Weg vom guten Kaffee und auf zum Pain au chocolat! Unser Racing Roadtrip führt uns vom italienischen Canazei weiter nach Les Orres. Das französische Skigebiet in den südöstlichen „Haute-Alpes“ verspricht ein wahres Old School-Enduro-Rennen zu werden; lange Abfahrten, viel Lift, frisch geschnittene Stages und natürlich viele Spitzkehren. Das Programm hält acht Stages auf zwei Renntagen und rund 7000 Tiefenmeter für uns bereit. Begrüsst werden wir am Montagabend mit dem heftigsten Hagelsturm, den wir seit langem gesehen haben.
Training
Schon im ersten Trainingslauf wissen wir, dass das Rennen hier technisch anspruchsvoller sein wird als noch Canazei kurz zuvor. Da hat es nämlich im Training kaum eine Stelle gegeben, wo sämtliche Fahrer erst einmal absteigen und vor der Durchfahrt nochmals einen Linecheck machen. Hier gab es schon nach wenigen Minuten Fahrzeit am neuen Ort haarige Stellen zu bewältigen und auch ein paar spektakuläre Crashes zu beobachten. Der Boden ist von den starken Gewittern anfangs Woche noch recht feucht und erschwert die Sache um einiges.
Die zweite Abfahrt des Tages ist bereits die Queenstage, gestartet wird im alpinen Gelände mit viel Gestein. Über die mehr als 1000 Tiefenmeter vernichtende Abfahrt gibt es einen kompletten Test der Fähigkeiten zu bewältigen– es ist einmal alles gefragt! Oben noch schnell und technisch, dann wild über Wald und Wiese, „aufgelockert“ mit einem zünftigen Anstieg und im untersten Teil ein technisch, langsames Labyrinth aus großen Steinen und nassen Wurzeln, welches mit viel Geschick gefahren werden muss.
Auf dem Transfer zur nächsten Abfahrtsetappe entfernen wir uns vom Resort und fahren in Richtung Embrun. Wer sich im Spitzkehrenfahren verbessern möchte sollte diesen Trail einmal fahren, denn mehr Kehren findet man selten vor. Ich habe den Flow im Training und komme richtig gut und schwungvoll um die zahlreichen Ecken. Die Abfahrt ist für mich Sinnbild für klassisch französisches Singletrack-fahren; natürlich, teilweise etwas kompliziert, herausfordernd, aber spaßig zu fahren. Vielleicht aber lässiger einfach so zu fahren als gegen die Uhr …
Das Shutteln zur letzten Abfahrt des Tages gestaltet sich etwas komplizierter als so schon, denn unser Mechaniker für das Wochenende kann nicht Auto fahren! Also fahren wir auf gut Glück zum Stage-Start hoch und hoffen, dass irgendeine vertrauenswürdige gute Seele unseren Van wieder gen Tal fährt … Wir haben Glück und bekommen unser schadenloses Fahrzeug wieder ausgehändigt.
Tag zwei startet mit wiederum einer langen Stage mit Start auf über 2300m. ü. M. Gleich in den Rhythmus zu kommen gestaltet sich als gar nicht so einfach, die Strecke ist für meinen Geschmack recht unrund über die mit Steinen übersäte Alpenwiese gesteckt. Doch je weiter wir fahren, desto mehr fängt die Sache an Spaß zu machen. Einige der Steingärten, die man unterwegs bewältigen muss, haben es in sich. Eine Konkurrentin geht dabei so unglücklich über den Lenker, dass sie sich den Ellbogen bricht. Die Bilder rauben mir erst mal die Lust, am Gashahn zu drehen.
Immerhin bieten die kommenden Abfahrten einen mächtig viel höheren Fahrspaß; einige Abschnitte sind im Bikepark und dazu eine grosse Portion freshcut im Wald! Einfach geil zu fahren! So finden wir beide einen guten Abschluss des Trainings und freuen uns auf das Rennen. Das sich unsere Körper schon vor dem Rennen etwas müde vom Training fühlen, können wir nicht abstreiten, aber das geht den meisten so.
