Am Samstag war es soweit und der fünfte und letzte Renntag auf der Blumeninsel stand an. Wieder einmal sollte es innerhalb weniger Kilometer extreme Terrainwechsel geben. Nach einem nebligen und etwas regnerischen Start in einer sehr schottisch anmutenden Heide ging es gegen Mittag wieder in die von mir so geliebten Eukalyptus-Wälder, wo nochmal einige Vollgas-Downhill-Stages mit überraschenden Gaps und staubigem Boden auf dem Programm standen. Und Mojitos, Mojitos standen auch auf dem Programm!
Nachdem wir bis auf einen kleinen Regenguss am ersten Abend bisher nur genialstes Wetter genossen hatten, begrüßte uns Madeira am letzten Tag mit tief hängenden Wolken und konstantem Nieselregen. Auf unserem finalen Camping-Spot auf einem Fußballplatz in den Bergen über der Küste fröstelte es doch etwas mehr als die letzten Tage und ich war während der Nacht tatsächlich froh, auf den Ratschlag der Organisatoren gehört zu haben und mir einen warmen Schlafsack eingepackt zu haben. Unsere morgendliche Busfahrt endete diesmal irgendwo im Nirgendwo auf einer mit Kuhmist bedeckten Straße in dichtem Nebel, bei leichtem Nieselregen. Die karge, extrem grüne und steinige Landschaft brachte Wolfgang zu der Überzeugung, wir wären über Nacht nach Schottland verschifft worden. Da wir wieder alle nur kurze Trikots und höchstens eine dünne Regenjacke dabei hatten, drängten sich Amateure und Profis gemeinsam in den Bussen zusammen, bis die Busfahrer langsam ungeduldig wurden und uns höflich aber bestimmt herauskommandierten. Draußen hieß es dann wieder warten, bis wir nach und nach aufgerufen wurden und starten konnten – vom Langsamsten bis zum Schnellsten. Wolfgang war zwar noch einige Plätze besser als ich, beschloss jedoch einfach mit mir loszuballern, um nicht länger auf dieser Passstraße frieren zu müssen.
Stage 25
Nach einem kurzen aber kalten Transfer trafen wir recht zügig auf den Start der ersten Stage des Tages, Stage 25. Diese folgte größtenteils einem schmalen Grat und führte über viele rutschige Felsen durch dichtes grünes Gestrüpp voller hereinragender Farne. Eiskalt und durchgefroren wie wir waren war das eine echte Herausforderung. Man konnte meistens nie mehr als eine Radlänge vorausschauen und immer wieder traten überraschende Felskanten und Drops mit schnell aufeinanderfolgenden Kurvenkombinationen auf. Nach einem Kilometer war das Ganze wieder vorbei – dadurch, dass ich jedoch so verkrampft auf dem Rad saß, kam es mir allerdings deutlich länger vor. Nach der Stage folgte ein längerer, teilweise schiebend zurückzulegender Anstieg zurück auf die Passstraße, von der wir gestartet waren. Während wir weit unter uns teilweise den sonnigen Strand sehen konnten, wollten Nebel und Nieselregen sich irgendwie nicht verziehen und begleiteten uns fast den gesamten Vormittag.
Stage 26
Die nächste Stage startete direkt neben der Straße und ähnelte der vorherigen, war jedoch insgesamt etwas schneller und länger. Wieder ging es einen Trampelpfad entlang, der dicht von kargem Gestrüpp bewachsen war. Die Steine waren immer noch genauso rutschig, die Geschwindigkeit jedoch um einiges höher, was mich noch unsicherer auf dem Rad sitzen ließ. Mit meinem immer noch geschwollenen und kaputten Daumen durfte ich auf keinen Fall hinfliegen, schon gar nicht in spitze Steine rein – bisher war alles gut gegangen, am letzten Tag wurde ich dann dennoch etwas nervös. Am Ende war ich sogar gar nicht so langsam, auch wenn ich mich fühlte wie der erste Mensch auf dem Rad und unten auch nicht lange auf Wolfgang warten musste, der eigentlich 30 Sekunden hinter mir gestartet war.
