Greg Minnaar gewinnt den 19. Downhill-Weltcup seiner Karriere, Rachel Atherton ist im Moment unschlagbar, der Visit Scotland-Sprung kurz vor dem Ziel sollte dringend neu geshapet werden und sowieso gibt es viel wichtigere Dinge als ein Downhill-Rennen: Hier sind die Lehren vom Downhill-Weltcup in Fort William.
Wer hätte gedacht, dass der berühmte Hot Seat in Fort William seinem Namen alle Ehre machen würde? Wenn auf eine Sache verlass war, dann darauf, dass es in Schottland pünktlich zum Downhill-Weltcup (und auch sonst) immer regnet. Nicht jedoch in diesem Jahr: Auch der strahlende Sonnenschein hat mehr Zuschauer denn je angezogen und für ein Rennen gesorgt, das definitiv in die Geschichtsbücher eingehen wird.
Greg Minnaar? War ja klar!
Wer hätte gedacht, dass Greg Minnaar… ? Nicht nur Einleitungssätze wiederholen sich. Wie schon im letzten Jahr hat der Südafrikaner mit seinem Lauf in Fort William viele überrascht und gleichzeitig all diejenigen bestraft, die ihn nach dem zugegebenermaßen eher verpatzten Saisonauftakt nicht mehr auf dem Zettel hatten. Bereits bei seinem ersten Trainingslauf war klar, dass Greg in Fort William – seiner Strecke, auf der er so oft wie kein anderer Fahrer gewonnen hat – wahrscheinlich gewinnen würde. Keiner versteht es so gut wie er, einen Rennlauf kontinuierlich aufzubauen, seine Kräfte einzuteilen und auf den Punkt zu fahren. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Gee Atherton einen sauberen Lauf ins Ziel gebracht hätte. Doch so lässt sich festhalten: Greg Minnaar und Fort William, das passt einfach.
Rachel Atherton kann sich nur selbst schlagen
Neun Weltcup-Siege in Folge plus der Weltmeisterschafts-Titel: Rachel Atherton ist im Moment einfach unschlagbar. Von den ersten Metern aus dem Starthäuschen bis zur Zieleinfahrt war sie schlichtweg mit Abstand die schnellste Dame am Rennwochenende. Und aktuell ist es nur schwer vorstellbar, dass sich das so schnell ändern wird. Möglicherweise liegt es auch daran, dass ihre Konkurrenz aktuell eher mit sich selbst zu kämpfen hat: Myriam Nicole ist verletzt, Tahnée Seagrave ebenso und Manon Carpenter hat seit ihrem WM-Titel vor zwei Jahren noch nicht zu ihrer alten Stärke zurückgefunden. Der Weg zur perfekten Saison ist noch lang, scheint aber für Rachel Atherton in der aktuellen Form nicht unmöglich.
Fort William war ein Rennen der ganz großen Gesten
Auf die tollen Aktionen für Stevie Smith kommen wir gleich noch zu sprechen – auch davon abgesehen war das Rennen in Fort William eines, das gezeigt hat, wie viele tolle Sportsmänner/-innen im Downhill-Weltcup unterwegs sind. Als Steve Peat bei seinem letzten Weltcup in Fort William die Ziellinie überquerte, wurde er von tausenden Fans und Fahrern in Steve Peat-Masken empfangen – ein bizarrer und wunderbarer Anblick. Und als dann Ed Masters nach seinem katstrophalen Rennlauf die Ziellinie überquerte, war Peaty der erste, der bei ihm war, und ihn mit einem Bier tröstete. Nach George Brannigans fiesem Sturz kurz vor dem Ziel zuckten alle zusammen – und im Ziel angekommen waren es seine direkten Konkurrenten, die sich als Allererstes nach ihm erkundigten. Auch die fantastischen Fans trugen einen riesigen Teil zur extrem positiven Atmosphäre bei. Chapeau, Fort William!
Schwarz-Rot-Gold-Rot-Weiß!
In Fort William ist es besonders schwierig, ein gutes Renn- oder Quali-Ergebnis einzufahren, weil sehr viele Briten die Strecke wie ihre Westentasche kennen und es extrem schwierig ist, sich die Strecke an einem einzigen Rennwochenende einzuprägen. Der mögliche Heimvorteil soll aber gar nicht angeprangert werden, sondern: Umso höher ist die Leistung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fahrer an diesem Wochenende in den Highlands zu bewerten. Trotz einiger Probleme mit dem Material und einem nicht optimalen Rennlauf fuhr Johannes Fischbach auf einen starken 25. Platz, der Österreicher David Trummer gar auf Rang 17. Und Jasper Jauch kann trotz eines Sturzes in seinem Rennlauf ebenfalls mit dem Wochenende und einer starken Fahrt in der Quali sehr zufrieden sein. Ebenfalls toll: Till Ulmschneider schaffte bei seinem ersten Weltcup überhaupt nicht nur den Sprung ins Finale, sondern konnte sich dort direkt in den Top 10 platzieren – Hut ab vor der Leistung!
Long Live Chainsaw
Die wohl schönste Aktion der Weltcup-Geschichte, initiiert durch einen User auf Pinkbike und ermöglicht durch die UCI, war der Ghost Run für den kürzlich verstorbenen Stevie Smith. Wenn im Zielbereich zigtausende Menschen, die ansonsten für ohrenbetäubenden Lärm sorgen, schlichtweg schweigen, dann sorgt das mindestens für eine extreme Gänsehaut. Als der Geist von Stevie Smith im Ziel ankam, wurde er auf eine absolut würdige Art und Weise von Fans und Fahrern gleichermaßen verabschiedet.
RIP Stevie Smith – Ghost Ride in Fort William von Moritz – Mehr Mountainbike-Videos
Auch davor sah man, wie nah der Tod des Kanadiers den Fans und Fahrer ging. Nicht wenige Profis hatten im Zielbereich Tränen in den Augen, als der Ghost Run für Stevie Smith durchgeführt wurde. Stevie Smith war ein extrem wichtiger Bestandteil des Downhill-Weltcups, der auch durch seine jederzeit positive und absolut authentische Art viele, viele gute Freunde in der Szene hatte. Gleichzeitig war er es auch, der für die größten Erfolge Kanadas – ein Land, das zwar zuvor extrem viele gute Mountainbiker, aber keine Rennfahrer hervorgebracht hat – gesorgt hat. Auch deshalb war Stevie Smith für viele Mountainbiker in Kanada ein absolutes Vorbild und Aushängeschild.
Oder, wie es der grandiose Kommentator passend ausgedrückt hat: „Stevie Smith accomplished more in a short life than most of us will accomplish in our entire life. Do not sit around. Get out. Ride your bike. Enjoy the mountains. And ride for Chainsaw!“
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