Es war nur eine Frage der Zeit und viele hatten es längst vorhergesagt, dass Specialized dem 650b-Trend mit einem 29″-Enduro entgegen treten werde. Vergangenen Herbst war es so weit: Im Rahmen des Finales der SuperEnduro-Serie präsentierte Specialized in Finale Ligure ausgesuchten Medien das brandneue Enduro 29 SE. Bis heute mussten wir uns in Schweigen hüllen doch nun ist es offiziell – im folgenden Artikel verraten wir euch alles über das neue Enduro-Paradebike der Kalifornier und stellen uns im zweiten Teil die Frage, ob die Größe 27,5″ im All Mountain- und Enduro-Sektor durch Bikes wie dem neuen Enduro 29 seine Berechtigung verliert.
Schon als die ersten Projekte zu 650b- oder eben 27,5″-Bikes bekannt wurden, sprachen sich Entwickler und Produkt-Manager von Specialized konsequent gegen die Serien-Einführung dieser Größe bei Mountainbikes aus. Was viele Firmen bislang als zu aufwendig und nicht sinnvoll beschrieben, nämlich 29″-Laufräder im gehobenen Federwegsbereich zu etablieren, möchte Specialized nun als erfolgsversprechendes Konzept an den Mann bringen.
# Specialized Enduro 29 SE – S-Works Carbon
Specialized Enduro 29 SE – Teil 1
[Hier entlang zu Teil 2 – Specialized Enduro 29 SE Fahrbericht]
Wie schon die 26″-S-Works-Version des Enduros zielt auch das neue 29er in der S-Works-Variante voll und ganz auf den stark im Aufwind stehenden Enduro-Rennsport ab. Welche Gelegenheit wäre demnach besser ein solches Race-Enduro zu präsentieren als auf einem der höchst angesehenen Enduro-Rennen der noch jungen Szene: das Finale der SuperEnduro-Serie im italienischen Finale Ligure. Unter der Voraussetzung des totalen Stillschweigens präsentierte Specialized vergangen Herbst das brandneue Enduro 29 SE.
Auf den ersten Blick machte es denn Anschein, als hätte man das 26″-Bike lediglich auf große „Beine“ gestellt. Nichts Neues also – haben bekanntlich viele Firmen ihre renommierten Modelle mit zwei Laufradgrößen im Programm. Bisher litten diese 29″-Adaptionen aber immer unter ein und denselben Symptomen: deutlich steilere Lenkwinkel, erhebliche längere Kettenstreben und wenn nicht über die Länge des Hauptrahmens ausgeglichen, oft auch unter einem unhandlich langem Radstand. Für viele Käufer waren es genau diese Punkte, die den Kauf eines solchen 29ers uninteressant machten.
Voller Stolz verkündete die Enduro 29″-Entwicklungs-Gruppe rund um Leiter Brandon Sloan in Finale Ligure, dass sie es geschafft hätten, die üblichen Defizite eines langhubigen 29ers am neuen Enduro 29 aus der Welt zu schaffen. Diese Aussage konnte Brandon Sloan mit einigen überraschenden Werten untermauern: Nicht nur, dass der Lenkwinkel mit 67.5° für ein 29er überraschend flach ausfällt, auch bzw. vor allem das Maß der Hinterbaulänge darf als echte Überraschung betitelt werden. Mit einer Länge von 430 mm präsentiert Specialized den kürzesten Hinterbau an einem vollgefederten 29er. Diese Geometrie in Kombination mit dem werksseitig angegebenen Federweg von 155 mm am Heck dürfte wohl so manchen 29″-Kritiker zum Zweifeln bringen.
# In Finale Ligure konnten wir des neue Enduro 29 bereits auf Herz und Nieren testen.
Wir wollten ein 29″-Enduro bauen, dass sich fährt wir ein 26″-Bike. Viele hab das bislang für nicht machbar gehalten. Wir haben uns der Aufgabe gestellt und sie erfolgreich gemeistert. – Jason Chamberlain, Senior Design Engineer – Specialized FSR Performance
Im Detail
Wer mit Specialized-Bikes vertraut ist weiß, dass kurze Kettenstreben, lange Hauptrahmen und tiefe Tretlager schon immer Markenzeichen der kalifornischen Bike-Firma waren. Diesen Eckpunkten wollte man auch beim neuen Enduro 29 treu bleiben. Die Krux bestand darin, trotz kurzer Kettenstreben und satten 155 mm Federweg genug Platz zwischen Hinterbau und Hauptrahmen zu haben, um einen Umwerfer montieren zu können. Zudem spielte die Reifenfreiheit eine große Rolle. Um dem Problem Herr zu werden, wurde das ohnehin schon recht steile Sattelrohr auf dem Tretlager nach vorne gesetzt, wodurch für den Reifen und die Raderhebung ausreichend Platz vorhanden war.
