Der sechste und finale Tag der Trans Provence führte uns aus den Bergen direkt nach Menton, ans Meer. Doch die Trans Provence wäre nicht die Trans Provence wenn uns vorher nicht einige Steine in den Weg gelegt worden wären – beinahe wortwörtlich. Doch nach 40 km, 1400 hm und einigen Trage-Kilometern konnten wir dann endlich die wunden Füße ins Mittelmeer tauchen.
Der Tag begann zum Glück nach einigen stressigen und frühen Morgenden wieder einmal recht entspannt: Shuttlen war angesagt. Das bedeutete für Wolfgang Eysholdt und mich, dass wir wieder in der deutlich später startenden zweiten Welle sein würden. Also ganz entspannt den Wecker auf kurz vor 7 gestellt, morgens direkt in die Bike-Klamotten, Sachen gepackt und zum Frühstück gerollt. Im Shuttle dann einen zweiten kleinen Nap, bis wir schließlich wieder an einem Pass rausgeworfen wurden, an dem wir bereits früher in der Woche gewesen waren.
https://vimeo.com/343788169
Stage 21
Auch der Climb zur ersten Stage war uns bereits wohlvertraut. Über eine Schotterstraße ging es auf einen Grat, den wir jedoch diesmal zur gegenüberliegenden Seite verlassen sollten. Da wir nach dem Anstieg gerade erst warme Beine hatten, beschlossen wir die Strecke für unsere Startwelle zu eröffnen und uns direkt an den Start zu stellen. Die Stage startete recht steinig und technisch und sollte das auch bleiben. Da mir die Eckdaten von 3,3 km und 640 hm noch im Kopf waren, versuchte ich so smooth wie möglich zu fahren und meine müden Hände zu schonen. Die waren wirklich ganz schön platt, als die Strecke immer steiniger, technischer und steiler wurde, hatte ich zwischendurch schon Sorge, beim nächste großen Hit an der Front einfach den Lenker loszulassen. So war ich um jede kleine Uphill-Sektion froh, bei der ich die Hände kurz aufmachen konnte. Obwohl der Trail echt cool und richtig alpin war, konnte das Ziel kaum früh genug kommen.
Die Stage endete in einem trockenen und komplett zugewachsenen Flussbett, aus dem nur ein weiterer, bergab sicher super cool zu fahrender Wanderweg führte: Hike-a-Bike-Time. Unsere bisherige Reisegruppe, die neben Wolfi und mir auch aus Balz Weber, Tanja Naber und Max Schumann bestand, war zwar noch irgendwo auf der Stage unterwegs. Da die im Gegensatz zu uns jedoch nicht aus dem DH-Sport stammen, sondern Vollblut-Enduristi sind und gerne dem Highspeed-Bikebergsteigen frönen, beschlossen wir, einfach mal nicht zu warten, sondern und mit einem bequemen Zeitpolster auf den unbequemen Aufstieg zu begeben.
Stage 22
Der Trail endete mitten in einem malerischen und stillen Dörfchen, in dem ich aus dem Staunen nicht mehr rauskam, weil an jeder Ecke ein alter Fiat Panda 4×4 stand – mein Traumwagen. Wenn die Menschen in dieser harten und kargen Region auf dieses Gefährt setzen, dann muss es wirklich vollendeter und grandioser Natur sein! Von dort, leicht unkonzentriert, weil mit dem Handy nach Gebrauchtwagen am Surfen, ging es auf einen steinigen und schmalen Trail, auf dem auch unsere Stage verlaufen sollte. Wir legten wieder keine große Pause ein, zum Glück war Doctor Electric gerade angekommen (Brice, einer der beiden Rennärzte, der immer auf einem E-Bike unterwegs war), der uns auch gleich starten konnte. Unter dem wachsamen Auge unserer Mitfahrer galt es direkt vollgas eine kurze Felspassage zu bewältigen, über einen kleinen Uphill und dann in immer technischer werdendes Gelände. Der flache und technische Start lag mir noch gut, doch dann wurde es mal wieder steiler und serpentiniger – gar nicht gut für meinen rechten Arm. Zwei Serpentinen schob ich lieber halb stolpernd, halb rennend, statt Kraft für Umsetzer zu vergeuden. Ansonsten lief es ganz ok, aber es stellte sich heraus, dass ich am letzten Tag nicht nur wenig Kraft, sondern auch wenig Motivation hatte, noch sonderlich was zu riskieren. Die Hände konnten den Lenker zwar wieder besser packen, aber meine verletzten Gelenke fühlten sich so instabil an, dass ich lieber nicht drauf fallen wollte.
Am Fuß der Stage ging es ein paar Meter eine italienische Grenz-Straße lang, auf der wir bald auf einen kleinen Laden stießen – ein Mix aus Grenzshop, Kaffee und Tante Emma-Laden – der schon mit Fahrern aus der ersten Shuttle-Welle bevölkert war. Eine kalte Orangina, Sandwiches und ein riesiges Eis später ging es den Knochen wieder viel besser und vereint mit dem Rest der Reisegruppe starteten wir in den größten Transfer des Tages. Über Straßen und einen malerischen, aber mit Hundehaufen verminten Trail ging es nach Sospel. Zum Glück ließ sich das meiste davon allerdings ganz gut fahren, nur die Sonne brannte so weit südlich am Mittag natürlich ganz schön gnadenlos. In Sospel dann erstmal wieder Mittagspause – diesmal nicht nur mit Irgendwas-Sellerie-Salat, sondern auch mit kalorienreicherem Nudelsalat – und ab in den Shuttlebus.
