Orbea Rallon 2022 im Test: Der lang erwartete Nachfolger des beliebten Orbea Rallon 5 ist endlich da! Das neue Orbea Rallon 2022 kommt mit praktischen Storage-Lösungen, einer modernisierten Geometrie, 29″-Laufrädern und 170 mm Federweg an der Front sowie 160 mm am Heck. Alle Infos und einen ersten Testeindruck zu dem neuen Enduro-Bike gibt’s hier.
Steckbrief: Orbea Rallon 2022
Einsatzbereich | Enduro |
---|---|
Federweg | 170 mm/160 mm |
Laufradgröße | 29ʺ, Mullet (29″/27,5″) |
Rahmenmaterial | Carbon |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: L) |
Website | www.orbea.com |
„Focus on Fast“ ist der allgegenwärtige Slogan, mit dem Orbea das neue Rallon Enduro-Bike bewirbt. In enger Zusammenarbeit mit dem Orbea Fox Enduro Team rund um Damien Oton wollen die Spanier ein blitzschnelles Race-Bike für die Trails der Enduro World Series entwickelt haben. Die Eckdaten: 170 mm Federweg an der Front, 160 mm Federweg am Heck und 29″-Laufräder. Letzteres ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Wer will, kann das neue Rallon auch als Mullet-Bike mit 27,5″-Hinterrad fahren.
Dazu gibt’s einige praktische Storage-Lösungen und den bekannten Orbea MyO-Konfigurator. Hier kann man nicht nur seine ganz individuelle Farbkombination gestalten, sondern hat auch die Wahl zwischen diversen Komponenten. Das neue Orbea Rallon ist ab sofort bestellbar und wird voraussichtlich ab Mitte Oktober 2021 ausgeliefert. Interesse geweckt? Dann gibt es hier alle Details und den Testbericht zum neuen Orbea Rallon.
Im Detail
Stellt man das neue Orbea Rallon seinem Vorgänger direkt gegenüber, fällt schnell auf, dass sich zumindest rein optisch nicht allzu viel verändert hat. Auch wenn die Carbon-Rohre etwas schlanker und kantiger gestaltet sind, bleibt Orbea dem asymmetrischen Hauptrahmen-Design und dem Advanced Dynamics-Hinterbau treu. An den inneren Werten des Enduro-Bikes wurde allerdings ordentlich geschraubt.
So wird durch ein etwas nach vorne verschobenes Hinterbau-Hauptlager eine stärker nach hinten gerichtete Raderhebungs-Kurve erreicht. Zusätzlich soll eine höhere Progression für mehr Kontrolle und Feinfühligkeit sorgen. Doch nicht nur in die Hinterbau-Kinematik, sondern auch in die Optimierung der Rahmen-Steifigkeit sind viel Hirnschmalz und Zeit geflossen.
Um die perfekte Steifigkeit zu ermitteln, wurde kurzerhand ein großes Loch ins Unterrohr des Rallons geschnitten. Mittels einer einschraubbaren Platte konnten die Ingenieure und Testfahrer so die Steifigkeit des Rahmens blitzschnell anpassen. Viele Schrauben, viel Steifigkeit – wenige Schrauben, wenig Steifigkeit. Durch ausführliche Testfahrten konnte laut Orbea so der optimale Mix aus Steifigkeit und Nachgiebigkeit gefunden werden. Der neue Rahmen ist damit übrigens deutlich nachgiebiger als sein Vorgänger.
Auch mit unterschiedlichen Laufrad-Größen wurde während der Testphase experimentiert. 26″ stand zwar nicht zur Debatte, aber 29″ und Mullet mussten sich auf den Trails beweisen. Während auf den meisten Strecken laut Orbea die 29″-Laufräder die Nase vorne hatten, konnte das Bike im Mullet-Setup gerade auf steilen, verwinkelten Trails überzeugen. Glücklicherweise muss man sich als Endkunde beim Kauf nicht endgültig festlegen, sondern hat auch später noch die Option, auf die andere Laufrad-Größe umzurüsten. Dafür muss lediglich die bei jedem Rallon im Lieferumfang enthaltene zusätzliche Dämpfer-Verlängerung für das entsprechend andere Hinterrad verbaut und ebenjenes eingebaut werden. Für geübte Schrauber ist dies keine große Aufgabe und sollte absolut problemlos in maximal zwanzig Minuten erledigt sein. Belohnt wird man mit einer spürbar anderen Fahr-Charakteristik.
