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Kona Process 153 DL – Lang und steif statt kurz und weich

Kona Process 153 DL im Test: Kurz oder lang, weich oder steif? Wer glaubt, bei diesen Fragen in die Diskussion einer gut gelaunten Frauenrunde geplatzt zu sein, der irrt. Die Fragen richten sich an eine Thematik, die technikinteressierte Fully-Fahrer seit einiger Zeit zu beschäftigen scheint: der Trend zu langen Hauptrahmen, kurzen Vorbauten und ebenfalls kurzen Hinterbauten. Das Motto bei Kona: Long Reach – Short Stem. Während Frau das Maß nach vorne anlegt, so beschäftigt Mann das Hinterteil. In diesem speziellen Fall lässt unser Kandidat in Sachen Länge keine Wünsche offen: Es ist kurz und steif – doch ist das wirklich wünschenswert?

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Spaß beiseite, die Sprache ist von Konas neuem All Mountain- und Enduro-Bike „Process“. Kona geht das oben angesprochene Konzept „Long Reach – Short Stem“ noch einen Schritt weiter und verschärft die Thematik mit dem Ruf nach maximaler Steifigkeit am kurzen Heck. Was hinter diesem Ansatz steckt und ob die Idee berechtigt ist, versuchten wir in einem Praxis-Test zu klären. Testobjekt war das brandneue Kona Process 153 DL, welches auf ebenjener beschriebenen Philosophie basiert.


# Kona Process 153 – Modell 2014

Kona Process – die Idee

Die Mitte des Jahres vorgestellte und auf den Namen „Process“ getaufte Produktlinie soll Kona frischen Wind einhauchen. Nachdem es um Kona ruhig geworden war, schien ein neues Konzept her zu müssen, eines, das modern und richtungsweisend sein sollte – ein Konzept mit der Wirkung eines Paukenschlags. Der Paukenschlag ist Kona nicht ganz geglückt, aber dennoch kann das kanadisch/US-amerikanische Unternehmen wieder für Aufsehen sorgen wie seit Jahren nicht mehr.

Das frisch geweckte Interesse der Kunden verdankt Kona den neuaufgelegten Modellen „Process“ und „Carbon Operator„. Beide Plattformen basieren auf einer Philosophie, die nach maximaler Hinterbau-Steifigkeit, einem möglichst kurzen Heck sowie einem langen Hauptrahmen schreit. Die Gründe dafür sind schnell erklärt: Ein langer Hauptrahmen soll durch Laufruhe Sicherheit vermitteln und in Kombination mit einem sehr kurzen Hinterbau beste Wendigkeit gewährleisten. Zudem soll der lange Hauptrahmen flache Lenkwinkel jenseits der 66° überflüssig machen, was dem Bike zusätzliche Agilität ohne Nervosität verleihen soll.

Neben der Geometrie ist auch die Steifigkeit ein elementarer Bestandteil im Konzept des „Process“ und „Carbon Operator“. Höchste Steifigkeit in allen Bereichen des Process-Alurahmens soll dessen Eigendynamik auf ein Minimum reduzieren. Flex im System könne man mit einer ungedämpften Feder vergleichen, die mit Krafteinflüssen unkontrolliert umgehen würde. Ein steifes System hingegen würde die Kräfte dorthin leiten, wo sie korrekt aufgefangen und umgewandelt werden könnten – in den Federelementen, so die Aussage von Chris Mandell [Kona Produkt Manager] und Jack Russell [Kona Ingenieur].

Einen tieferen Blick in die Materie zum Thema Kona „Process“ liefert euch dieser Artikel vom Kona Product Launch [inkl. Audios mit Erklärungen von Produkt-Manager Chirs Mandell]: Kona Process 2014 – Media Launch in Serfaus.


# Front und Heck: 425 mm kurzer Hinterbau bei 27,5″-Laufradgröße und ein 40 mm kurzer Vorbau

Der erste Eindruck

Im neuen Bike Park Serfaus-Fiss-Ladis verschafften wir uns einen ersten Eindruck von den Praxis-Qualitäten des neuen Process. Mit dem Top-Modell 153 DL, welches auf 27,5″-Laufrädern steht und 153 mm Federweg zur Verfügung stellt, ging es auf Bike Park-Strecken sowie ausgewiesen Single Trails zur Sache. In der Gondel konnten wir das Kona Process 153 DL erstmals in Ruhe unter die Lupe nehmen.

