Den siebten Stopp der Enduro World Series 2017 wird Jesse Melamed so schnell nicht vergessen: Bei seinem Heimrennen in Whistler konnte der Rocky Mountain-Teamfahrer den lang herbeigesehnten ersten EWS-Sieg seiner Karriere einfahren. Passend zu seinem großen Erfolg haben wir uns das Rocky Mountain Altitude des sympathischen Kanadiers angeschaut – hier ist das Arbeitsgerät von Jesse Melamed im Bike Check!
Für Jesse Melamed ist der EWS-Stopp in Whistler ein ganz besonderes Rennen. Der Kanadier, dessen Mutter aus dem Schwarzwald stammt, ist im Mountainbike-Paradies im Westen Kanadas aufgewachsen und lebt hier. Beim EWS-Rennen 2016 in Whistler musste er sich noch knapp geschlagen geben – in diesem Jahr sicherte er sich jedoch nicht nur vor Sam Hill den Sieg in Whistler, sondern obendrein auch noch den ersten EWS-Erfolg seiner Karriere.
Für diesen Erfolg hat Jesses Team keine Mühen gescheut und ihm wenige Tage vor dem Rennen einen nigelnagelneuen Rahmen und viele frische Anbauteile spendiert. Seit Beginn der Saison, dem EWS-Stopp in Neuseeland, setzt Jesse auf das neue 2018er Rocky Mountain Altitude mit 150 mm Federweg und elektrischer Shimano XTR Di2-Schaltung. Dass er lieber darauf als auf dem Enduro-Bike Slayer, antritt, erklärt er damit, dass er vergleichsweise fit ist, viel trainiert und einen aktiven Fahrstil pflegt, zu dem das leichtere und sprintstärkere Altitude einfach besser passt. In den Pits fanden wir seine Rennmaschine komplett vorbereitet vor und haben uns von seinem Mechaniker Jeffery Bryson alle Details geben lassen.
Arbeitsgerät: Rocky Mountain Altitude von Jesse Melamed
- Fahrer: Jesse Melamed (1,71 m, 72 kg)
- Rahmen: Rocky Mountain Altitude, Größe M, Carbon
- Reach: 430 mm
- Federweg: 160 mm / 150 mm
- Fahrwerk: Fox 36 Factory/ Fox Float X2 Factory
- Laufräder: Stans Arch, Neo/ 27,5″ / Aluminium
- Reifen: Maxxis Minion DHF 3C DD (vorne), Maxxis Griffin 3C DH (hinten) / 20 psi / Tubeless-Aufbau / CushCore
- Lenker: Race Face Next Carbon / 35 mm Klemmung / 735 mm Breite
- Bremsen: Shimano XTR, 180 mm Scheiben
- Schaltung: Shimano XTR Di2 / 1 x 11
Rahmen und Geometrie
Jesse Melamed setzt seit Anfang der Saison auf ein ganz normales Rocky Mountain Altitude Carbon. Letztes Jahr war der 1,71 m kleine Kanadier noch auf einem Rahmen in Größe S unterwegs – da er im Winter jedoch seine Hausaufgaben gemacht hat und sich dieses Jahr stärker und fitter fühlt, ist er auf einen laufruhigeren M-Rahmen gewechselt. Das All Mountain-Fully der kanadischen Kultmarke verfügt über 150 mm Federweg am Heck, 160 mm an der Front und rollt auf 27,5″-Laufrädern. Die Geometrie lässt sich über Rocky Mountains patentiertes Ride-9-System – zwei verschachtelte Flip Chips an der Umlenkwippe – in 9 verschiedenen Positionen anpassen. In Whistler war Jesse im flachsten Setting unterwegs. Damit liegt der Lenkwinkel bei Downhill-orientierten 65°, der Reach bei 430 mm und die Länge Kettenstreben bei relativ kurzen 425 mm.
Fahrwerk und Setup
Das Fahrwerk besteht aus einer Fox 36 Factory-Federgabel mit 160 mm Federweg und einem Fox Float X2 Factory-Dämpfer, der die 150 mm Federweg am Heck unter Kontrolle hält. Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Rémi Gauvin bevorzugt er einen Luftdämpfer, da dieser ihm etwas mehr Progressivität bietet, was sich auf den sehr ausgefahrenen Trails in Whistler bezahlt macht. Jesses Setup ist vorne und hinten relativ ähnlich und ausgewogen: In der Fox 36 befinden sich 2 Volumenspacer und 76 psi Luftdruck. Zudem nutzt er nur sehr wenig High- und dafür etwas mehr Low-Speed-Druckstufe. Insgesamt bewegen sich seine Einstellungen jedoch in einem relativ gewöhnlichen Rahmen. Jesses Mechaniker Jeffery zeigt sich insbesondere vom geringen Wartungsbedürfnis der Federgabel beeindruckt: Seit Anfang der Saison musste er noch keine Dichtungen wechseln – im Gegenteil, die Gabel scheint sich immer besser einzufahren und sanfter anzusprechen.
Dasselbe Spiel gilt am Dämpfer: 152 psi Druck, 14 Klicks von ganz geschlossen an beiden Rebound-Einstellern und mehr Low- als High-Speed-Druckstufe. Dieses Grund-Setup stellt ihm sein Mechaniker für jedes Rennen ein – Jesse nimmt dann alleine oder in Absprache mit seinem Teamkollegen Rémi leichte Anpassungen vor, die sich jedoch im Bereich von einem Klick hier und da bewegen. Laut seinem Mechaniker versteht Jesse ziemlich viel von Fahrwerkseinstellungen und zeigt sich gerne selbstständig und experimentierfreudig.
