Während die einen noch in den finalen Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele stecken und gerade erst das letzte Vorbereitungsrennen absolviert haben, sind die Wettkämpfe schon vorbei. Während Langvad, Pendrel und Co. um wichtige Weltcuppunkte kämpften, war manch eine Frau, die eigentlich im Gelände startet, auf den Straßen um Rio unterwegs. Jolanda Neff und Pauline Ferrand-Prevot waren beide mit Hoffnungen auf Medaillen nach Rio gereist. Wie sie sich geschlagen haben – das und vieles mehr lest ihr hier im mountainbikespezifischen Rückblick der olympischen Straßenrennen.
Herren: Silber für Ex-Mountainbikeweltmeister Fuglsang
Die Straßenrennen von Rio standen im Schatten vieler dramatischer Stürze. Die Strecke mit ihren 241 Kilometern und 4500 Höhenmetern gilt als die schwerste Strecke aller Zeiten bei Olympischen Spielen. Insbesondere die gefährlichen Abfahrten sorgten für mehrere schwere Stürze, wodurch auch herausragende Abfahrer wie Vicenzo Nibali sich schwere Verletzungen zuzogen. Gute Radbeherrschung war also gefordert, ehemalige Mountainbiker dadurch sicherlich im Vorteil.
Die Entscheidung der Herren fand ohne Beteiligung eines aktiven Mountainbikers statt. Zu sehr sind die Wettkampfformate unterschiedlich, sodass eine Spezialisierung zwangsläufig vonnöten ist. Doch viele Straßenprofis waren früher mehr oder weniger aktiv auf dem Mountainbike, manch einer konnte dort sogar große Erfolge feiern.
Das wohl aktuell bekannteste Beispiel ist der Däne Jakob Fuglsang. Lange Zeit galt er als eines der größten Nachwuchstalente im Mountainbike. In seinem Heimatland dominierte er während der Juniorenzeit die Konkurrenz, seinen ersten internationalen Erfolg feierte er 2005 bei den Weltmeisterschaften als Fünfter. Ein Vertrag beim damals hoch dotierten Cannondale-Vredestein Team war die Folge. 2007 gelang ihm dann sein größter Triumph auf dem Mountainbike. Bei den Weltmeisterschaften in Fort William entschied er die U23-Konkurrenz für sich, vor einem gewissen Nino Schurter. Unter anderem siegte er auch noch ein Jahr später zusammen mit Roel Paulissen beim Cape Epic. Dann folgte der Wechsel auf die Straße, wo er meist als Edelhelfer für die großen Rundfahrtkapitäne fungierte. Deshalb fehlte ihm bis dato ein richtig großer Triumph.
Nun also die olympischen Spiele in Rio: Als der 8,9 Kilometer lange Anstieg zum vorletzten Mal passiert werden musste, schließen sechs Fahrer zum bis dato führenden Michal Kwiatkowski auf, darunter auch Fuglsang. Nachdem in der darauffolgenden Abfahrt noch zwei Italiener dazustoßen, ist die entscheidende Gruppe auf und davon. Im Anstieg attackiert der Italiener Nibali, zwei weitere Fahrer können folgen, Fuglsang und die weiteren Mitstreiter verlieren etwa 30 Sekunden bis zum Gipfel.
Doch ein fürchterlicher Sturz von Nibali und dem Kolumbianer Henao verändern die Rennsituation schlagartig. Vorne versucht der Pole Rafal Majka solo seinen Vorsprung zu retten. Dahinter beäugt sich eine sieben Mann starke Gruppe, bis der spätere Sieger Greg van Avermaet attackiert. Jakob Fuglsang folgt ihm und beide jagen gemeinsam den Führenden Majka. 1,5 Kilometer vor dem Ziel stellten beide den Polen und van Avermaet sicherte sich Gold. Fuglsang kann aber Silber vor Majka sichern und feiert damit den wohl größten Erfolg seiner Karriere.
