Das erste Highlight der Mountainbike-Wettkämpfe bei den European Championships in München sorgte für Begeisterung an der Rennstrecke. Die besten männlichen Elite-Fahrer des Kontinents bescherten den unzähligen in den Olympiapark von München geströmten Fans ein Spektakel mit vielen Positionswechseln und verdienten Medaillengewinnern.

Pidcock wieder einmal eine Klasse für sich

Der Olympiasieger rast auch zum Europameistertitel: Tom Pidcock wurde seiner Favoritenrolle im Rennen der männlichen Eliteklasse bei den European Championships im Münchner Olympiapark gerecht und triumphierte in souveräner Manier vor dem Dänen Sebastian Fini und dem Schweizer Filippo Colombo. Über lange Zeit mittendrin im Medaillenkampf, aber mit Schwächen am Ende des Rennens, schaffte Luca Schwarzbauer als bestplatzierter deutscher Fahrer den Sprung auf Rang zehn.

Zuschauerbegeisterung am Olympiaberg in München
# Zuschauerbegeisterung am Olympiaberg in München - Der schlechten Wettervorhersage zum Trotz sind tausende Fans an die Rennstrecke in München geströmt und sorgten für eine tolle Stimmung.

Ungeachtet der Schockstarre innerhalb der Mountainbike-Szene durch die Vermeldung des positiven Dopingbefundes des Schweizers Mathias Flückiger feierten Fans und Fahrer an und auf dem Rundkurs rund um den Olympiaberg ein wahres Mountainbike-Fest. Der Wettergott hatte nach dramatischen Wettervorhersagen ein Einsehen und öffnete seine Schleusen nur minimal, sodass ein mögliches Schlammrennen ausblieb. Dadurch reduzierte sich die Anzahl an ungewissen Faktoren innerhalb des Rennens auf ein Minimum, ein faires Rennen war somit garantiert.

Und dies wurde eröffnet mit einem regelrechten Feuerwerk der deutschen Starter, die sich in Person von Max Brandl und Luca Schwarzbauer nach der Startrunde an die Spitze setzten und damit den Olympiaberg zum Brodeln brachten. Die Stimmung war auf dem Höhepunkt, doch das Feld blieb unter dem Tempodiktat der beiden Deutschen noch dicht beisammen. „Ich hatte etwas Glück in der Startaufstellung, da war vor mir plötzlich ein Loch und dann stand ich schon in der zweiten Reihe. Hab dann am Start auch die Lücken gut gefunden und war schnell auf Zwei. Eigentlich dachte ich, es wäre cleverer hier zu bleiben, aber dann wollte ich doch das Feeling mitnehmen und mal schauen, was geht, wenn ich nach vorne gehe“, berichtet Brandl später im Ziel.

Das nicht allzu hohe Tempo an der Spitze von Brandl und Schwarzbauer führte unter anderem dazu, dass der Top-Favorit Tom Pidcock seinen Startplatz in den hinteren Reihen entspannt ausmerzen konnte. Aufgrund eines Sturzes am Start lag Pidcock anfangs noch weiter zurück als ursprünglich vorgesehen, doch der Brite lies sich nicht aus der Ruhe bringen und machte Stück für Stück an Boden gut. Während sich Pidcock immer weiter nach vorne kämpfte und in Runde vier von acht schließlich an der Spitze des Feldes angekommen war, verlor der deutsche Meister Max Brandl den Anschluss an die Spitze.

Während Brandl die Kräfte bei seiner Rückkehr ins Renngeschehen nach seiner nunmehr dritten Verletzungs- bzw. Krankheitspause in dieser Saison verließen, drehte Tom Pidcock an der Spitze nun so richtig auf. Nachdem der Brite die Führung übernahm, blies er unmittelbar zur Attacke und sprengte das Spitzenfeld erstmalig entscheidend. Zunächst konnten noch der Franzose Victor Koretzky und der Schweizer Filippo Colombo folgen, doch bereits eine Runde später waren auch diese beiden Fahrer nicht mehr in der Lage das Hinterrad des Olympiasiegers zu halten.

Schnell wuchs der Abstand auf die Verfolger, die sich anschließend wieder in einer rund zehnköpfigen Gruppe versammelten, an – mit 30 Sekunden Vorsprung ging Pidcock schließlich in die abschließenden drei Runden. Und dort ließ der Brite nichts mehr anbrennen, stürmte somit zum ersten Europameistertitel auf dem Mountainbike in seiner Karriere. „Es war zu Beginn fast wie ein Cyclocross-Rennen – superschnell und man konnte kaum überholen. Das war sicher nicht ideal. Aber irgendwann lief es ziemlich gut und ich konnte mein Ding machen“, so Pidcock.