Auf eine Sache muss man im Mullet-Setup allerdings verzichten: Der Flip Chip, der beim reinen 29er eine Geometrie-Verstellung zwischen Low und Lower zulässt, fällt hier weg. Das Mullet-Rallon ist immer im Lower-Modus.
Auch abgesehen von Hinterbauten und Laufrad-Größen hat Orbea beim Rallon einiges angepackt. Vor allem in Bezug auf praktische Storage- und Werkzeug-Lösungen weiß das neue Race-Enduro zu glänzen. So birgt der abnehmbare Schnellspann-Hebel für die Hinterrad-Achse auch einen Ventilkern-Schlüssel, während sich im Lager der Umlenkwippe ein Mini-Multitool versteckt. Das praktische Helferlein wird magnetisch an Ort und Stelle gehalten und ist durch O-Ringe vor Dreck und Wassereintritt geschützt.
Doch damit nicht genug: unter der Flaschenhalter-Aufnahme verbirgt sich ein großzügiger Kofferraum à la Specialized oder Trek. Dieser lässt sich einfach per Hebel öffnen und erstreckt sich über das gesamte Unterrohr. Damit nicht einfach alles wahllos im Inneren des Rahmens herumfliegt, sorgen zwei verknüpfte Taschen für Ordnung. Zugunsten eines tiefen Schwerpunkts sollen schwere Gegenstände wie etwa Co2-Kartuschen in der unteren, in Richtung Tretlager orientierten Tasche Platz finden, während leichtere Utensilien nach oben gehören. Darüber hinaus ist direkt an der Rückseite der Klappe Platz für ein Multitool. Dieses wird dort durch einen Gummi an Ort und Stelle gehalten.
Ein weiter Punkt auf der Liste des Orbea-Teams war es, ein möglichst leises Bike zu entwickeln. Hierfür sind vor allem der Kettenstreben- und Sitzstreben-Schutz zuständig. Diese sollen dafür sorgen, dass das neue Rallon das leiseste je von Orbea gebaute Mountainbike überhaupt ist. Alle Rahmenprotektoren, also auch der am Unterrohr, können übrigens abgenommen und bei Bedarf ersetzt werden. Des Weiteren sollen zusätzliche Dichtungen an den Lagern eine deutlich erhöhte Haltbarkeit und einen geringeren Wartungs-Aufwand garantieren.
Trotz zahlreicher Neuerungen, integrierten Multitools und einer deutlich längeren Geometrie ist der neue Rallon-Rahmen übrigens nicht schwerer geworden, sondern pendelt sich auf dem Niveau seines Vorgängers ein. Für ein Enduro-Bike heutzutage absolut bemerkenswert. Ebenfalls nicht von schlechten Eltern ist die Einstecktiefe der Sattelstütze. Sogar im S-Rahmen kann die Bikeyoke Revive mit satten 213 mm Hub komplett versenkt werden.
Geometrie
Bei der Geometrie des neuen Rallons hat sich im Vergleich zu seinem Vorgänger einiges getan. Das neue Enduro-Bike ist nicht nur deutlich länger, sondern auch ein gutes Stück tiefer geworden, was die abfahrtslastigere Ausrichtung untermauert. In Zahlen ausgedrückt sprechen wir hier von einem Lenkwinkel von 64°, einer Tretlagerhöhe von 336 mm und einem Reach von 485 mm in Größe L.
Kleine Anpassungen lassen sich über einen Flip Chip vornehmen. Dieser befindet sich bei der Auslieferung standardmäßig in der „Lower“-Position. Wechselt man in die Low-Position, wandert das Tretlager etwas nach oben und Lenk- sowie Sitzwinkel werden einen halben Grad steiler. In der Mullet-Konfiguration muss man diese Verstell-Option allerdings verzichten. Hier steht nur der Lower-Modus zur Verfügung.
