Es sieht auf den ersten Blick aus wie ein Alutech ICB2.0, das in einen Topf mit Spiegelpolitur gefallen ist. Tatsächlich handelt es sich um ein mit erlesenen europäischen Komponenten aufgebautes Trailbike, das zur Hälfte aus dem 3D-Drucker und zur anderen Hälfte aus mühevoller Handarbeit entsprungen ist. Den Rahmen hatten wir im Zuge der Vorstellung der überarbeiteten Intend Hero-Federgabel bereits gesehen – jetzt gibt es die spannenden Details dazu!
Huhn Cycles Moorhuhn 129 – Infos und Preise
Einfach gesagt handelt es sich beim Huhn Cycles Moorhuhn 129 um einen Stahlrahmen in Muffenbauweise, der aus der Feder des deutschen Industriedesigners Ralf Holleis stammt. Das Besondere: Die Muffen werden im Laserstrahlschmelzverfahren additiv gefertigt. Umgangssprachlich darf man sagen: „ausgedruckt“. Zum Einsatz kommt Stahl- oder Titan, das dann mit passenden Rohren verschweißt wird. Der Hinterbau ist ein Eingelenker mit Dämpferverlängerung, genau wie die MTB-News-Community es beim ICB2.0 entwickelt hat. Auch die gerade Linienführung vom Steuerrohr bis zur Hinterachse sorgt für den bekannten sportlichen Auftritt.
- Einsatzbereich Trail
- Federweg 140 mm (vorne), 129 mm (hinten)
- Laufradgröße 29″
- Material Stahl (auch Titan möglich)
- Aufbau 3D-gedruckte Muffen mit verschweißten Rohren
- Rahmengrößen Custom
- Gewicht 3,9 kg (Stahl) / 2,8 kg (Titan, Herstellerangaben)
- Preis 6.000 € (Rahmen, vorläufig)
Der Aufbau ist Ralfs Beitrag zur #theeuropeanbikechallenge – er verwendet fast nur europäische Komponenten. Intend stellt das Fahrwerk, Castro Gemini den sündhaft teuren Lenker-Vorbau, Trickstuff die Bremsen. Der Antrieb ist ebenfalls unfassbar selten und aufwendig von Ingrid gefräst, eine Vecnum-Sattelstütze und noble Laufräder von True BC mit Extralite-Naben runden das Bike ab.
Ralf Holleis will die Rahmen verkaufen: 12 Stück pro Jahr zum Preis von 6.000 € – doch durch eine Kickstarter-Kampagne könnte das Bike auch günstiger werden, wie wir im Interview erfahren. Das Rahmengewicht liegt übrigens bei 3,9 kg für den Stahl-Rahmen und 2,8 kg für die Titan-Variante.
Interview mit Huhn-Macher Ralf Holleis
MTB-News.de: Wer steckt hinter Huhn Cycles – und wie ist der Name entstanden?
Ralf Holleis: Huhn Cycles – das bin ich, Ralf Holleis. Die Räder baue ich in meiner Freizeit – hauptberuflich bin ich Director Industrialdesign bei Cybex und entwickle Kinderwägen und Kindermöbel.
Hühner leben im Dreck dennoch sind sie sehr elegant – das ist Huhn Cycles: elegante Stahl und Titan-Mountainbikes zum Spaß haben im Dreck. Außerdem können Hühner kurze Distanzen fliegen – das können Mountainbikes auch! Zu guter Letzt war die jetzige Werkstatt mal ein Hühnerstall, das waren dann Gründe genug, die Marke „Huhn“ zu nennen.
Auf den ersten Blick erinnert uns dein Rahmen an das Alutech ICB2.0, das die Community hier mitentwickelt hat. War der Eingelenker mit Dämpferverlängerung für dich tatsächlich Inspiration?
Klar, ich habe die Entwicklung des ICB 2.0 mitverfolgt und war schon immer davon überzeugt, dass ein Eingelenker enorm viele Vorteile hat. Daher habe ich mich sehr darüber gefreut, dass die Community sich so entschieden hat. Für mich war das die Bestätigung, dass ich das Richtige tue.
Du verwendest 3D-Druck, ein wenig wie Atherton-Bikes, kombinierst ihn aber mit klassischem Rahmenbau. Wie fiel deine Wahl auf die Additive Fertigung? Wie verbindest du die Einzelteile miteinander?
2011 habe ich einen Fahrradrahmen gebaut mit additiv gefertigten Titanmuffen und Carbonrohren. Es war das erste Fahrrad und die ersten Fahrradteile, die Additiv gefertigt wurden, – weit vor Bastion Cycles, Atherton etc. (Die ersten kommerziell verfügbaren Bikes mit SLM-Titanmuffen stammen wohl von Charge Bikes und gingen 2012 in den Verkauf. Anm. d. Red.). Seither bin ich der festen Überzeugung, dass additiv gefertigte Fahrradmuffen extrem viel Sinn ergeben. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- werkzeuglose Fertigung bietet das Potenzial der Customisation
- Dichte von 99,9 % ist besser als beim Guss
- freiförmige Überblendungen der Rohre möglich – also bessere Kraftverteilung
- Doppelwandigkeit und tragende Strukturen geben enorme Steifigkeit bei geringem Gewicht
- intelligente Teile mit integrierten Funktionen etc. möglich
Ich habe im zweiten Schritt die monolithische Bauweise gewählt: Also additiv gefertigte Stahlteile mit Stahlrohren verschweißt oder additiv gefertigte Titanteile mit Titanrohren verschweißt, weil ich so mit einer Schweißnaht eine Einheit der beiden Komponenten erzeugen kann! Geklebt ist nur geklebt und alle Materialien aus dem Benzolring sind irgendwann nicht mehr das, was sie mal waren.
Titan ist ein unfassbar schöner Werkstoff. Ich muss ihn nicht lackieren, er ist leicht und wenn man richtig konstruiert auch enorm steif!
Das Bike gibt es in homöopathischer Stückzahl aus Stahl oder Titan – wonach sollten Kunden bei der Kaufentscheidung gehen? Werden die Bikes in Kleinserie auch von dir handpoliert und beklebt?
Ja, derzeit ist der Prozess sehr aufwendig – das war sozusagen das Showbike! Bei den weiteren Aufbauten werde ich die Schweißnähte nicht mehr verschleifen und polieren – so kann ich die Rahmen wesentlich günstiger anbieten. Außerdem möchte ich Ende des Jahres den Rahmen auf Kickstarter anbieten. Wenn das klappt, kann ich mehr additive Teile auf einmal bestellen und das drückt den Preis enorm!
Welche Individualisierungsmöglichkeiten haben Interessenten bei der Geometrie?
Klar kann das vordere Rahmendreieck angepasst und nach Belieben verändert werden – allerdings nur innerhalb der Limits, die den Charakter des Rads nicht zu sehr beeinflussen! Eine Custom-Geometrie bedeutet mehr Zeit in der Konstruktion, also muss auch etwas mehr Geld verlangt werden.
Meinung @MTB-News.de
Hut ab, das ist ein imposanter Auftritt! Wenn die Preise sinken, werden sich sicher viele Kunden für das spannende Bike begeistern können. Finish und Aufbau suchen ihresgleichen – ein selten schönes Projekt, zu dem wir nur gratulieren können.
Mehr Infos zu Huhn Cycles findet ihr auf Instagram und auf der Website!
Was gefällt euch an diesem außergewöhnlichen Projekt am besten?
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