Ein weiterer Name, der vielen in der Mountainbikeszene bekannt sein dürfte, ist Alexis Vuillermoz. Bis 2012 war er hauptsächlich im Gelände unterwegs, wurde mehrfach französischer Meister in den Nachwuchskategorien und scheiterte 2012 nur knapp an der Olympiaqualifikation. Dann folgte der Wechsel auf die Straße, wo er im letzten Jahr mit einem Etappensieg bei der Tour de France auf sich aufmerksam machte. In Rio galt es für ihn vor allem wichtige Helferdienste zu übernehmen. Seine zwei Kapitäne Romain Bardet und Julien Alaphillipe hatten einen starken Wasserträger an ihrer Seite. Alaphillipe – übrigens ein ehemaliger Weltklasse-Cyclocrosser – wurde letztendlich undankbarer Vierter, Vuillermoz erreichte das Ziel als 23.
Damen: Neff holt „Diplom“
Sportlerinnen mit Vergangenheit im Mountainbikebereich findet man im Frauenfeld nicht viele. Dafür umso eher Fahrerinnen, die aktiv im Gelände aktiv sind. Jolanda Neff und Pauline Ferrand-Prevot haben sich in den letzten Jahren einen großen Namen hauptsächlich im Gelände, aber auch auf der Straße gemacht.
Ferrand-Prevot gelang im Jahr 2015 das unerreichte Kunststück, amtierende Weltmeisterin in den drei Hauptdisziplinen Straße, Mountainbike und Cyclocross zu sein. Den Auftakt machte ihr Triumph 2014 im spanischen Ponferrada. Unter anderem triumphierte sie auch noch bei einem der wichtigsten Eintagesrennen im Frauenradsport, dem Flèche Wallone. Jolanda Neff wechselt erst seit einem Jahr ab und zu auf die Straße. Die Schweizerin startete im letzten Jahr bei mehreren Eintagesrennen und konnte schon mehrfach unter die ersten Zehn fahren. Zur Vorbereitung auf das olympische Straßenrennen bestritt sie die Polen-Rundfahrt und gewann sie prompt. Die Zielsetzung der beiden wichtigsten Fahrern aus der Sicht der Mountainbiker war klar: Eine Medaille kann es schon werden.
Während die Herren den langen Anstieg viermal überqueren müssen, dürfen die Damen lediglich einmal hinauf klettern. Pauline Ferrand-Prevot versucht ihr Glück während der Anfahrt zum finalen Anstieg in einer siebenköpfigen Spitzengruppe, doch diese wird noch vor dem Anstieg wieder gestellt. Ferrand-Prevot kann wohl durch den hohen Krafteinsatz in der Spitzengruppe nicht den Führenden folgen und wird schließlich 26.
Am langen Anstieg sorgt ein Ausscheidungsfahren initiiert durch die Amerikanerin Mara Abott dafür, dass das Hauptfeld sich stetig verkleinert. Auch Jolanda Neff kann dem Tempodiktat nicht mehr folgen. In einer vierköpfigen Gruppe versucht sie schließlich auf den letzten flachen Kilometern die vier Führenden wieder einzuholen, was aber nicht gelingt. Im Sprint um den fünften Rang muss sie sich den anderen Konkurrentinnen geschlagen geben und wird schließlich Achte. Ein Erfolg für die Eidgenossin, da in der Schweiz auch bis Platz acht noch eine Anerkennung vergeben wird, das sogenannte „Diplom“.
Überschattet wurde das Damenrennen von einem grausamen Sturz der Niederländerin Annemiek van Vleuten, die in Führung liegend in der Abfahrt vor dem Ziel heftig stürzt. Reglos lag van Vleuten auf der Straße, kurzzeitig befürchtete man Schlimmstes, doch aus dem Krankenhaus gab die Fahrerin heute selbst Entwarnung:
https://twitter.com/AvVleuten/status/762619417004048384?lang=de
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