Geometrie 29″
Rahmengröße |
S
|
M
|
L
|
XL
|
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 435 mm | 460 mm | 485 mm | 510 mm |
Stack | 619 mm | 628 mm | 637 mm | 646 mm |
STR | 1,42 | 1,37 | 1,31 | 1,27 |
Lenkwinkel | 64,5°64° | 64,5°64° | 64,5°64° | 64,5°64° |
Sitzwinkel, effektiv | 77,5°77° | 77,5°77° | 77,5°77° | 77,5°77° |
Oberrohr | 572 mm | 599 mm | 626 mm | 653 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 100 mm | 110 mm | 120 mm |
Sitzrohr | 415 mm | 415 mm | 435 mm | 460 mm |
Überstandshöhe | 737 mm | 737 mm | 754 mm | 774 mm |
Kettenstreben | 440 mm | 440 mm | 440 mm | 440 mm |
Radstand | 1.202 mm | 1.231 mm | 1.260 mm | 1.290 mm |
Tretlagerabsenkung | 28 mm35 mm | 28 mm35 mm | 28 mm35 mm | 28 mm35 mm |
Tretlagerhöhe | 343 mm336 mm | 343 mm336 mm | 343 mm336 mm | 343 mm336 mm |
Einbauhöhe Gabel | 583,7 mm | 583,7 mm | 583,7 mm | 583,7 mm |
Federweg (hinten) | 160 mm | 160 mm | 160 mm | 160 mm |
Federweg (vorn) | 170 mm | 170 mm | 170 mm | 170 mm |
Geometrie Mullet
Rahmengröße | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Laufradgröße | Mullet 29/27,5 | Mullet 29/27,5 | Mullet 29/27,5 | Mullet 29/27,5 |
Reach | 430 mm | 455 mm | 480 mm | 505 mm |
Stack | 623 mm | 632 mm | 641 mm | 650 mm |
STR | 1,45 | 1,39 | 1,34 | 1,29 |
Lenkwinkel | 64° | 64° | 64° | 64° |
Sitzwinkel, effektiv | 77° | 77° | 77° | 77° |
Oberrohr | 573 mm | 600 mm | 627 mm | 655 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 100 mm | 110 mm | 120 mm |
Sitzrohr | 415 mm | 415 mm | 435 mm | 460 mm |
Überstandshöhe | 744 mm | 744 mm | 761 mm | 781 mm |
Kettenstreben | 438 mm | 438 mm | 438 mm | 438 mm |
Radstand | 1.201 mm | 1.230 mm | 1.260 mm | 1.289 mm |
Tretlagerabsenkung | 35 mm | 35 mm | 35 mm | 35 mm |
Tretlagerhöhe | 343 mm | 343 mm | 343 mm | 343 mm |
Einbauhöhe Gabel | 583,7 mm | 583,7 mm | 583,7 mm | 583,7 mm |
Federweg (hinten) | 160 mm | 160 mm | 160 mm | 160 mm |
Federweg (vorn) | 170 mm | 170 mm | 170 mm | 170 mm |
Ausstattung
Orbea bietet das Rallon in insgesamt vier verschiedenen Ausstattungsvarianten für Preise zwischen 4.299 € und 8.999 € zum Kauf an. Alle Varianten können bei Bedarf mithilfe des MyO-Konfigurators großzügig individualisiert und angepasst werden. Hier kann der Käufer nicht nur unzählige Farbkombinationen auswählen, sondern teilweise auch die Komponenten ganz nach dem eigenen Gusto austauschen. Auch die Wahl, ob man sein neues Rallon mit 29″ oder Mullet-Laufrädern haben möchte, kann hier getroffen werden.
Als Testbike stand uns das 8.999 € teure M-LTD Topmodell zur Verfügung. Dieses wurde während des zweitägigen Testzeitraums sowohl mit Luft- als auch mit Stahlfeder-Dämpfer und in beiden kompatiblen Laufrad-Größen ausprobiert. Darüber hinaus waren abweichend zum Standard-Spec Maxxis DH-Reifen statt der EXO+ Varianten aufgezogen. Diese sind sobald verfügbar auch im MyO-Konfigurator auswählbar.
