Was passiert, wenn in einer Autofirma, die unter anderem Geländewagen entwickelt, drei Ingenieure dem Bikefieber verfallen sind? Man schnappt sich natürlich die Fahrzeuge, um irgendwo radeln gehen zu können. Die Anfahrt gestaltet sich dabei dementsprechend auch etwas komplexer: von Barcelona geht es los, quer durch Europa – bis nach Ölgiy in der Westmongolei. Ab hier wird das Altaigebirge, Heimat von Nomaden und Adlerjägern, weiter per Rad durchquert. Der Fotograf David Ponce hat von diesem Abenteuer eine beeindruckende Fotostory mitgebracht.
Der lang erwartete Tag steht endlich vor der Tür. Wir haben Monate gebraucht, um uns auf dieses neue Abenteuer vorzubereiten. Endlose Besprechungen, Planungen und dann strapaziert das Beantragen der verschiedenen Visa noch extrem die letzte Geduld … Und schließlich, als ob wir die Geschichte der drei Schiffe von Christoph Kolumbus nachstellen würden, fahren wir mit drei Seat Atecas in die Mongolei. Wir sind keine erfahrenen Kapitäne wie Martín Alonso Pinzón, Vicenta Yáñez Pinzón oder Juan de la Cosa, die am 3. August 1492 mit ihren Booten den Hafen von Palos de la Frontera verließen. Aber wir haben den gleichen Drang, uns unbekannte Länder kennenzulernen.
Mehr als 8.000 Kilometer warten auf uns, bis wir die Stadt Ölgiy in der Westmongolei erreichen. Dort angekommen fahren wir zum Tavan Bogd Nationalpark. Von hier aus starten wir eine mehrtägige Rundreise, bei der Seen und schneebedeckte Berge unsere Begleiter sein werden.
Die Fahrt durch Europa bringt nicht viele Schwierigkeiten mit sich, aber je weiter östlich wir kommen, desto schlechter werden die Straßen. Die Abschnitte ohne Asphalt werden immer zahlreicher. Und die wenigen Straßen, die noch asphaltiert sind, befinden sich in Reparatur – was zu riesigen Warteschlangen führt. Die Einheimischen, die hier tagtäglich mit dieser Mobililitätsproblematik konfrontiert werden, haben ihre eigenen Lösungsansätze dafür gefunden: Sie quetschen sich am Rand vorbei oder fahren sogar einfach in die entgegengesetzte Richtung, ohne schlechtes Gewissen. Interessanterweise aber auch ohne jeglichen Tadel der anderen Fahrer. Für sie ist es normal und wir haben kein Problem damit, uns diesem Beispiel anzupassen.
Die Tage im Auto vergehen und unser erstes Ziel kommt in Sicht – doch zuerst müssen wir die russisch-mongolische Grenze überqueren, was uns mehrere Stunden Wartezeit und Papierkram beschert.
Eine lange Abfahrt von der Grenze führt uns in die Stadt Ölgiy, wo schon das Team von Round Square Adventures auf uns wartet. Da sie mehrere Jahre in der Westmongolei Fatbike-Touren angeboten haben und so viel Erfahrung sammeln konnten, setzen wir auf sie als Reiseleiter während unseren Trips. Sie kennen die Einheimischen, die Adlerjäger, die Lage des Landes und die Wetterbedingungen in dieser abgelegenen Gegend. Wir fühlen uns bei ihnen in guten Händen.
Der nächste Tag dämmert sonnig und die frühe Hitze schon um 7 Uhr morgens kündigt einen harten ersten Tag im Sattel an. Von Ölgiy aus liegen 60 Kilometern ständiger Aufstieg neben dem Fluss Hovd vor uns, bis wir eine flache Stelle im Tal erreichen, wo wir unser erstes Nachtlager aufschlagen.
Am zweitem Morgen steht wieder ein langer Uphill auf dem Programm; wir treten in die Pedale, stetig nach oben. Nach endlosen Höhen und Tiefen – geographisch und mental gesehen – folgt irgendwann eine wunderbare Überraschung am höchsten Punkt der Tour: Als alles so aussieht, als müssten wir wieder am Ufer desselben Flusses lagern, stehen wir auf einer Kuppe und wir können endlich in das nächste Tal schauen. Die enorme Aussicht auf einen riesigen See mit weißen Sandstränden verschlägt uns förmlich die Sprache. Ja, kilometerlange weiße Sandstrände. Eine allgemeine Begeisterung verzaubert uns und wir radeln mit aller Kraft, um zum See zu gelangen und ein erfrischendes Bad als Belohnung für unsere Mühe zu nehmen. So können wir die Nacht am Ufer des Lake Khotons verbringen. Sein kristallklares Wasser spiegelt die umliegenden Berge wider und bietet fast schon kitschig traumhafte Postkartenbilder.
Von nun an ändert sich die Landschaft drastisch. Wir waten durch Flüsse und überqueren halb zerstörte Holzbrücken. Ständig geht es unzählige Hügel hoch und wieder runter, was konditionell sehr anspruchsvoll ist. Die Tage vergehen und das harte Gelände fordert seinen Tribut von uns und den Begleitfahrzeugen. Die alten Geländewagen der Locals scheinen noch mehr zu leiden und müssen täglich von ihren erfahrenen Fahrern repariert werden. Diese sind das aber offensichtlich gewohnt, denn nur wenige Minuten Zeit reichen, um etwa einen perforierten Verteiler zu wechseln.
Ohne es zu merken, sind neun Tage vergangen, und zum Abschied müssen wir heute den höchsten Punkt der Route erreichen. Dies ist der Gardag Davaa Pass, der uns auf 2.700 m Höhe hinaufbringt. Die Aussicht von dort ist spektakulär, aber der starke Wind und die Kälte sind so gnadenlos, dass kein langes Verweilen möglich ist. Wir ziehen uns warme Kleidung an und beginnen die Abfahrt, ohne die ominösen schwarzen Wolken zu beachten, die aus dem Nichts zu unserer Linken erscheinen. Es geht fast zwanzig Kilometer bergab. Unsere Hände frieren allerdings gefühlt am Lenker fest und jegliches Gefühl verschwindet aus den Fingern. Bremsen ist kaum mehr möglich. Die einzige und sicherste Lösung besteht darin, anzuhalten und zu versuchen, sie wieder aufzuwärmen. Doch die Natur ist launisch und scheint sich heute gegen uns verschworen zu haben. Innerhalb weniger Minuten wird aus einem strahlenden Tag ein wahrer Sturm, der all seine Wut auf uns loslässt, Sturzfluten verursacht und den unbefestigten Weg zerstört, dem wir bis nach Ölgiy folgen wollen. Stunden später als geplant kommen wir tatsächlich an. Wir sind durchnässt, zitternd vor Kälte, mit Schlamm bedeckt und müde, aber lächelnd von Ohr zu Ohr.
Es waren harte Tage, aber die Erlebnisse, die uns Mutter Natur beschert hat, gleichen all unsere Schmerzen mehr als wieder aus. Round Square Adventures half uns, sicher durch Schlamm, Flüsse und Steingärten zu gelangen und zeigte uns die spektakulärste Landschaft des Altaigebirges. Jetzt liegt es an uns, unsere drei Schiffe wieder in den sicheren Heimathafen zu bringen. Eine lange Reise von fast zehntausend Kilometern, mit viel Zeit und Raum, um von neuen Abenteuern zu träumen.
Was war bisher eure weiteste Reise, um einen Bikeurlaub zu machen?
MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von David Ponce kostenfrei zur Verfügung gestellt.
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