Pickups in die Tiefen des Wadis gebracht hatte, konnten wir uns nochmals richtig austoben. Über Brücken aus Fels und Sandstein-Trails ergaben sich traumhafte Aufnahmen und eindrucksvolle Momente. Am Ende waren wir uns einig: Jordanien ist eine Reise wert – mit oder ohne Bike – auf jeden Fall mit der Kamera und einer Menge beeindruckender Szenerien.
Und das alles nur, weil ein gelangweilter Junge im Matheunterricht auf seinem Smartphone Renn-Videos von der Arabian Epic Series schaute, dabei so überwältigt war und ohne zu zögern den Veranstaltern schrieb und den Kontakt zu Cycling Jordan, dem einzigen Mountainbike-Handel in Jordanien, herstellte. Und knapp ein Jahr später rollte ein Tross aus Fahrern, Begleitern und Media-Team durch Jordanien und war überwältigt von dessen abwechslungsreicher Umgebung und Kultur. Nur wegen Mohammed.
Don Ailinger
Weitere Infos zum Trip und viele weitere Bilder www.12pt5.com.
Würde es euch mal reizen, in Jordanien Biken zu gehen?
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