Raceday 1
Das Rennen startet für uns erst gegen Mittag, wir sind froh, als es endlich losgeht. Unser Warm up müssen wir im Tal erledigen, denn zu Rennstart geht es direkt mit dem Lift hoch und sogleich zur Sache. Die Abfahrt gelingt mir ganz gut, auch wenn nicht ganz so locker und schnell, wie ich das am liebsten hätte. Der im Training noch feuchte Boden ist fast komplett abgetrocknet und hat den Fahrspaß um einiges erhöht. Der darauffolgende Transfer ist viel zu kurz gehalten, deshalb geht es nach einem ultrakurzen Pit-Stopp gleich wieder hoch hinaus, die Queenstage steht an. Eigentlich liebe ich ja lange physische Abfahrten, doch ein Exploit gelingt mir keiner. Im unteren rutschigen Teil schlage ich x-mal meine Füße an irgendwelche Steine und kann von Glück reden, dass ich mich nicht noch aufs Maul lege. Auch Caro ist im Ziel sichtlich genervt, es läuft nicht wie sie möchte und Ines, die hinter ihr startet, hat sie überholt. Dazu hat sie beim einem Sturz ihre Wasserflasche verloren! Verdursten muss sie trotzdem nicht, Ines und ich haben noch genug dabei.
Auf der dritten Etappe des Tages bestätigt sich mein Eindruck vom Training, der Spitzkehren-Trail fährt sich im Renntempo gar nicht so toll, doch wahrscheinlich liegt das auch an meiner verhaltenen Fahrweise. Die letzte Abfahrt des Tages müssen wir aus purer Muskelkraft erreichen. Steil geht es an der prallen Sonne fast 1.5 h einen Kiesweg hoch, oben hat gänzlich niemand mehr einen Tropfen Wasser. Auf die Abfahrt freue ich mich dennoch, zum einen, weil sie mich mit ihren losen flachen Kurven an Finale erinnert, zum anderen ruft der Sprung in den See, der sich gleich im Ziel befindet.
Mir gelingt eine prima Fahrt, ich bin gut im Flow und trete, wo ich nur kann. Endlich zeigt auch die Rangliste wieder eine einstellige Zahl, Rang sechs auf dieser Abfahrt. Darüber freue ich mich sehr, immerhin kann ich mich auf meine Fitness verlassen und hoffe, dass ich am zweiten Renntag darauf aufbauen kann.
Raceday 2
Am Sonntag erwachen wir zu Blitz und Donner und nach einem kurzen Check der E-Mails erfahren wir, dass die längste Stage des Tages wegen unsicheren Wetters abgesagt wird. Das finden wir sehr schade, da hätten wir beide nämlich gerne die Chance genutzt, etwas Zeit aufzuholen. Und die Gewitterfront ist eine halbe Stunde später schon vorbeigezogen! In den zweiten Renntag starten wir rekordverdächtig spät um 13.30 Uhr. Einmal gestartet geht es schlag auf Schlag; Lift hoch, geile Stage runterballern, Lift hoch, nochmals eine lässige Abfahrt, dann 15 min treten und schon steht die finale Abfahrt an. Die kurze letzte Stage ist gesäumt mit Zuschauern und es herrscht eine super Stimmung! Kurze, aber intensive drei Minuten später sind wir schon im Ziel. Und da steht auch schon eine strahlende Raphaela Richter, die deutsche Raserin hat es doch echt geschafft, sich als Zweite zu klassieren. WOW! Bei den Deutschen ist es gelaufen an diesem Wochenende, Gratulation an Rapha, Texi und Ines. Wir schlagen uns mit Rang 9 und 15 unter unserem Wert und hoffen, dass wir Schweizer beim nächsten Rennen wieder aufhorchen lassen können.
Whistler Crankworx, Baby! Am 11. August steht dort das nächste EWS-Rennen an, wir freuen uns.
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