Der Olympiasieger ist nun auch Europameister
# Der Olympiasieger ist nun auch Europameister - Tom Pidcock wurde seiner Favoritenrolle in München gerecht und stürmte unaufhaltsam zum Sieg.

Im Kampf um die verbliebene Silber- und Bronzemedaille entwickelte sich ein taktisch ausgeprägtes Rennen in der Verfolgergruppe, das insbesondere durch eine Vielzahl an schweizerischen Fahrern geprägt wurde. Neben Titelverteidiger Lars Forster und Thomas Litscher war es insbesondere der Zweitplatzierte des vergangenen Weltcuprennens in Mont-Sainte-Anne, Filippo Colombo, der immer wieder die Gruppe versuchte zu sprengen. Ein durchschlagender Erfolg blieb aus, erst in der letzten Runde zerfiel die Gruppe in seine Einzelteile: Der Däne Sebastian Fini bewies schließlich das größte Stehvermögen, konterte stets die Attacken von Colombo und Co. und schob sich kurz vor dem Ziel auf den Silberrang. „Natürlich wollte ich Tom Pidcock folgen als er attackiert hat. Aber wir alle haben recht schnell gemerkt, dass wir nur noch um Silber kämpfen werden und da habe ich einfach auf meine Form vertraut. Die ist aktuell sehr gut und ich bin sehr stolz die Silbermedaille hinter dem Olympiasieger gewinnen zu können.“

Mit taktischer Raffinesse ins Medaillenglück
# Mit taktischer Raffinesse ins Medaillenglück - Sebastian Fini setzte sich auf den letzten Metern noch an die zweite Position und sicherte sich somit die Silbermedaille.

Filippo Colombo konnte sich nach seinen Tempoverschärfung im letzten Renndrittel belohnen und war damit im Großen und Ganzen auch zufrieden: „Ich habe alles gegeben, um mit Pidcock mitzugehen, musste aber einsehen, dass es heute nicht reicht. Ich konnte mich dann in der vierten, fünften Runde hinter meinen Teamkollegen etwas erholen und am Schluss wieder von vorne fahren. Ich bin sehr zufrieden mit der Bronzemedaille“, so der BMC-Fahrer, der heute – genauso wie das gesamte Schweizer Team – unter besonderer Beobachtung stand. „Es war natürlich keine einfache Situation für uns seit den Geschehnissen gestern Abend. Wir haben versucht uns so professionell wie möglich vorzubereiten und wollten uns geschlossen als Mannschaft gut präsentieren“, gab der junge Schweizer im Ziel zu Protokoll.

Der Schweizer Verfolgungszug rollt!
# Der Schweizer Verfolgungszug rollt! - Nach dem Bekanntwerden der positiven Dopingprobe ihres Landsmanns Mathias Flückiger zeigten die Schweizer Top-Mountainbiker eine passende Reaktion mit einem geschlossen starken Ergebnis und dem Gewinn der Bronzemedaille durch Filippo Colombo.

Schwarzbauer kämpft sich in die Top 10

Die kleine, aber nicht gänzlich unrealistische Medaillenchance der deutschen Mannschaft zerbrach letztlich in der vorletzten Runde als Luca Schwarzbauer den Anschluss an die Verfolgergruppe nach und nach verlor. Merklich schwanden beim Nürtinger über das Rennen hinweg Stück für Stück die Kräfte, im Zielsprint schob er sich letztlich noch als Zehntplatzierter in die Top Ten. „Die Saison ist mega lang bisher. Ich bin einer der wenigen Fahrer, die dieses Jahr jedes Rennen gefahren sind. Unter dem Strich ist es wieder ein Top 10-Ergebnis, das ist schon gut, aber ja, ich glaube auch, dass ich das Potential habe unter anderen Umständen hier ganz vorne mitzufahren“, versucht Schwarzbauer seine Leistung einzuordnen und führt aus: „Zum Beispiel Tom Pidcock: Er kann sich einzelne Rennen rauspicken und sich gezielt auf diese Höhepunkte vorzubereiten. Er hat den Background, dich Sicherheit und auch die Resultate, um sich das erlauben zu können. Das ist eine andere Ausgangsposition. Ich muss momentan schauen, dass ich das gesamte Jahr solide Leistungen bringen, um da oben hinzukommen. Vielleicht wäre es etwas anders gelaufen, wenn ich mal zwei, drei Wochen rausnehmen kann und mich gezielt auf solche Rennen vorbereiten kann.“