Laufräder und Reifen
Bei den Laufrädern handelt es sich um Stans Arch-Felgen und Neo-Naben mit regulären J-bend-Speichen – ein ziemlich traditionelles Setup, das jedoch überall auf der Welt leicht zu reparieren ist. Bis zum EWS-Rennen in Madeira war Jesse Melamed auf Stans Bravo Carbon-Felgen unterwegs. Dort lag er kurz vor dem Ziel mit fast einer halben Minute Vorsprung in Führung, erlitt jedoch auf Stage 7 einen irreparablen Defekt an der Felge und musste sich geschlagen geben. Auf Anraten seines Mechanikers ist er nun zurück auf Aluminium gewechselt, da damit die Chancen etwas höher sind, im Fall der Fälle das Rennen beenden zu können. Im Gegensatz zu vielen anderen Enduristen bevorzugt Jesse die etwas schmaleren Stans Arch-Felgen gegenüber dem Flow-Modell, da ihm die resultierende Reifenform besser gefällt.
Kugellager und Naben scheinen eine kleine Leidenschaft von Jesses Mechaniker Jeffery zu sein, denn bevor ein Laufradsatz zum Einsatz kommt, baut er die Kugellager aus und reinigt sie mittels Ultraschall von Fett. Statt die Kugellager neu zu fetten ölt er sie leicht, was die Lager extrem leichtgängig macht – und kurzlebig! Die häufigen Lagerwechsel sollen mit den Stans Neo-Naben jedoch unkompliziert und einfach sein. Ob diese Modifikation am Endes das Zünglein an der Waage ist und die entscheidenden Zehntel Sekunden zum Sieg bringt, wisse er nicht. Die Fahrer seien jedoch jedes mal begeistert, wenn sich die Räder im Montageständer immer und immer weiter drehen.
Die Reifen stammen aus dem Hause Maxxis: Vorne setzt Jesse auf den Minion DHF mit DoubleDown-Karkasse, hinten auf den eher ungewöhnlichen Griffin mit Downhill-Karkasse – seiner Meinung nach der ideale Reifen für Whistler. Die Reifen sind tubeless aufgezogen, im Inneren befindet sich für Whistler jedoch vorne und hinten ein frischer CushCore-Schaumstoffkern. Dieser soll Felge und Reifen vor Durchschlägen schützen und etwas zusätzliche Dämpfung bieten – bei Jesses niedrigen 20 psi (ca. 1,35 bar) Reifendruck ist das allerdings auch nötig. Einen Schaumstoffkern nutzt er bereits seit Madeira, bisher war vorne aber der leichtere und schmalere Huck Norris montiert. Für die sehr ausgefahrenen und trockenen Stages in Whistler hält er etwas mehr Schutz für nötig. Zudem lässt die Wirkung des Schutzsystems irgendwann nach, da der Schaumstoff mit der Zeit weicher und schlaffer wird.
Komponentencheck
Im Cockpit von Jesse Melameds Rocky Mountain Altitude verstecken sich einige interessante Gimmicks. Viele Enduro-Profis fahren eher schmale Lenker – Jesses RaceFace Next Carbon-Lenker mit 35 mm Klemmung wurde jedoch auf ungewöhnlich schmale 735 mm gekürzt. Wenn man bedenkt, wie eng und verwinkelt manche Trails in Whistler sind und dass Jesse eher klein ist, verwundert es jedoch eigentlich nicht weiter. Wie beim Fahrwerks-Setup auch, ist er allerdings offen für Experimente und verändert die Lenkerbreite ab und an um ± 5 mm. Sogar die Griffe hat er auf 100 mm gekürzt und von außen ein Sahmurai Tubeless-Reparaturset in den Lenker gesteckt. Im Steuerrohr ist ein weiteres nützliches Helferlein in Form des kürzlich vorgestellten OneUp EDC-Tools versteckt. Seine Fox Transfer-Sattelstütze bedient Jesse über die Wolftooth ReMote-Fernbedienung. Er und Teamkollege Rémi Gauvin wollten diese bereits seit längerem testen – Mechaniker Jeffery hat dann einfach zwei Stück bestellt und sie zum Crankworx-Festival damit überrascht.
Bei Antrieb und Bremsen setzt Jesse voll auf die Shimano XTR-Gruppe. Auffällig ist jedoch, dass er die elektrische Di2-Schaltung benutzt. Das schien zwar anfangs ein Risiko zu sein, hat sich bisher jedoch in allen Bedingungen als absolut unproblematisch und zuverlässig herausgestellt. Mit einem 34er Kettenblatt und einer 11 – 40 Zähne XTR-Kassette fällt die Übersetzung für die steilen Anstiege in Whistler vergleichsweise schwer aus. Einzige Modifikationen am Antrieb sind das Stage-Powermeter an der Kurbel, mit dem er seine Leistungsentfaltung in Training und Rennen besser überwachen kann, und die minimalistische OneUp-Kettenführung. Klickpedale sind bei so tretstarken Fahrern wie Jesse Melamed meistens absolute Pflicht – er setzt deshalb auf die unter Rennfahrern beliebten Crankbrothers Mallet E-Pedale.
Was haltet ihr von Jesse Melameds Bike? Seid ihr auch Tüftler, die gerne was probieren oder lasst ihr lieber alles, wie es ist?
Weitere Informationen
Webseite: www.bikes.com
Text & Redaktion: Gregor Sinn, Moritz Zimmermann | MTB-News.de 2017
Bilder: Moritz Zimmermann
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