Vor kurzem haben wir in unserem „Arbeitsgerät Spezial“ einen Blick auf die Bikes von 53 World Cup-Downhiller*innen geworfen. Aus dieser Stichprobe lassen sich einige spannende Erkenntnisse ziehen, die wir für euch aufbereitet haben!

Ein Disclaimer vorneweg: Die vorliegende Auswertung basiert auf einer sehr kleinen Stichprobe (n = 53), die deshalb nicht zwangsläufig als repräsentativ für die Gesamtheit aller Arbeitsgeräte der World Cup-Profis angesehen werden kann. Deshalb ist eine Verallgemeinerung der Ergebnisse definitiv mit Vorsicht zu genießen. Sie liefert dennoch einige interessante Erkenntnisse.

Der Ablauf

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Vor Beginn des Gruppe A-Trainings beim Downhill World Cup 2021 in Les Gets haben wir die besten Fahrerinnen und Fahrer der Welt auf dem Weg zur Startlinie abgefangen, um ein Foto zu machen. Da das Gruppe B-Training zu diesem Zeitpunkt schon lief, war es uns größtenteils nicht möglich, diese Fahrerinnen und Fahrer zu berücksichtigen. Dabei handelte es sich um Junioren, Juniorinnen und Frauen.

Auch innerhalb der Männer-Kategorie war es nicht möglich, alle Profis und ihre Bikes abzulichten. Teilweise waren die Fahrer zu sehr auf ihren ersten Trainings-Run fokussiert und haben uns deshalb ignoriert. Dazu konnten wir schlichtweg nicht alle Fahrerinnen und Fahrer, die an uns vorbeigefahren sind, anhalten. Zusätzlich haben sich einige Teams einfach sehr viel Zeit gelassen, um überhaupt mit dem Training zu beginnen. Aus diesem Grund fehlen Teams wie Canyon Factory Racing oder Norco Factory Racing komplett in der Auflistung. Da allein Canyon drei Fahrer in der Elite Männer-Kategorie (Troy Brosnan, Kye A’Hearn und Mark Wallace) hat, die aber im Zeitraum des Fotoshootings nicht erschienen sind, zeigt allein dieser Aspekt, wie stark die Ergebnisse verzerrt sein können.

Unter dem Strich konnten wir 53 World Cup-Profis und deren Bikes fotografieren. 36 der 53 Fahrer und Arbeitsgeräte gehörten der Elite Männer-Kategorie an. Aus der Elite Frauen-Kategorie waren 8 Fahrerinnen vertreten. Mit Ausnahme von Izabela Yankova stammten alle anderen Fahrer aus der Junioren-Kategorie. Alle Fotos der Profi-Bikes findet ihr hier: Arbeitsgerät Spezial – 53 Downhill World Cup-Profis und ihre Bikes

Statistiken und Erkenntnisse zu den Bikes der World Cup-Profis

Aluminium vs. Carbon: Hauchdünner Vorsprung für Alu

Alu vs. Carbon: Unentschieden!

Der Downhill World Cup gilt als die Formel 1 unter den Mountainbike-Disziplinen. Während es uns in der Formel 1 nicht wundern würde, wenn da mittlerweile selbst die Reifen aus Carbon bestehen, sieht dies im Downhill World Cup noch anders aus: 27 der 53 Rahmen bestehen aus Aluminium, der Rest – also 26 – aus Kohlefaser. Damit setzt sich Aluminium also hauchdünn durch, wenngleich man auch von einem Unentschieden sprechen kann.

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Aluminium hat also nach wie vor seine Daseinsberechtigung – insbesondere im Downhill, wo das Thema Gewichtsoptimierung zwar relevant, andere Punkte aber deutlich wichtiger sind. Im Cross Country World Cup und bei der Tour de France würden die Ergebnisse komplett anders und eindeutig aussehen. Da einige der großen Hersteller wie Commencal oder Trek jedoch auf Aluminium setzen und dazu auch einige Prototypen aus Alu gefertigt werden, herrscht im Downhill World Cup ungefähr ein Gleichstand.

High Pivot: Heiße Luft oder here to stay?