Ein ebenso starkes Rennen fuhr David List, der sich über einen beachtlichen 13. Rang freuen konnte. Im Gegensatz zu seinen Landsmännern Brandl und Schwarzbauer hielt sich List zu Beginn des Rennens etwas zurück und rollte anschließend das Feld von hinten auf. Und das mit Erfolg: Nur knappe 1:13 Minuten Rückstand wies List im Ziel auf Sieger Pidcock auf. „Es lief richtig gut. Am Start war es etwas hektisch, aber ich bin wirklich gut durchgekommen und war gleich in den Top 20. Danach hab ich schnell einen guten Rhythmus gefunden und bin dann mein Ding gefahren. Zwischendrin habe ich mal kurz wieder Spitzengruppe gesehen und dachte kurz: Cool, ist noch alles drin. Aber als es gegen Ende zur Sache ging, bin ich zwar irgendwie hinten drin gehangen, konnte aber auch nicht wirklich einen Move machen. Ich bin aber super happy mir dem 13. Rang in meinem ersten Elitejahr. Das kann man so stehen lassen“ und hob anschließend nochmal die besondere Atmosphäre im Olympiapark hervor: „Es ist Wahnsinn hier. Klar, die Strecke ist mit den Möglichkeiten irgendwo begrenzt, aber vom Profil her ist es eine super moderne Strecke. Ich weiß nicht, ob ich jemals vor so einer Kulisse gefahren bin. Wenn man nicht mal mehr seinen eigenen Atem hört, dann ist das das Geilste ever.“

Mit Konstanz zum Erfolg auf Rang 13
# Mit Konstanz zum Erfolg auf Rang 13 - David List fuhr ein couragiertes Rennen und schrammte als zweitbester deutscher Fahrer nach Luca Schwarzbauer nur knapp an den Top Ten vorbei.

Als nächster deutscher Fahrer überquerte Julian Schelb auf Position 21 den Zielstrich, kurz vor Max Brandl. Der deutsche Meister war mit seiner Leistung nicht unzufrieden: „Ich war noch bis zur dritten, vierten Runde vorne dabei, musste dann aber reißen lassen aufgrund der Intensitäten. Das überrascht mich nach der Coronainfektion aber gar nicht. Das ich 20 Minuten hier mitfahren konnte ist schon geil. Das gibt mir auch etwas Hoffnung für nächste Woche.“

Georg Egger landete am Ende auf Rang 31. „Ich bin eigentlich gut weggekommen, hab mir in der ersten Kurve aber etwas in die Hose gekackt und wollte nicht voll draufhalten. Trotzdem war es am Anfang ganz ok. Danach konnte ich mich gut ausbelasten, hatte zwar das Gefühl, dass in mir noch irgendwo fünf Prozent mehr schlummern, aber das konnte ich nicht ganz auspacken. Ich war zuletzt aber etwas erkältet und bin deshalb eigentlich echt froh, dass es wieder so gut ging“, so der Bayer.

Der fünfte deutsche Starter, Niklas Schehl, musste das Rennen vorzeitig beenden.

Ergebnisse

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Wie habt ihr das Rennen im Olympiapark in München erlebt?


Alle Artikel zum MTB EM in München 2022:

  1. benutzerbild

    Giantpilote

    dabei seit 11/2018

    Wo war denn der Hr. Schurter? Verletzt?

  2. benutzerbild

    Zambou

    dabei seit 12/2015

    Wo war denn der Hr. Schurter? Verletzt?
    Herr Schurter hat sich dazu entschieden die EM zu gunsten der WM ausfallen zu lassen.
  3. benutzerbild

    Giantpilote

    dabei seit 11/2018

    Danke für die Info

  4. benutzerbild

    sandersz

    dabei seit 07/2007

    Weiß jemand mit welchen Rad Pidcock da unterwegs war ? Keine Aufkleber o.ä zu erkennen.
    So wie ich das Rennen beobachtet habe, war er einer der wenigen mit einem Hardtail !?

  5. benutzerbild

    dino113

    dabei seit 11/2020

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