Stage 27
Nach einem etwas längeren Transfer, an den ich mich nach 5 Tagen Enduro-Racing einfach nicht mehr erinnern kann, kam Stage 27, Sandokan. Die Bodenbeschaffenheit war immer noch ähnlich: grasig und mit rutschigen Steinen übersät. Allerdings folgte der Trail zu großen Teilen einem tiefen Graben im Boden, der an den Rändern mit herabhängendem, kargen Gestrüpp und niedrigen Bäumen bewachsen war, weshalb man sich fühlte, als ob man durch einen Tunnel führte. Während ich die beiden ersten Stages des Tages zwar ganz nett, aber nicht herausragend fand, war dies nun ein echtes Highlight. Den Trail blind im Renntempo zu fahren, war jedoch auch nicht ganz ungefährlich, denn das Terrain wechselte ziemlich unvorhersehbar und es gab immer wieder kurze Tretstücke, die die müden Beine ans Limit brachten. In den Graben hinein folgte oft ein kleines Steinfeld, das mich wie einen Pingpong-Ball hin und her warf – ohne bedrohlichen Abhang links oder rechts neben mir, stresste mich dies jedoch deutlich weniger, sodass ich das Gefühl hatte, ganz ordentlich am Gas zu hängen. In den Tunneln musste man sich schon ab und zu ducken, um tief herabhängenden Ästen auszuweichen, dafür war die ganze Szenerie jedoch derartig abgefahren, dass mich das gar nicht störte.
Stage 28
Aufgrund der schlechten Wetterlage hoch oben in den Bergen wurde die vorletzte Stage des Rennens, ein Trail namens “Black Line”, auf die Hälfte gekürzt. Somit konnten wir noch einmal kurz an der ersten Foodzone Halt machen, bevor uns ein kurzer und leichter Transfer zum neuen Stage-Start führte. Black Line war im Prinzip eine absolute Vollgas-Downhillstrecke durch offene Eukalyptus-Wälder. Der Boden war einmal mehr wieder staubig und trocken. Diese Stage würde ich wirklich gerne einmal mit etwas Training fahren, denn die Linienwahl war unglaublich und es gab mehr Wellen und Gaps, als ich überhaupt zählen könnte. Das nach 27 Stages blind zu fahren, war es jedoch auch etwas stressig, da ich mich ständig fragte, was hinter der nächsten Kuppe kommen würde und wie man dieses oder jenes Gap springen sollte. Zudem war wieder einmal die Variation des Geländes innerhalb weniger Kilometer absolut beeindruckend. Von rutschig-natürlich zur Highspeed-Downhillstrecke, die beinahe alles, was deutsche Bikeparks zu bieten haben, komplett in den Schatten stellt, waren es nur wenige Kilometer.
Ein etwas längerer Transfer über eine jedoch nicht allzu steile Asphaltstraße brachte uns wieder zur Foodstation, von wo aus es wieder Richtung Stage 28 ging, die wir kreuzten, um zur finalen, zur letzten, zur abschließenden Stage 29 von 29 zu kommen – Red Line!
Stage 29
Red Line lag unmittelbar parallel zur Black Line und führte ebenfalls durch Eukalyptus-Wälder mit genialem, braun-rotem, staubigem Boden. Der Trail war auch sehr ähnlich beschaffen, allerdings etwas vorhersehbarer und mit weniger heftigen Steinfeldern und Gaps gespickt, was vermutlich auch die Namensgebung erklärt. Ehrlich gesagt war die Strecke so schnell und hart und mein Hirn so auf Vollgas und fertigwerden geschaltet, dass ich mich an gar keine Details mehr erinnern kann. Das Ziel lag am Ende eines steilen Abhangs, den es über enge, lose Serpentinen herunterging. Im Tal standen einige Fans und zirka 20 erleichterte Fahrer und Fotografen, die jedem neuen Ankömmling zujubelten und High-Fives verteilten. Die Stimmung hier war echt unglaublich: Jeder war einfach glücklich und zufrieden, das Abenteuer geschafft zu haben und jeder, egal ob Josh Bryceland oder Boris Whothefuck, gratulierte jedem dazu!