High Pivot: Mehr als nur Trend

Es wirkt so, als wären Fahrräder mit High Pivot-Hinterbau, also einem hohen Hauptdrehpunkt inklusive Kettenumlenkung, der heißeste Trend. Nicht nur im Downhill, auch im Trail- und Enduro-Bereich setzen immer mehr Hersteller auf ein solches Design. Doch wie verbreitet sind High Pivot-Bikes im Downhill World Cup?

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Die Antwort: 17 der 53 Bikes haben ein solches High Pivot Hinterbau-Design – alle stammen entweder von Trek, deren neues Session (Trek Session 2022 im ersten Test) setzt, oder von Commencal. Die Firma aus Andorra ist im Downhill World Cup sehr verbreitet und hat diesen Hype überhaupt erst ausgelöst. Die Mehrheit der Bikes setzt also nach wie vor auf einen relativ klassischen Hinterbau ohne Kettenumlenkung. Aber: Auch Firmen wie GT oder Norco, die wir nicht fotografieren konnten, sind von dem neuartigen Ansatz überzeugt. Räder mit High Pivot-Hinterbau werden so schnell also nicht aus dem Downhill World Cup verschwinden.

29″ oder Mullet: Was ist beliebter?

Business up front, Party in the rear: Mullet ist beliebter

Nach ersten Anlaufschwierigkeiten sah es lange Zeit so aus, als hätte sich 29″ vorne und hinten als Laufradgröße der Wahl durchgesetzt. Im Downhill World Cup stimmt das auch nach wie vor – zumindest im Vergleich zu 27,5″ und 26″. Doch mit einer Regeländerung, seit der es erlaubt ist, unterschiedlich große Laufräder zu fahren, hat die UCI das offizielle Go für Mullet Bikes mit großem Vorder- und kleinerem Hinterrad gegeben. Dies scheint sich immer mehr als Setup der Wahl für Downhill-Racer zu etablieren: 31 Fahrer*innen haben sich für solch einen Mullet-Aufbau entschieden. Das entspricht einem Anteil von 58 % – Tendenz steigend.

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Noch interessanter wird es, wenn man sich die einzelnen Kategorien im Downhill World Cup anschaut. Von allen Elite Männer-Fahrern haben sich 64 % für ein Mullet Bike entschieden. Das ist zwar keine signifikante Abweichung von den 58 %, aber doch ein Indikator. Innerhalb der Elite Frauen-Kategorie haben hingegen lediglich 38 % ein Mullet-Setup gewählt. Innerhalb der Junioren-Kategorien war die Verteilung Mullet vs. 29″ ungefähr gleich.

Diese Ergebnisse überraschen, wenn man bedenkt, dass insbesondere große Fahrer*innen von einem 29″-Hinterrad profitieren, während kleinere Personen eher ein kleineres Hinterrad wählen. Für die Diskrepanz des Mullet-Anteils bei den Männern im Vergleich zu den Frauen gibt es mehrere mögliche Erklärungen, die in Anbetracht der kleinen Stichprobe alle mit Vorsicht zu genießen sind.

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Eine Erklärung, die unlogisch erscheint: Die fotografierten Männer sind kleiner als die fotografierten Frauen. Diese These kann man getrost verwerfen. Ein anderer Ansatz: Männer haben Zugang zu besserem und modernerem Material. Und tatsächlich: Tahnée Seagrave, Myriam Nicole und Marine Cabirou, die allesamt Teil eines großen Teams sind und alle bei den Fotos gefehlt haben, sind auf einem Mullet-Setup unterwegs.

Ein weiterer Ansatz könnte ungefähr so lauten: Frauen sind beim Setup weniger experimentierfreudig als Männer und fahren eher die Bikes, die ihnen vertraut sind. Aufgrund der stärkeren Verbreitung in den vergangenen Jahren trifft dies eher auf reine 29er zu. Es ist also durchaus denkbar, dass sich die Verteilung innerhalb der Gruppe der Frauen der Verteilung innerhalb der Gruppe der Männer in den nächsten Jahren wieder stärker angleicht.

Übrigens: Alle 4 Gewinner und Gewinnerinnen waren in Les Gets mit einem 27,5″-Hinterrad unterwegs. Dass Thibaut Daprela, Tahnée Seagrave, Jackson Goldstone und Phoebe Gaele auf einer schnellen Strecke wie Les Gets mit einem Mullet Bike gewonnen haben, liegt sicherlich vor allem an ihrem extrem ausgeprägten Fahrkönnen. Das kleine Hinterrad scheint dabei aber eher förderlich als hinderlich gewesen zu sein.

