Trans Madeira 2019 Tag 5: Nach dem verregneten Vormittag und staubigen Trails am Nachmittag von Tag 4 kommen wir wieder am Strand an, wo es noch einmal heißt: Essen was geht, früh ins Bett und ausruhen für den fünften und letzten Tag der Trans Madeira. Mit 43 km und 1350 Höhenmetern soll dieser noch ein letztes Mal die Fitness und die Konzentration auf die Probe stellen, bevor wir wieder Abschied von der Blumeninsel nehmen werden.
Wie jeden Tag steht auch heute früh wieder ein Reisebus für uns bereit, der uns auf den Berg bringt. Unten ist bestes Wetter, die Vorhersage hatte Sonne versprochen. Ich verzichte heute auf die Regenjacke. Je näher wir unserem Startpunkt kommen, desto nebeliger wird es draußen. Es sieht windig und etwas feucht aus.
Chri und ich haben unsere Bikes heute etwas später auf die LKWs geladen, dementsprechend bekommen wir sie etwas früher und haben einen zeitigen Start. Wir fahren über eine Kuppe, dann liegt direkt schon die erste Stage des Tages vor uns.
Stage 24
Am Start werden wir noch von zwei Briten nach vorne gelassen. Alle sind noch relativ kalt und versuchen sich direkt vor der Stage aufzuwärmen. Zum Glück soll sie nur recht kurz sein: 1,65 km und 255 Tiefenmeter gilt es zurückzulegen. Ich starte vor Chri, trete an und rolle in den Trail.
Der Trail erinnert etwas an Tag 1: Zwischen Büschen geht es recht eng über viele Steine und steinige Kurven bergab. Meine Konzentration ist heute noch nicht am Höhepunkt, ich kämpfe noch ein bisschen mit mir selbst und finde erst auf den letzten Metern der Stage meinen Flow. Ein knackiger Start in den Tag. Nach diesem Trail sollte eigentlich jeder wach sein.
Stage 25
Den Transfer zu Stage 25 legen wir zu großen Teilen schiebend zurück. Mein Körper fühlt sich für das Programm der letzten vier Tage eigentlich noch ganz gut an. Einzig die wenig ausgeprägten Waden brennen inzwischen ein bisschen, auf der steilen Forststraße wird das Schieben schon etwas anstrengend.
Am Start fragt mich der Marshall, ob ich weine. Schon seit heute früh juckt mein rechtes Auge, mehrmaliges Spülen hat bisher nicht geholfen. Vielleicht war Stage 24 deswegen auch noch etwas verschwommen. Ich verneine, erkläre kurz, was los ist und der Marshall zeigt mir einen kleinen Trick: Er massiert mein Augenlid, bis mein Auge komplett tränt. Tatsächlich fühlt es sich danach viel besser an und ich starte kurz nach Chri in die Stage.
Es geht weniger ruppig zur Sache, spaßige Anlieger und eine schwungvolle Streckenführung sorgen für Fahrspaß. Irgendwann wechselt der Trail auf eine Forststraße, ich sehe Chri vor mir und lasse die Bremse offen. Als es wieder kurviger wird, verliere ich die Sicht auf meinen Kumpel, ich bin aber motiviert und lasse die Bremse weiter offen. Es geht in einen lehmigen Hohlweg, der immer wieder mit kleinen Stufen und harten Kurven begeistern kann. Dann plötzlich wieder Eukalyptus-Wald und zerbombte Anlieger. Ich fahre so viele Inside-Linien wie möglich und stehe nach 2,1 km und 315 Tiefenmetern kurz nach Chri im Ziel. Geiler Trail, das hat richtig Spaß gemacht!
Stage 26
Der Weg zu Stage 26 führt uns das erste Mal an der Feedstation vorbei und zieht sich dann lang über Asphalt dahin. Am Ende von S25 war es noch schön warm, wir sind aber zurück in den eiskalten Wolken. Chri und ich haben noch recht gute Beine und können bergauf recht viele erschöpfte Fahrer überholen, am Start der Stage haben wir auch die Graz-Connection wieder eingeholt.
Über dem Start von S26 reißt der Himmel weder auf. Das ist die längste Stage des Tages und Pombo meinte, sie wird eine der härtesten des Rennens. Auf 3,2 km vernichten wir 520 Tiefenmeter. Nachdem der Großteil der Grazer Runde, Pombo und Andre gestartet sind, stehen Benny, Chri und ich noch am Start. Benny will uns vorlassen, Chri muss noch kurz Wasser lassen, also starte ich direkt.