Während beim großen Bruder Kona Operator bereits Carbon als Rahmen-Material zum Einsatz kommt, setzt Kona beim neuen Process vorerst noch auf Aluminium. Die Betonung liegt auf vorerst, denn die Rahmennummer wird schon jetzt von einem unauffälligen „AL“ ergänzt – was darauf schließen lässt, dass auch das Process früher oder später als Carbon-Verison erscheinen wird. In Sachen Formgebung setzt man am Process auf eine organisch anmutende Linienführung. So geht die Line des äußerst tiefgezogenen Oberrohrs geradewegs in die Sitzstreben über. Das Process wirkt modern, kommt aber ganz ohne eine derzeit so im Trend liegende „Hängebauchschwein“-Optik aus. Einzig der unschöne Sitzdom passt nicht so recht ins sonst so schlüssige Gesamtbild.

Schlucken mussten wir beim Blick in die Preisliste: 4.399 Euro ruft Kona für das Process 153 DL ab – und das bei einem Alu-Rahmen. Die Komponenten sind durch die Bank zweckorientiert und versprechen eine lange Lebensdauer. Einzig der Antriebsmix mit SRAM X7 Umwerfer und X9 Alu-Kurbel werden dem Anschaffungspreis nicht so ganz gerecht. Erfreulich ist die bissige Shimano XT Bremsanlage mit großen ICE-Tech Bremsscheiben.


# Rock Shox Fahrwerk, Shimano XT Scheibenbremsen und Naben, SRAM Antrieb: das Paket schlägt mit 4.399 Euro zu Buche.


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Kona Process 153 DL – im Gelände

Getestet von Maxi

Bevor es auf den Trail geht, wird das Bike angepasst. Um den Hinterbau möglichst effektiv arbeiten zu lassen, empfiehlt mir Process-Entwickler Jack Russel am Heck einen SAG von 30% einzustellen. Obwohl das für ein Enduro eher die obere Grenze darstellt, fühlt sich der Hinterbau des Process beim Aufsitzen sportlich straff an. Auch die Sitzposition ist sportlich. Mit 1,81m Körpergröße falle ich laut Kona „Size Chart“ genau zwischen Rahmengröße „M“ und „L“. Aufgrund meiner Vorliebe für lange Hauptrahmen entscheide ich mich für „L“, da der Hauptrahmen mit einem Reach von 460 ebenso lang ausfällt wie meine privaten Bikes. Trotz 40 mm kurzem Vorbau stehe ich gestreckt über dem Bike.

Auch die Sitzposition ist sportlich, jedoch keineswegs unangenehm. Der erste Uphill stellt die Kletterfähigkeiten des Process auf die Probe: Am steilen Anstieg neigt die Front mit 160 mm Federgabel keineswegs zum Steigen – die Pike RCT3 Solo Air ohne Absenkung ist somit absolut richtig am Platze. Auch das recht hohe Gewicht von knapp 14,3 kg macht bei entspannter Fahrweise keineswegs negativ bemerkbar. Lediglich im Sprint wirkt da Process etwas träge, was sich auf die relativ schweren Laufräder zurückführen lässt.

Am Hinterbau liegt es nicht, denn der behält auch im Wiegetritt Ruhe und punktet durch geringe Antriebseinflüsse. Ob dieser gute Vortrieb auch der steifen Hinterbaukonstruktion zu verdanken ist, sei mal dahingestellt. Der Vortrieb ist wirklich gut, spürbar besser als bei der Konkurrenz in dieser Klasse [auf dem Preis-Level jedoch meist mit Carbon-Rahmen] ist er jedoch nicht. Was die Antriebssteifigkeit anbelangt sind jedoch alle hochwertigen Enduros mittlerweile ziemlich gut – der Unterschied bei Kona liegt in der Gesamtsteifigkeit. Diese lässt sich demnach erst im Gelände beurteilen.