Die beliebteste Marke: And the award goes to …

Klare Angelegenheit: Commencal und Trek

Commencal! 9 der 53 Bikes stammen vom Direktversender aus Andorra – damit stellt Commencal die meisten aller Downhill World Cup-Bikes. Das verwundert auch nicht weiter: Mit dem Commencal Muc-Off Team, Commencal 21, Commencal 100%, Dorval AM Commencal und dem schweizerischen Team Project werden gleich fünf Teams mit den Rahmen von Commencal ausgestattet. Dazu ist das Commencal Supreme aufgrund der geringen Anschaffungskosten und der zahlreichen Erfolge auch bei Privateers eine sehr beliebte Wahl.

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Dicht hinter Commencal auf Platz 2 folgt mit Trek ein Klassiker. Seit dieser Saison haben die US-Amerikaner mit ihrem hauseigenen Factory Racing-Team und dem neu gegründeten RockShox Trek Race Team um Vali Höll gleich zwei schlagkräftige Teams. Dazu setzen mit Jackson Goldstone und Izabela Yankova zwei der schnellsten Junioren-Fahrer*innen auf das beliebte Session.

Fahrwerk: Fox vs. RockShox, Coil vs. Luft

Fox und Coil liegen vorne

Fox oder RockShox? Luft-Dämpfer oder Coil? Über diese beiden Fragen lässt sich vortrefflich diskutieren – werfen wir also einen Blick auf das, was die Profis im World Cup fahren.

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Bei der Verteilung der Fahrwerk-Hersteller hat Fox klar die Nase vorn: 35 der 53 Bikes waren an der Front mit einer Fox 40 und am Heck mit dem passenden Dämpfer ausgestattet. Fahrwerke von RockShox hat man an lediglich 14 Bikes gefunden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Fox die beliebteste Marke ist – aber definitiv, dass Fox der am stärksten im World Cup vertretene Suspension-Hersteller ist. Alle 4 Gewinner waren übrigens auf einem Fox-Fahrwerk unterwegs.

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Interessant ist auch die Verteilung von Coil-Dämpfern im Vergleich zu Luft-Dämpfern, da diese unabhängig vom Suspension-Hersteller ist. Auch, wenn Luft-Dämpfer immer besser geworden sind: An Coil führt im Downhill World Cup kein Weg vorbei. Auch hier waren 35 Bikes mit einem Coil-Dämpfer ausgestattet. Das entspricht einem Anteil von ziemlich genau zwei Dritteln.

7 Gänge für ein Halleluja: Der Antrieb

Klare Sache: SRAM-Schaltwerke

Zugegeben: Großartig in die Pedale treten musste man in Les Gets kaum. Doch der Blick auf die Schaltgruppen ist definitiv interessant. Hier ist die Verteilung eindeutig: An 33 der 53 Bikes war ein Schaltwerk aus dem Hause SRAM montiert. Shimano-Schaltwerke hat man an lediglich 15 Bikes gefunden. Bleiben also noch 5 Arbeitsgeräte übrig, die allesamt mit TRP-Schaltgruppen ausgestattet waren – neben SRAM und Shimano etabliert sich also ein dritter Player.

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Auffällig ist außerdem, dass viele Teams auch dann auf SRAM-Schaltungen setzen, wenn diese nicht von SRAM gesponsort werden. Das kann verschiedene Gründe haben. Namhafte Teams wie Specialized Gravity oder Commencal Muc-Off, die beide weder von SRAM noch Shimano ausgestattet werden, setzen aber konsequent auf das X01 DH-Schaltwerk.

Wer später bremst, ist länger schnell – aber womit?

Bremsen: Shimano ist die Nummer 1

Wer denkt, dass die Verteilung der Schaltungen ein Indikator für die Verteilung der Bremsen ist, der hat sich getäuscht. Bei den Bremsen hat Shimano die Nase vorne: An 20 Bikes sind die Stopper der Japaner für die negative Beschleunigung zuständig. Auf SRAM-Bremsen setzen lediglich 14 Profis. Auffällig ist hier vor allem die Diskrepanz zwischen SRAM-Schaltungen und SRAM-Bremsen.