- Federgabel Fox 38 Factory (170 mm)
- Dämpfer Fox Float X2 Factory und Fox DHX2 Factory (160 mm)
- Antrieb Shimano XTR
- Bremsen Shimano XTR
- Laufräder Race Face Next-R31 TLR
- Reifen Maxxis Assegai DH / Maxxis Minion DHR II DH
- Cockpit Race Face Next R 35 / Race Face Turbine R
- Sattelstütze Fox Transfer Factory
Ausstattungsvarianten | M-LTD | M-Team | M10 | M20 |
---|---|---|---|---|
Federgabel | Fox 38 Float Factory,170 mm | Fox 38 Float Factory, 170 mm | Fox 38 Float Performance, 170 mm | Fox 38 Float Performance, 170 mm |
Dämpfer | Fox DHX2 Factory | Fox Float X2 Factory | Fox Float X Performance | Fox Float X Performance |
Kurbel | Race Face Next-R, 32t | Race Face Next-R, 32t | SRAM GX Eagle Dub, 32t | Race Face Aeffect, 32t |
Steuersatz | Acros Alloy Integrated | Acros Alloy Integrated | Acros Alloy Integrated | Acros Alloy Integrated |
Lenker | Race Face Next R 35, 20 mm Rise, 800 mm | Race Face Next R 35, 20 mm Rise, 800 mm | Race Face Aeffect 35, 20 mm, 780 mm | OC1 35 mm, 12 mm Rise, 780 mm |
Vorbau | Race Face Turbine R 35 mm | Race Face Turbine R 35 mm | Race Face Aeffect R 35 mm | OC1 3D Forged 35 mm |
Schalthebel | Shimano XTR M9100 | Shimano XT M8100 | SRAM GX Eagle Lunar | Shimano SLX M7100 |
Bremsen | Shimano XTR M9120 | Shimano XT M8120 | Shimano XT M8120 | Shimano M6129 |
Schaltwerk | Shimano XTR M9100 SGS Shadow Plus | Shimano XT M8100 SGS Shadow Plus | SRAM GX Eagle Lunar | Shimano SLX M7100 SGS Shadow Plus |
Kette | Shimano CN-9100 | Shimano M7100 | SRAM GX Eagle | Shimano M6100 |
Laufradsatz | Race Face Next-R31 TLR, 29" | Race Face Turbine-R 30 TLR, Mullet | Race Face Turbine-R30 TLR, 29" | Race Face AR 30c Tubeless Ready |
Kassette | Shimano XTR M9100, 10-51t | Shimano CS-M8100, 10-51t | SRAM XG-1275, 10-52t | Shimano CS-M7100, 10-51t |
Reifen | Maxxis Assegai Maxxterra EXO+/ Maxxis Minion DHR Maxxterra EXO+ | Maxxis Assegai Maxxterra EXO+/ Maxxis Minion DHR Maxxterra EXO+ | Maxxis Assegai Maxxterra EXO+/ Maxxis Minion DHR Maxxterra EXO+ | Maxxis Assegai Maxxterra EXO+/ Maxxis Minion DHR Maxxterra EXO+ |
Sattelstütze | Fox Transfer Factory | Fox Transfer Factory | OC2 Dropper | OC2 Dropper |
Sattel | Fizik Taiga Kium rail | Fizik Taiga Kium rail | Fizik Taiga S-alloy rail | Fizik Taiga S-alloy rail |
Kettenführung | e*thirteen CL52 | e*thirteen CL52 | e*thirteen CL52 | e*thirteen CL52 |
Preis (UVP) | 8.999 € | 6.599 € | 5.299 € | 4.299 € |
Auf dem Trail
Ein neues Enduro Race-Bike also – doch was heißt das eigentlich genau? Reiht sich das neue Rallon in die Riege der neuen Super-Enduros, oft mit High-Pivot-Hinterbau jeder Menge Federweg und nicht selten mit Gewichten weit jenseits der 15 kg, ein? Klares Nein! Klar, das Rallon orientiert sich Vergleich zu seinem vor allem in Bezug auf die Geometrie etwas in die Jahre gekommenem Vorgänger deutlich stärker in Richtung Abfahrt. Trotzdem können wir nach unserem ersten Test resümieren: Das neue Orbea Rallon ist keiner dieser modernen Mini-Downhiller, die sich gerade noch bequem treten lassen und zu jeder Zeit nach echten Highspeed-Abfahrten lechzen. Stattdessen präsentiert Orbea mit dem Rallon einfach ein sehr schnelles Enduro-Bike, mit dem man in der Enduro World Series womögliche deutlich besser bedient ist als mit dem ein oder anderem Super-Enduro-Mini-Downhill-Bike.