# Flott geht es dahin auf ebener Strecke. Das Kona Process 153 DL macht trotz hohem Gewicht keinen schwerfälligen Eindruck. Bild: Kona Bicycles, Ale Di Lullo

Auf den ersten Trail-Metern fühle ich mich sicher und gut aufgehoben auf dem Process. Im Stehen zieht mich die lange tiefe Front nach vorne, wodurch ich Druck auf den Lenker bringe. Mit zunehmendem Vertrauen ins Bike lasse ich die Bremsen auf, um Schritt für Schritt den Grenzbereich auszuloten. Dieser ist jedoch schnell gefunden, schon in den ersten engen Kurven neigt das Bike zum Untersteuern. Für mich die unangenehmste Eigenschaft eines Bikes. Der sehr kurze Hinterbau bringt über die Hebelverhältnisse kaum Druck aufs Vorderrad und so verlangt das Bike nach viel Gewicht über dem Lenker. Ich lasse mich auf die Geometrie ein und gehe mit dem Oberkörper noch weiter vor, um noch mehr Druck aufs Vorderrad zu bringen. Anfangs fühlt sich das etwas ungewohnt an, doch stellt sich in Sachen Untersteuern schnell Besserung ein.

Der Trail wird schneller, die Kurven weiter und die Schläge immer härter. Durch meine gestreckte Körperhaltung fällt es mir teilweise schwer mit festem Stand auf den Flatpedals zu bleiben – vereinzelt schlägt es mich förmlich runter. Es mangelt der straffen Hinterbaufederung etwas an Sensibilität. Das Hauptproblem ist jedoch ein anderes: Um das Vorderrad sicher auf Spur zu halten kann ich mein Gewicht nicht weiter nach hinten verlagern, um mich besser gegen die Pedale zu pressen [ein kürzerer 30mm Vorbau könnte Abhilfe schaffen]. Diese Entlastung am Heck sorgt für eine weitere Problematik.

Anbremspunkte auf dem Trail werden bei schneller Fahrweise zur kritischen Herausforderung: Der etwas unsensibel arbeitende Hinterbau sorgt beim Anbremsen unter Einwirkung von schnellen Schlägen rasch für Traktionsverlust am Hinterrad. Vor allem bei hängenden Kurven wirkt sich das besonders drastisch aus. Der Traktionsverlust und das fehlende Gewicht über dem Hinterrad sorgen immer wieder für unkontrolliertes Übersteuern bis hin zum Wegrutschen. Mehrere Versuche eine sattere Performance des Hinterbaus über Feineinstellungen am Dämpfer zu erlangen, bleiben ohne Erfolg.


# Dank des kurzen Hinterbau geht das Bike spielerisch leicht aufs Hinterrad. Bild: Kona Bicycles, Ale Di Lullo

Ich kann mir die Problematik nur so erklären: Wo ein „normaler“ Hinterbau seitliche Kräfte mit etwas Flex aufnimmt und dem Hinterrad dadurch erlaubt sich passend zum Untergrund auszurichten, bleibt der Process-Hinterbau „statisch“ und reicht die Kräfte an den Dämpfer weiter. Dämpfer und Hinterbau erbringen jedoch nicht die Leistung, die nötig wäre, um das zu kompensieren [sei es aufgrund des Dämpfers, eines schlechten Tunes oder aufgrund der Hinterbau-Kinematik: hier lässt sich nur spekulieren]. Dieser Fahreindruck setzt sich so über den gesamten Trail fort. Schnelle intensive Schläge – wie beispielsweise bei einem Wurzelteppich oder in Steinfeldern – sorgen für Unruhe und oftmals für Traktionsverlust am Hinterrad. Die Folge: Ich verliere das Vertrauen ins Bike und bin mehr damit beschäftigt mir meine Linien zu erkämpfen, anstatt auf dem Bike entspannt Trails zu surfen.

Im Bike Park

Nach einer schönen Enduro-Tour setze ich den Test im Bike Park fort. Auf den für Biker ausgelegten, künstlich errichteten Strecken zeigt das Kona Process 153 DL dann recht unverhofft ein gänzlich anderes Gesicht. Auf den gut geshapten Strecken macht das Bike unheimlich Spaß und erinnert von seiner Fahrdynamik mehr an ein verspieltes DH-Bike als an ein Enduro. Das Bike lässt sich bestens in Anlieger drücken, durchzieht diese spurtreu und verlässt sie am Ende mit mehr Speed als bei Kurveneingang. Der straffe und zudem progressive Hinterbau sorgt für eine gute Grip-Balance zwischen Vorder- und Hinterrad und ermöglichen es, aus jedem Anlieger mächtig Schwung aufzubauen. Auch auf Sprüngen präsentiert sich das Process sehr souverän und erinnert in seinem Verhalten etwas an Specializeds Demo.