Stage 23
Zum Glück und zu Wolfis und meiner Begeisterung hatte unser T5-Shuttle Allrad-Antrieb inklusive Differentialsperre und höhergelegtem Fahrwerk, denn die Schotterpiste hatte es mal wieder gewaltig in sich … Wahnsinn, was man bei diesem Rennen alles für ausgesetzte Rallye-Pisten hochgefahren wird. Danach das übliche Spiel: In der brennenden Sonne eine grobe Schotterpiste hochtreten, bis zum Stage-Start. Der Trail war diesmal zum Glück etwas entspannter und traversierte über große Teile vollgas am Hang entlang. Teilweise ging es wieder mal ganz schön weit runter neben dem Trail und an ein paar zur Talseite hinausgehenden Kurven nahm ich ganz schön das Gas raus. Wie bei diesem Rennen so üblich gab es dann doch ein paar sau enge Kurven, die ich allerdings größtenteils mit etwas Trial-Einlage nehmen konnte, nur den Eingang in ein altes, gerölliges Bachbett, vor dem wir vorher gewarnt worden waren, versemmelte ich und musste wieder einmal mein Rad hinter mir herzerrend sprinten.
Nach der Stage sollte es nochmal ordentlich nach oben gehen und es kam, was nochmal kommen musste: Hike-a-Bike! Und diesmal richtig, nix mit schieben, auf den Buckel das Ding und los. Man, wie ich das hasse, dabei komme ich mir immer vor, wie der Reiter, der sein Pferd trägt. Immerhin ging es steil bergauf, sodass ich von der ständigen Hoffnung getrieben wurde, dass bald kein Berg zum erklimmen mehr da sein würde. Tatsächlich endete die Tortur in einem malerischen Sattel hoch über dem Strand von Menton. Hier, auf das Mittelmeer hinabblickend, wurde mir tatsächlich das erste Mal bewusst, dass wir gleich die letzte Stage des Rennens in Angriff nehmen würden …
Stage 24
Ursprünglich hatte Renn-Chef Ash geplant, den kompletten Trail bis hinab an den Stadtrand von Menton als Stage zu nehmen – glücklicherweise konnte er von seinem Orga-Team jedoch davon überzeugt werden, die obere Hälfte auszulassen. Die war nämlich krank … absolut bescheuert, so etwas bin ich noch nie gefahren! Der Trail verlief zwar zu 90 % in super coolen, weichen Bögen und in einem relativ smoothen Verlauf den Hang hinunter, aber der Untergrund bestand aus Milliarden von Murmel-großen Steinchen. Bremsen? Ist nicht! Man konnte das komplette Ding mit gezogener Hinterrad-Bremse fahren – und zwar nicht langsam. Im Renntempo wäre ich gestorben.
Zum Glück konnte man jedoch runterrollen und sich über den super merkwürdigen Untergrund freuen. Nach einem kurzen Transfer wurden wir dann von Ash selbst begrüßt, der uns auch startete. Der Trail war immer noch steil und teils anspruchsvoll, aber auf regulärem, felsigen Untergrund. Zwischendrin ging es ganz schön zur Sache, am Anfang stand ich noch gut auf dem Gas und wollte mir nochmal beweisen, dass ich auch schnell fahren kann, wenn nötig, aber als es immer steiler wurde, kam mir der Gedanke, dass es ziemlich dämlich wäre, jetzt so total übermüdet auf der letzten Stage nach 6 Tagen etwas zu riskieren. Also lieber smooth und piano. Allerdings war der Trail dann doch deutlich kürzer als gedacht und unten empfing uns eine Armada an Fotografen und glücklichen Rennfahrern. Nach einer Menge High-Fives und dem Austauschen der Erlebnisse ging es über irgendwelche Ziegenpfade und teils sogar durch die Kanalisation fast bis ins Zentrum von Menton, wo das eigentliche Ziel direkt am Meer lag.
Fazit
Der letzte Tag der Trans Provence hatte es nochmal so richtig in sich. Am Ende bewahrheitete sich so halb, was Sven Martin mir am ersten Tag gesagt hatte: Irgendwann kommt man einfach in so einen Rhythmus rein, in dem man nur noch funktioniert und eigentlich alles leichter wird. Bergauf war das definitiv wahr, ehrlich gesagt hätte ich sogar noch einen Tag machen können, aber meine Arme und Hände waren einfach komplett platt. Dafür hat sich ein Bad im Mittelmeer und das Bier im Ziel selten so gut angefühlt …
Ergebnisse
Die finalen Ergebnisse gibt’s hier.
Hier findet ihr alle Artikel zur Trans Provence 2019:
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence 2019: Warum tut man sich das eigentlich an?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 6: Vamos a la Playa
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 5: Haarnadelkurven im Heuhaufen
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 4: Alter, wie gehst du denn ab?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 3: Pffffft, Bummm, Autschi
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 2: Flucht vorm Gewitter
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 1: Heiß und schnell!
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence: Live-Berichte aus Frankreich
7 Kommentare