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Generell ist die Verteilung der Bremsen-Hersteller deutlich vielfältiger als die der Schaltungs-Hersteller, bei denen es lediglich 3 Firmen zu geben scheint. Magura (8/53), TRP (5/53), Trickstuff (3/53), Formula (2/53) und auch Hayes (1/53) sind allesamt vertreten. Ebenfalls interessant: Einige Bikes, deren Fahrer keinen Bremsen-Sponsor haben, setzen bevorzugt auf Shimano-Bremsen.

Auf der Suche nach Grip: Beliebtester Reifen-Hersteller

Maxxis und Schwalbe – danach lange nichts

Die Reifen stellen den einzigen Kontaktpunkt zwischen Bike und Untergrund dar. Generell haben in Les Gets zahlreiche Fahrerinnen und Fahrer auf Matsch-Reifen gesetzt – doch welcher Hersteller ist der Verbreitetste im Downhill World Cup?

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Die Antwort fällt eindeutig aus: Maxxis (an 21 Bikes) und Schwalbe (an 16 Bikes) teilen sich hier den Löwen-Anteil. Dahinter wird es kleinteilig: Firmen wie Specialized, Kenda, Bontrager oder Vee Tires sind allesamt vertreten. Ebenfalls nach wie vor beliebt: Reifen powered by Edding …


Welche der Statistiken haben euch besonders überrascht? Und was würde euch noch brennend interessieren?

  1. benutzerbild

    525Rainer

    dabei seit 09/2004

    Zu 29-27,5 mixed. Helfen vielleicht neuerdings die raderhebungskurven um das schlechtere überrollverhalten zu kompensieren?
    In der vergangenheit wurde auch das unterschiedliche gripverhalten der laufradgrössen bemängelt.
    Evtl ist der tiefere schwerpunkt ein vorteil?

    Weil wir bei dem thema mir unverständliche vorlieben waren: gibt es noch schlauchfahrer im wc?
    Werden die lenker wieder schmaler, die rahmen kürzer und ist der federweg eine konstante grösse trotz neuer hinterbauten?

  2. benutzerbild

    Celestiale

    dabei seit 06/2020

    wer mit den shimanos zurechtkommt hat meinen vollen respekt für die fahrskills oder alternativ schrauberskills. das kannst du auch im forum beobachten. da sind ja richtige wartungsexperten am start und die bikes erfahren eine betreuung auf wc rennmechanikerniveau. ich hab von beiden skills nicht ausreichend um damit klarzukommen. schön sind sie auch nicht und mit testsiegen kann man auch nicht angeben. mich holen sie null ab.
    Also ich habe an beiden Bikes dieselbe XT und habe weder übermäßig Fahrskills, noch Schrauberskills. Hatte damit aber noch nie Probleme.

    Ich frage mich, wozu genau soll man denn Fahrskills brauchen? Sowohl auf den Hometrails, als auch im Park, als auch bei langen Alpenabfahrten noch nie Probleme mit der Bremsmodulation gehabt und bremse problemlos blockierfrei, egal ob bei 5 oder 50km/h. Wandernder Druckpunkt ist mir noch nie(!) aufgefallen. Auch andere Negativpunkte, die gerne vertreten werden treffen absolut nicht zu - geklappert hat bei mir noch nie was.

    Demgegenüber hatte ich zuvor an so ziemlich jeder Bremse was zu meckern ...egal ob irgendwas von den SRAMs oder Cura 4 - meist abnehmende Bremskraft (SRAM), seltsames "Deadzone"-Gefühl (SRAM) oder generell nicht genug Bremspower bzw. auf Dauer zu viel Unterarmkraft notwendig (Cura). Ich dachte ehrlich gesagt, Bremsen sind einfach noch nicht "so weit", dass sie keine Probleme machen, zumindest im Sub-500€ Bereich. Bis ich zum ersten mal mit der XT unterwegs war. Magura bin ich noch keine gefahren und von ner Trickstuff träume ich nur.
  3. benutzerbild

    525Rainer

    dabei seit 09/2004

    Ok überzeugt. liegt im warenkorb. Alternativplan, sponsoring von trickstuff.
    Aber erst wenn die a4 probleme macht.

  4. benutzerbild

    Buberino

    dabei seit 07/2012

    Das ging jetzt fix.

  5. Ob Scott sich ärgert nicht am high pivot festgehalten zu haben ?

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