Nasse, ausgewaschene Steinformationen in einem Hohlweg machen den ersten Teil des Trails zur Mutprobe: Schnell fahren und den ein oder anderen Rutscher hinnehmen oder vorsichtig abrollen? Ich fahre zügig durch, mein Rad tänzelt zwar ein, zweimal, aber ich bleibe drauf. So schlängelt sich der Trail entlang, wird irgendwann etwas offener und weniger steinig, meine Arme können den Lenker aber noch halten. Als es in den Wald geht, kann ich gleich eine ganze Menge Fahrer überholen, die mich aber teilweise auf riskante Linien zwingen. Inzwischen komme ich mit dem Boden aber gut klar, ich bin recht entspannt auf dem Rad und komme gut durch die technischen Sektionen. Wie meistens im Eukalyptus-Wald geht es etwas flowiger zur Sache als oben in den offenen Stellen. Immer wieder eine gute Mischung, wenn die Arme zum Stage-Ende weich werden!
Stage 27
Wieder geht es bergauf, diesmal aber nur etwa 20 Minuten, dann stehen wir schon am Start der 2,05 km langen Stage 27. Wir sind inzwischen sehr weit vorne, laut dem Marshall am Start sind bisher nur 2–3 Fahrer an ihm vorbei gekommen. Nachdem ein paar schnelle Jungs gleichzeitig mit uns ankommen, gehe ich nach wenigen Sekunden Pause direkt zum Start und fahre los. Mit ähnlichem Charakter wie S26, aber wenig steinig geht es los und der Trail fängt diesmal schon in der offenen Sektion an schnell und flowig zu werden. Der Starter hatte gesagt, dass es in Summe weniger ruppig sei als auf der Stage davor. Im Wald ist die Strecke aber diesmal hart: Ausgebombt, wurzelig, eine weitere Herausforderung für die Arme. Auch hier treffe ich aber meine Linien meist gut und versuche den Löchern weitestgehend auszuweichen.
Am Ende kommen noch ein paar sehr steile, enge Kurven. Ich kann sehr hoch anfahren und komme mit Schwung durch. Chri kommt etwas nach mir ins Ziel und hat Dreck am Jersey, er ist gestürzt und will etwas pausieren. Wir beobachten etwa die nächsten zehn Fahrer, wie sie sich die engen Kurven runterstürzen. Ein paar ziehen schön sauber durch das steile Schlussstück, einige gehen es vorsichtig an, einer fährt gerade über eine Kurve und landet kopfüber im Busch. Sofort wird er angefeuert sein Rad wieder auf die Strecke zu heben. Es bleibt beim Versuch, er purzelt direkt nochmal zwei Meter weiter nach unten.
Als wir Richtung letzte Stage aufbrechen, kündigt lautes Krachen den Führenden Pombo an. Ich drehe mich gerade noch rechtzeitig um und sehe ihn aus dem Augenwinkel, wie er mit ordentlich Gewalt in die Anlieger scheppert. Geil!
Stage 28
Fast ein bisschen wehmütig sind wir – nur noch eine Stage und die ist mit 1,15 km auch noch echt kurz. Wir treten Richtung Start, wieder sind es etwa 20 Minuten Transfer, diesmal auf Asphalt. Die Stage geht durch Eukalyptus-Wald, ich stelle mich auf Flow und Kurvenrutschen ein und bekomme zum Abschluss genau das noch einmal serviert. Ein kleiner Steher ist zwar nicht ganz ideal, aber ansonsten kann der wellige und kurvige Trail durchaus bespaßen. Die Arme sind fast schon ausgeruht, weil es nicht ruppig ist und der Trail ist schneller vorbei als ich es mir wünsche!
Eine Mischung aus verschiedensten Gefühlslagen überkommt mich. Ich freue mich, das Rennen abgeschlossen zu haben, ohne mich in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht zu haben und ohne große Probleme mit dem Material. Aber irgendwie ist es auch schade, dass es schon vorbei ist. Abgesehen von meinen Waden fühle ich mich noch fit genug, um noch mehr von Madeiras feinen Trails zu befahren, ob auf Zeit oder nicht ist eigentlich egal.