Um mir einen letzten Eindruck zu machen, geht es auf den „Hill Bill“ Trail. Eine Art DH-Strecke, die jedoch eher einem flowigen Single Trail gleichkommt. Auch wenn das Process hier stellenweise mit ähnlichen Symptomen wie eingangs beschrieben zu kämpfen hat, macht das Bike auf diesem Trail mit schnellen Richtungswechseln und ohne harte Schläge richtig Spaß. Das Bike scheint in seinem Element zu sein. Dank des tiefen Tretlagers und des kurzen Hinterbaus lässt sich das Process quirlig verspielt über das Hinterrad ziehen und manövrieren. Das Durchzirkeln der Bodenwellen und Serpentinen lässt Pumptrack-Feeling aufkommen und mit jeder Bewegung scheine ich mehr Geschwindigkeit aufzubauen. Es scheint, als hätte ich den angestammten Einsatzbereich des Process gefunden.


# Fahrspaß pur: Auf den flowigen Trails im Bike Park war das Kona Process 153 DL in seinem Element. Bild: Kona Bicycles, Ale Di Lullo

Gedanken

An der Liftstation gesellt sich Produkt-Manager Chris Mendell zu mir. Er war maßgeblich für die Entwicklung der Process-Familie verantwortlich. Begeistert schwärmt er mir von den lokalen Testbedingungen vor, die man in seiner Heimatstadt Bellingham nahe dem Kona-Hauptquartier in Ferndale/Washington State vorfinden würde. Es sei ihnen besonders wichtig gewesen, jeden Entwicklungsschritt des Process direkt in der Praxis zu erproben und zu hinterfragen. Auf den flowigen Trails hätte sich das Bike dabei bestens bewiesen.

Im weiteren Gesprächsverlauf schildert er mir die Testbedingungen: Abwechslungsreiche, meist künstlich für Biker angelegte Trails mit vielen Anliegern und Sprüngen. Das ergibt Sinn: Genau so hätte ich das ideale Einsatzgebiet des Process beschrieben. Wie so oft zeigt sich, wie sehr sich Bikes nordamerikanischer Marken an den dort vorzufindenden Trail-Möglichkeiten orientierten, die sich doch so sehr von den Trails hiesiger Gefilde unterscheiden. Trail-Parks, angelegte Single Trail-Runden oder Strecken á la Flowtrail hinter der Haustüre – in Deutschland zweifelsohne eher die Seltenheit. Doch gehört das Kona Process 153 DL genau auf solche Trails.

Da Kona die Geometrie und die daraus resultierende Gesamtbalance des Bikes gut geglungen ist, könnte das Bike ein richtig heißes Eisen unter den Enduro-Bikes sein. Wäre da nicht das angesprochene Problem mit dem Hinterbau. Fraglich ist, ob der Hinterbau mit einem anderen Dämpfer oder evtl. schon mit einem anderen Dämpfer-Tune effizienter arbeiten würde. In diesem konkreten Fall hatte ich keine Gelegenheit das auf die Probe zu stellen, doch sagt mir meine Erfahrung, dass abfahrtsorientierte Dämpfer wie der Cane Creek Double Barrel Air in solchen Enduros wahre Wunder bewirken können. Ein so steifes Heck, das durch Flex keinerlei Fehler verzeiht und seitliche Schläge aufnimmt, verlangt nach einer perfekt arbeitenden Federung. Wäre das gegeben, so wäre das Process für alle Eventualitäten gewappnet.


# Whip it! Bild: Kona Bicycles, Ale Di Lullo

Test-Fazit zum Kona Process 153 DL

Das Kona Process 153 DL begeistert durch seine Geometrie, die einen großen Einsatzbereich abdeckt: Länge für Laufruhe auf schnellen Strecken und dank kurzem Heck und gutem Lenkwinkel immer noch agil. Man fühlt sich wohl und bestens aufgehoben auf dem Process – solange es nicht richtig ruppig wird. Dank kurzem Hinterbau und tiefem Tretlager macht es besonders viel Spaß mit dem Process über künstlich angelegte Trails zu jagen oder aber bei weniger schneller, aber dafür agiler und verspielter Fahrweise enge technische Wald-Trails („Fichten-Slalom“) zu meistern. Für einen Preis von 4.399 Euro könnte das Rad jedoch leichter sein.

Pro:

Contra:

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Test und Redaktion: Maxi Dickerhoff // Bilder: Ale Di Lullo [Kona Bikes]

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