Nachdem wir etwas verschnauft hatten und die Stimmung ruhiger wurde, gab es einen letzten, spaßigen Transfer entlang einer der in Madeira so berühmten Levadas, der nochmal so einige kleine Trial-Einlagen über Brücken und kreuzende Wege für uns bereithielt, bevor ein unglaublich ausgesetzter, steiler Pflaster-Pfad direkt ans Viersterne-Hotel am Strand führte. Hier hieß es erstmal Räder waschen, Transponder abgeben und danach eine lange Dusche mit anschließendem Bier und Burger auf der Veranda mit Blick über den Strand.
Fazit – Trans Madeira Tag 5
Das war zu erwarten – auch der finale Tag der Trans Madeira 2018 enttäuschte nicht. Nach einem kalten, feuchten Start auf rutschigen Trails, die direkt aus dem Herzen Schottlands zu stammen schienen, endete das Rennen mit zwei Strecken, bei denen jeder deutsche Bikepark vor Neid erblassen würde. Obwohl das Rennen physisch extrem anspruchsvoll war und ich mehr als froh bin, es geschafft zu haben, bin ich auch irgendwie traurig, nicht noch einen weiteren Tag voller neuer, epischer Trails zu erleben. Jeder in Madeira scheint voll hinter unserem Sport zu stehen, die Dichte an Weltklasse-Trails ist mir so noch nie untergekommen. Abends kamen die Bürgermeister der jeweiligen Orte ins Camp, die Bauern auf den Feldern winkten uns zu – Mountainbike-technisch ist die kleine Insel ohne Frage ein absolutes Paradies!
Nach 5 harten Tagen begoss das Fahrerfeld aus Profis und Amateuren das geschaffte Abenteuer feuchtfröhlich mit jeder Menge Mojitos am Strand – zu viele Mojitos für einige, wie uns unser Shuttle-Fahrer zum Flughafen erzählte. Bei einem Transfer während der Nacht musste er für einen Teilnehmer zwei kurze Pausen einlegen …
Video – Trans Madeira Tag 5
Resultate – Trans Madeira Tag 5
Nach 5 Tagen Racing konnte sich mit Emanuel Pombo der absolute Local-Hero Madeiras den Sieg sichern. Insbesondere die letzten 2 Tage bestanden viel aus seinen Hometrails, weshalb er dem bis dahin führenden Jerome Clementz den Sieg abluchsen konnte. Josh Bryceland hing Jerome beinahe das gesamte Rennen dicht auf den Fersen, musste sich am Ende jedoch mit Platz 3 zufriedengeben – so wirklich gestört hat es ihn allerdings kaum. Wolfgang Eysholdt lag lange auf einem sehr guten 10. Platz bei den Herren, musste jedoch schließlich einen Platz an Yoann Barelli abgeben, der die ersten Tage auf einem viel zu kleinen Leihrad gefahren war, bis sein Bike mit ordentlich Verspätung in Madeira ankam. Ich hatte insbesondere am dritten Tag einen kleinen Einbruch, konnte mich jedoch gegen Ende sogar steigern und hielt meinen 15. Platz. Mit meiner mangelhaften Vorbereitung und dem schmerzenden Daumen bin ich damit mehr als zufrieden!
01_overall_results_after_day_5Hier findet ihr alle Artikel zur Trans Madeira 2018:
- Gregor in Gefahr bei der Trans Madeira 2018: 10 Tipps für Mehrtages-Endurorennen
- Gregor in Gefahr auf der Trans Madeira: Tag 5: Einer geht noch – dann ist aber gut!
- Gregor in Gefahr auf der Trans Madeira: Tag 4 – Schwere Beine und große Gaps
- Gregor in Gefahr auf der Trans Madeira: Tag 3 – mein neuer Lieblingstrail ist …
- Gregor in Gefahr auf der Trans Madeira: Tag 2 – feuchter Wurzel-Terror und Madeira-Massagen
- Gregor in Gefahr auf der Trans Madeira: Tag 1 – epische Ausblicke und grandiose Stages
- Trans Madeira 2018: Gregor in Gefahr – Liveberichte aus Madeira
- Trans Madeira 2018: 5 Tage Traumtrails auf der grünen Insel
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