Dem Umwerfer spendierte man eine ganz neue Aufnahme, welche auf den Namen „Taco-Blade“ hört und an der Schwinge montiert wird. Der Umwerfer gelangt durch die neue Aufnahme nicht nur aus dem Kollisionsradius des Reifens, sondern bewegt sich beim Einfedern mit und schwingt in die Lücke des stark gebogenen Sattelrohrs. Eine feine und vor allem einfache Lösung die einen großen Nutzen erzielt. Wie schon geschrieben lässt sich so ein unglaublich kurzer Hinterbau von nur 430 mm länge verwirklichen – grade einmal 11 mm länger als am 26″-Enduro. Der Radstand des neuen Specialized Enduro 29 SE wächst um lediglich 6 mm gegenüber dem kleinen Bruder.
Dank langem Hauptrahmen und steilem Sitzwinkel soll das Enduro 29″ auch bergauf eine gute Figur machen. Eine steigende Front aufgrund der kurzen Kettenstreben soll durch die Gewichtsverlagerung/Balance am Enduro 29 kein Problem darstellen. Dennoch verbaut Specialized in allen drei Modellen eine FOX 34 mit Talas-System, durch welches sich die Gabel im Notfall absenken lässt und die Klettereigenschaften verbessert werden sollen.
# Bergauf wie bergab konnte das neue Specialized 29er beste Leistungen vorweisen.
Technische Daten & Ausstattung
In Sachen Ausstattung gesellt sich das in Finale Ligure präsentierte S-Works Enduro 29 SE nahezu eins zu eins zu seinem kleinen 26″-Bruder. Das Fahrwerk besteht aus einer 150 mm Fox 34 CTD und einem Cane Creek Double Barrel Air. Dass ein solch edles Race-Enduro mit einer XX1 Gruppe aus dem Hause SRAM komplettiert wird, könnte man fast schon als Pflicht bezeichnen. Der weiter oben beschriebene „Taco-Blade“ zur Aufnahme eines Umwerfers kann am S-Works-Modell mit 1×11-Schaltung einfach demontiert werden.
Beim Cane Creek Double Barel Air dürften sich wohl die Geister scheiden. Für den Abfahrtseinsatz gibt es aktuell wohl kaum einen besseren Dämpfer, doch lässt sich beim CCDB Air während der Fahrt keine Platform zur besseren Pedalier-Performance einstellen. Zwar kommt der CCDB Air am Specialized mit einem kleinen Hebel zur Schnelljustage der Low-Speed-Druckstufe, doch reicht der Verstellweg nicht aus, um dem Dämpfer sein Wippen auszutreiben.
Ausstattungs-Highlights:
- Gabel: Fox Factory 34 CTD Kashima 150 mm
- Dämpfer: Cane Cree Double Barrel Air [216×64 mm]
- Schaltung & Antrieb: SRAM XX1 [11-fach]
- Bremsen: SRAM XO Trail World Cup
- Laufräder: Roval Traverse 29 SL Carbon [32 Loch]
- Sattelstütze: Specialized Command Post BlackLite
# Enduro 29 SE – in der Übersicht
Nicht nur das Bike als Solches ist neu, auch kommt am Enduro 29 SE eine nagelneue Vario-Stütze aus dem Hause Specialized zum Einsatz. Die Command Post IR besitzt ein überarbeitetes Innenleben das invers eingebaut ist. Der Eingang des Zuges in die Stütze verläuft somit von unten durch den Rahmen, ähnlich einer Reverb Stealth.
Die Geometrie
- Lenkwinkel: 67,5°
- Sitzwinkel: 75° [effektiv]
- Kettenstrebenlänge: 430 mm
- Reach: 445 mm [Gr. L]
- Stack: 641 mm [Gr. L]
- Sitzrohrlänge: 470 mm [G. L]
- Radstand: 1183 mm [Gr. L]
- Tretlagerhöhe: 335 mm
- Steuerrohrlänge: 120 mm [Gr. L]
Kettenstrebenlängen und Federwege im Vergleich:
- Specialized Enduro 29″ SE = 430 mm KS / 155 mm Federweg
- Specialized Enduro 26″ = 419 mm KS / 165 mm Federweg
- Specialized Stumpjumper 29″ EVO = 455 mm KS / 135 mm Federweg
- Santa Cruz Tallboy LTc 29″ = 455 mm KS / 135 mm Federweg
- Santa Cruz Nomad C 26″ = 442 mm KS / 160 mm Federweg
- Cube Stereo Super HPC 140 29″ = 452 mm KS / 140 mm Federweg
- Cube Stereo Super HPC 160 27,5″ = 441,5 mm KS / 160 mm Federweg
- Banshee Prime 29″ = 445 mm KS / 130 mm Federweg
- Banshee Rune 27,5″ = 436 mm KS / 160 mm Federweg
# Unglaubliche 430 mm kurze Kettenstreben am neuen Enduro 29 SE.
Specialized Enduro 29 SE – in Bildern
# Specialized S-Works Enduro 29 SE – Carbon: leider wird es diese Version in rot/schwarz nicht in Serie geben.
# Das kurze Steuerrohr sorgt für eine tiefe Front, und das trotz 150mm Federweg und 29″ Vorderrad.
# Avid X.0 Trail mit modifizierten Bremshebeln: Bekannt als X.0 Trail World Cup-Version vom Carbon Demo.
# Angepasste Dämpferanlenkung basierend auf dem Enduro 26″ – ohne Volumen-Spacer in der Dämpfer-Luftkammer fällt die Kennlinie sehr linear aus.
