Am Eventgelände angekommen wächst die Aufregung zunehmend – auch, weil sogar die U23-Herren viele Passagen schieben müssen und die Bikes so extrem verdreckt sind, dass die Fahrer absteigen und das Bike von Matsch und Gras befreien müssen, um überhaupt weiterfahren zu können. „Ufff, das kann ja heiter werden“, denke ich mir auf der Rolle beim Warmup.
Startaufstellung und Go. Das Tempo am Start ist wie immer sehr hoch, doch diesmal kann ich mich ganz gut positionieren. Bevor es in den Wald geht, gibt es noch zwei Tables zu überqueren. Am Vortag konnte man die noch springen, daran ist jetzt nicht mehr zu denken. Die Wiesenabfahrt vor den Tables ist schon so rutschig, dass man besser nicht rechts oder links von der Rut fahren sollte. In der ersten Runde denke ich mir aber, dass das eine gute Idee ist und direkt crashe ich das erste Mal. Nichts passiert, weiter geht’s.
In der darauffolgenden ersten Waldpassage wird mir dann schnell klar, dass wir im Wald wohl die meiste Zeit zu Fuß unterwegs sein werden. Gut, dass ich vor dem Rennen noch Stollen an meine Shimano-Schuhe geschraubt habe. In der Abfahrt nach dem steilen Anstieg im Wald, den man aber größtenteils noch fahren konnte, kann ich auf Position vier liegend in der Abfahrt gleich zwei Konkurrentinnen vor mir überholen, ehe mir das größte Missgeschick des Renntags passiert. Ich bin optimistisch, dass ich einen supersteilen Hang fahren kann, ehe ich am Anstieg davon schon wegrutsche und ich mich doch für Schieben entscheide. Dafür ist der Abhang jedoch aber leider zu steil und ich rutsche aus, mein Fahrrad fliegt gegen einen Baum und ich bin unter meinem Bike eingesperrt.
Mühselig kann ich mich wieder befreien, das kostet jedoch viel Zeit. Die direkte Folge dieses Sturzes ist leider, dass ich wieder auf Platz 4 zurückgefallen bin, die langfristigen Folgen sollte ich erst nach dem Rennen zu spüren bekommen. Wieder auf das Rad geschwungen, denke ich mir wirklich: „Was passiert hier eigentlich gerade?“
Der zweite Teil der Strecke ist dann zwar fast komplett fahrbar, jedoch genauso kräftezehrend. Auf den matschigen Wiesenabschnitten dreht immer wieder das Hinterrad durch und man weiß nicht so recht, ob jetzt laufen oder fahren schneller ist. Ich entscheide mich meistens für fahren, weil ich nicht ständig aus dem Tritt kommen will. An diesem Renntag der anderen Art spielen sich besonders in der Feed- und Techzone spezielle Szenarien ab: Fast alle FahrerInnen müssen dort anhalten, um von den BetreuerInnen das Bike gereinigt zu bekommen. Ganz abgesehen von der Reifenfreiheit drehen sich die Schaltrollen durch den vielen Schlamm und das Gras kaum noch. In Runde 2 und 3 springt mir beispielsweise regelmäßig die Kette vorne runter, weil einfach alles extrem verdreckt ist.
Im Ziel angekommen, ist die Frustration über Platz 4 zunächst sehr groß. So nah war ich noch nie an einer Medaille und ich ärgere mich sehr über mich selbst, diese Chance verspielt zu haben. Eine nette Frau der NADA begleitete mich dann zum Bulls-Zelt, anschließend direkt zur Dopingkontrolle. Als während der Erfassung meiner Daten bei der Dopingkontrolle im gleichen Zelt die Siegerehrung der Damen durchgeführt wird, kulleren mir sogar ein paar Tränen die Wange herunter. An diesem Tag gab es aber drei Frauen, die einfach schneller waren und mit den Bedingungen besser zurechtgekommen sind. Herzlichen Glückwunsch Antonia, Nadine und Lisa! 😊
Der Tag nach dem Rennen ist dieses Mal auch etwas anders als normal. Ich habe die Nacht nach dem Rennen unruhig geschlafen, was sehr untypisch für mich ist. Um 06:00 Uhr bin ich dann so hellwach, dass an Weiterschlafen nicht zu denken ist. Beim Versuch aufzustehen merke ich dann aber, wie sehr das Rennen an meinem Körper gezehrt hat: Jede Zelle meines Körpers ruft nach Ruhe und Offseason. Der erste morgendliche Blick auf meine Beine schockiert mich dann auch etwas: Überall blaue Flecken und Schrammen.
Danke Fullgazrace für die Veranstaltung und die Durchführung der Deutschen Meisterschaft 2020. Danke für den großartigen Support, liebe Streckenposten und Helfer vor Ort! 😊
Was war eure schlimmste Matsch-Bike-Erfahrung?
3 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumMatsch, Matsch, Matsch! Theresia Schwenks Teilnahme an der Deutschen XC-Meisterschaft war ganz schön kräftezehrend. Hier ist ihr Rennbericht von einem Event, das noch lange in Erinnerung bleiben wird …
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Theresia Schwenk bei der Deutschen XC-Meisterschaft 2020: Ausnahmezustand im Egger-Wald!
Respekt!
Früher war jedes 3. Rennen so matschig aber dank der trockenen Sommer kennt man sowas garnicht mehr.
Irgendwie auch unwürdig so dreckig direkt zur Dopingprobe zu müssen...
Tjaha, es ist tiefer Herbst, und eigentlich auch Cyclocross-Saison. Platz 4 kommt emotional direkt nach technischem Defekt. Die Flecken verheilen, und nächstes Jahr geht’s dann vorwärts!
Besten Dank Theresia mal wieder für den sympathischen Einblick in die Rennszene!
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