Seit Anfang September ist die internationale Downhill-Saison offiziell vorbei. Zeit für die Fahrer also, die Füße hochzulegen und die Seele für einige Monate baumeln zu lassen? Mitnichten. Aktuell werden die Weichen für die kommende Saison gestellt und allerhand Material getestet. Nun hat der Amerikaner Neko Mulally eine ganz besondere Variation seines Scott Gamblers präsentiert.
Der Amerikaner, der seit 2015 für das Team Gstaad-Scott im Downhill-Weltcup an den Start geht, gilt als einer der größten Tüftler und Fahrwerks-Experten in der internationalen Szene. Dementsprechend verwundert es nicht, dass Neko Mulally seit längerer Zeit wieder einer der ersten Fahrer ist, der mit 29″-Laufrädern im Downhill experimentiert. Bereits im Jahr 2009 hat Intense mit dem 2951 einen solchen Versuch gewagt, die Pläne anschließend aber scheinbar wieder verworfen. Ob nun die Zeit für 29er im Downhill gekommen ist?
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Das Herzstück von Neko Mulallys neuem Arbeitsgerät ist der Scott Gambler 710-Rahmen mit Custom-Lackierung, den er bei der diesjährigen Downhill-Weltmeisterschaft im italienischen Val di Sole gefahren ist. Der Rahmen in Größe XL hat einen Reach von 460 mm und 440 mm lange Kettenstreben. Ohne weitere Modifikationen bietet der Hinterbau des Gamblers von Neko Mulally ausreichend Platz, um ein 29″-Laufrad zu montieren. An der Front hingegen musste der Amerikaner zum Dremel greifen und die Brücke seiner Fox 40 modifizieren, damit das größere Laufrad ausreichend Platz hat. An dieser Stelle darf der obligatorische „Kids, don’t try this at home!“-Hinweis natürlich nicht fehlen.
Durch die 29″-Laufrädern im Rahmen, der auf 650b ausgelegt ist, verändert sich logischerweise auch die Geometrie. Damit die Winkel des 29er-Gamblers nicht allzu extrem ausfallen, hat Neko Mulally in seinem neuen Gambler einen kürzeren Dämpfer montiert: Üblicherweise kommt ein Dämpfer mit 240 mm Einbaulänge im Gambler zum Einsatz. Um das Tretlager abzusenken, griff der Amerikaner kurzerhand zu einem Fox DHX2-Dämpfer mit einer Einbaulänge von 222 mm. Dieser Schritt war allerdings etwas zu extrem – deshalb hat Mulally an seinem Custom-Gambler außerdem Offset-Bushings und einen Steuersatz, der den Lenkwinkel um 1° steiler (!) macht, verbaut. So liegt der Lenkwinkel bei flachen 62,5°, die Tretlagerhöhe bei 340 mm und der Radstand bei 1260 mm. Zum Vergleich: Das Scott Gambler 710 seines Teamkollegen Brendan Fairclough, das wir vor einigen Monaten ausführlich unter die Lupe genommen haben, hat mit regulären 650b-Laufrädern eine Tretlagerhöhe von 343 mm und einen Lenkwinkel von 62,4°.
Die sonstigen Modifikationen halten sich in Grenzen: Der Amerikaner muss die Sattelstütze etwas weiter rausgezogen als üblich fahren und hat seinen Syncros-Sattel so weit wie möglich nach vorne schieben müssen, damit dieser nicht das Hinterrad berührt, wenn ein Gambler zu tief im Federweg steht. Vorne und hinten fährt der Gstaad-Scott-Pilot Schwalbe Magic Mary-Reifen mit Super Gravity-Karkasse, die Aluminium-Laufräder stammen aus dem Hause Syncros. Übrigens: Nicht nur bei seinem Downhiller zeigt sich der Amerikaner in Experimentierlaune: So hat er kürzlich beispielsweise sein 29er-Trailbike zu einem Dual Slalom-Gerät mit kleineren Laufrädern, reduziertem Federweg und Spezialhinterrad umgebaut.
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Und wie fährt sich der Downhiller mit 29″-Laufrädern? Der Amerikaner räumt ein, dass das Fahrgefühl in Kurven etwas zweidimensional und das Scott Gambler mit großen Laufrädern nicht ganz so verspielt sei. Er sei sich nicht sicher, ob das Rad insgesamt besser oder schlechter als das 650b-Pendant ist. Es gebe aber definitiv Sektionen, wo sich die großen Laufräder deutlich besser anfühlen würden. Abschließend räumt er 29ern auch im Downhill ein großes Potenzial ein. Wir sind gespannt, wie sein Fazit nach ausführlicheren Tests ausfällt.
Sieben Jahre nach den Experimenten von Intense scheint das Thema 29er im Downhill-Weltcup also wieder an Fahrt aufzunehmen. In Zeiten, wo 29er in der Enduro World Series kein exotischer Anblick mehr sind, die Hinterbauten von Downhillern immer mehr in die Länge wachsen und der Trend im Weltcup zu schnellen, offenen Strecken geht, ist die größte Überraschung wohl, dass das Thema erst jetzt wieder aufgegriffen wird. Übrigens munkelt man auch, dass ein nicht gerade unerfolgreiches Geschwister-Trio aus Wales schon fleißig mit den großen Laufrädern rumexperimentiert hat. Zur Erinnerung: Es ist nicht lange her, dass 650b-Laufräder im Gravity-Segment wahlweise skeptisch beäugt oder belächelt wurden und man ihnen keine allzu große Zukunft eingeräumt hat. Die nächsten Monate werden wohl zeigen, ob wir bald die nächste Laufrad-Evolution im Downhill-Weltcup sehen.
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