# Cane Creek Double Barrel Air für perfekte Performance im Renneinsatz.
# 1×11 – SRAMs XX1 sorgt für unkomplizierten Trail-Spaß.
# Obwohl die XX1 ihre „Hardcore-Tauglichkeit“ schon mehrfach unter Beweis stellen konnte, setzt man bei Specialized dennoch auf eine Kettenführung.
# Gut zu sehen: Der Eingang des Zugs für die neue Command Post Vario-Stütze.
# Neu im Programm: Specialized Enduro-Schlauchlosreifen für 29″-Enduro-Bikes.
Die Serien-Bikes
Top-Version: S-Works Enduro 29 SE
# Specialized S-Works Enduro 29 SE – Carbon
# FACT 11M Carbon-Hauptrahmen / Aluminium-Hinterbau
# FSR Horst Link Viergelenk-Hinterbau mit Cane Creek Double Barrel Air Dämpfer
# Neue Dämpferanlenkung für das Enduro 29 SE
Besonderheiten:
- „FACT IS-X 11 Carbon-Hauptrahmen, „M5“ Aluminium-Hinterbau
- Cane Creek Double Barrel Air Dämpfer [Progression durch Luftkammer-Spacer anpassbar]
- FOX 34 Talas CTD Kashima Luftgabel für 29″-Laufräder mit 150 mm Federweg
- SRAM XX1-Antrieb, 30er Kettenblatt, Kassette mit 10-42er Abstufung
- Roval Traverse SL 29 Carbon-Laufräder, Tubeless-Ready
- Neue Command Post IR Vario-Stütze mit innenverlegter Zugführung
- Erhältliche Größen: M, L und XL
- Gewicht: 12,6 kg
- Preis: noch nicht bekannt
Ausstattung:
Mittelklasse: Enduro Expert Carbon 29 SE
# Specialized Enduro Expert Carbon 29 SE
Besonderheiten:
- Rahmen baugleich mit S-Works Modell: „Customizing“ durch verschiedene Decal-Farbvarianten
- FOX Float CTD Dämpfer mit angepasster Abstimmung und Specialized „Autosag“-Funktion
- FOX 34 Talas CTD Luftgabel mit 150 mm Federweg
- SRAM S2200 2-fach-Kurbeln mit Bashring und 2-fach-Kettenführung / 10-Speed
- Roval Traverse 29 All-Mountain Laufräder, Tubeless-Ready
- Erhältliche Größen: M, L und XL
- Gewicht: noch nicht bekannt
- Preis: noch nicht bekannt
Ausstattung:
Einsteigermodell: Enduro Comp 29 SE
# Specialized Enduro Comp 29 SE – Aluminium
Besonderheiten:
- „Einsteigermodell“ mit Aluminium-Rahmen
- ISCG 05-Aufnahme, 155 mm Federweg, 142mm Ausfallenden, Umwerferaufnahme wie bei Carbon-Version
- FOX Float CTD Evolution Dämpfer mit angepasster Abstimmung und Specialized „Autosag“-Funktion
- FOX 34 Talas CTD Evolution Luftgabel mit 150 mm Federweg
- Antrieb bestehend aus SRAM X.9 und X.7
- Erhältliche Größen: M, L und XL
- Gewicht: ca. 13,5 kg [noch nicht bestätigt]
- Preis: noch nicht bekannt
Ausstattung:
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Teil 2: Fahrbericht und Vergleich mit Enduro 26″
Aktuell warten wir noch auf einige finale Informationen zu den drei Serien-Modellen des neuen Specialized Enduro 29 SE. Wir hoffen euch gegen Abend genauere Angaben zu den in Deutschland erhältlichen Modellen machen zu können – das wird voraussichtlich auch die Gewichte aller drei Modell-Varianten beinhalten.
Teil 2 unseres Artikel folgt am morgigen Donnerstag und wird einen Fahrbericht samt ersten Impressionen des Enduro 29 im Renneinsatz beinhalten. Zudem werden wir euch einen kleinen Vergleich zum 26″-Enduro liefern und uns die Frage stellen, in wie fern 27,5″-Bikes unter diesen Umständen noch ihre Berechtigung haben.
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Redaktion: Maxi Dickerhoff
Fotos: Christoph Bayer
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