Wir machen keine lange Pause, klatschen nur ab und fahren dann an der letzten Levada entlang zu unserer letzten Madeira-Massage. Langsam schleicht sich eine Zufriedenheit ein und die negativen Emotionen werden ausgeblendet. Was für eine coole Woche.
Ergebnisse
Heute gibt es einen Hotel-Aufenthalt, die Räder werden für die morgige Abreise gepackt und natürlich werden die Pokale verteilt. In den Klassen Men40 und Men30 ging es bis zur letzten Stage um den Sieg. Die Men40 kann Cri Maierhofer wieder für sich entscheiden. Ein mehr als verdienter Sieg – kaum jemand war so gut drauf wie der Österreicher und hat permanent für gute Stimmung bei allen gesorgt! Gratulation Cri!
Bei den Damen und den Herren konnten die Favoriten ihren Rollen gerecht werden: Local Emanuel Pombo fährt zum zweiten Mal auf den ersten Platz, Noga Korem ist unangefochten die schnellste Frau. Nachdem unser brasilianischer Freund Andre Bretas gestern wegen der Matsch-Stages etwas zurückgefallen ist, konnte er sich heute noch den dritten Platz sichern.
Hier steht niemand unverdient auf dem Podium, besonders freuen mich aber die Platzierungen von Cri, Pombo und Andre. Pombo hatte während dem Rennen immer wieder allen möglichen Fahrern geholfen, ob bei Defekten, bei dem Versuch die Schafe von der Strecke zu halten oder bei vergessenen Timing Chips. Ein wahrer Sportsmann und ein großartiger Vertreter für die Insel!
Ich finishe auf dem 16. Platz, Chri liegt zwei Plätze vor mir. Leider wurde Stage 2 heute gestrichen, weil sich einige Fahrer verfahren haben. Zufrieden? Angesichts der Tatsache, dass ich versucht habe, nicht allzu oft Bodenproben zu nehmen und nicht zu viel zu riskieren, bin ich ziemlich zufrieden damit, wie ich gefahren bin und mir meine Kraft eingeteilt habe. Das Ergebnis ist mir nicht so wichtig und ich freue mich viel mehr darüber, eine gute Woche im Kreis einer lustigen und motivierten Truppe gehabt zu haben. Außerdem war ich echt viel auf dem Rad und konnte einige Weltklasse-Trails fahren.
04_overall_results_after_day_5Fazit: Trans Madeira 2019 – Tag 5
Tag 1 fühlt sich extrem weit entfernt an, kaum zu glauben, dass die Zeit so schnell vorbeigezogen ist. Abschließend kann man sagen: Madeira hat abgeliefert. So richtig! Eine derartig große Vielfalt habe ich bisher noch nirgends erlebt. Von tiefen Staub-Rinnen, über staubig, steinig, loses Geläuf, bis hin zu tief braunem Loam, haben die Organisatoren uns alles präsentiert, was die Insel so zu bieten hat. Der Sonnenaufgang am Meer oder der Farm oberhalb Funchals hat den Tag jedes Mal ordentlich eingeläutet. Mit gemütlicher, lockerer Stimmung und reibungsloser Organisation konnte das Rennen bei mir punkten. Eine Antwort zu meiner anfangs gestellten Frage habe ich auch gefunden: Man muss kein Vollblut-Rennfahrer sein, um hier Spaß zu haben. Wer sich seiner Grenzen bewusst ist, seine Kräfte einteilen kann und in technischem Gelände nicht aufgeschmissen ist, kann bei der Trans Madeira eine wirklich gute Zeit haben, Gleichgesinnte treffen und im rundum organisierten Rahmen genießen. Bei mir hat das Rennen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Wie haben euch Chris‘ Rennberichte gefallen?
Alle Artikel zur Trans Madeira 2019 gibt es hier:
- Trans Madeira 2019 – Tag 5: Arm-Weichspüler zum Abschluss – das Finale!
- Trans Madeira 2019 – Tag 4: Achterbahnfahrt durch Matsch und Staub
- Trans Madeira 2019 – Tag 3: Tunnel, Traumtrails, tolle Aussicht
- Trans Madeira 2019 – Tag 2: Frühling, Sommer und Herbst kombiniert!
- Trans Madeira 2019 – Tag 1: Tagesausflug um die Welt
- Trans Madeira 2019: Fahrradurlaub mal anders – Live-Berichte vom Etappenrennen!
9 Kommentare