Doch fangen wir vorne an. Die obligatorische Einstellungsrunde auf dem Parkplatz sorgt direkt für Vorfreude. Trotz eines in Rahmengröße L recht üppigen Reachs von 485 mm, der eigentlich gut 10 mm oberhalb meiner eigentlichen Vorliebe liegt, fühlt sich das Orbea Rallon nicht zu groß, sondern sehr passend an. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Geometrie-Werte nie einzeln, sondern immer als Gesamtpaket zu betrachten sind. Auch im Sitzen bestätigt sich der gute Eindruck. Hier passt für mich mit einer Körpergröße von 1,84 m alles perfekt.
So verwundert es wenig, dass das Rallon trotz aufgezogener Downhill-Reifen auch auf beim ersten zu bewältigenden Anstieg absolut überzeugen kann. Im Enduro-Segment reiht sich das Orbea hier ganz weit vorne ein. Neben der ausgezeichneten Sitzposition spielt womöglich auch das geringe Gesamtgewicht eine entscheidende Rolle. Der Hinterbau wippt mit Luftdämpfer nur minimal. Und obwohl der Stahlfeder-Dämpfer ein klein wenig mehr oszilliert, ist auch dies in der Praxis nicht wirklich negativ spürbar. Für besonders empfindliche Fahrer*innen oder längere Anstiege auf Asphalt-Straßen steht zudem ein Lockout-Hebel zur Verfügung.
Etwas getrübt wird das Bild, wenn es technische Ansteige oder tief ausgespülte Trails hinaufgeht. Hier muss man etwas genauer aufpassen, wo man seine Tritte setzt. Sonst bleiben die Pedale aufgrund des relativ niedrigen Tretlagers schnell im Boden hängen. Wir würden daher empfehlen, im MyO-Konfigurator direkt zu 165 mm kurzen Kurbeln zu greifen. Wem dies nicht reicht, für den besteht zudem die Möglichkeit, den Flip Chip von der Lower- in die Low-Position zu befördern und so noch etwas mehr Bodenfreiheit zu gewinnen.
Die wahren Stärken eines Enduro-Bikes liegen für gewöhnlich jedoch in der Abfahrt. Das neue Orbea Rallon bildet hier keine Ausnahme. Das Carbon-Enduro vermittelt sehr viel Sicherheit und lädt auch in rauem und steilen Terrain dazu ein, die Bremse offenzulassen und sich ans Limit heranzutasten. Das feinfühlige Ansprechverhalten und die ausbalancierte, satte Lage auf dem Trail vermitteln jede Menge Sicherheit. Dabei kommt das Rallon zwar nicht ganz an das Monster Truck-Feeling von Bikes wie dem Specialized Enduro (zu unserem Specialized Enduro Test) oder dem Cannondale Jekyll heran. Das ist unsere Meinung nach jedoch auch keineswegs nötig. Wir hatten zu keiner Zeit Bedarf nach noch mehr Laufruhe.
Hier bietet sich ein kurzer Exkurs in Richtung Geräuschkulisse an. Diese ist, wie von Orbea vollmundig angekündigt, mucksmäuschenstill. Lediglich das Rattern der Shimano XTR Bremsbelag-Kühlrippen lenkt vom Abrollgeräusch der Reifen und dem Vogelgezwitscher ab.
Wirklich herausragend ist außerdem, wie einfach und intuitiv sich das neue Orbea Rallon manövrieren lässt: Überraschend auftauchende enge Kurven? Kein Problem. Blitzschnell aufeinander folgenden Richtungswechsel? Mehr davon! Das Orbea lässt sich spielend einfach in Kurven legen, in die Highline ziehen oder um ein plötzlich auftauchendes Hindernis herum manövrieren. Hiervon sollten sich viele moderne Enduro-Bikes eine gute Scheibe abschneiden, denn solche Sektionen gibt es auf den Trails der Enduro World Series und natürlich auch auf unseren Hometrails mindestens genau so oft wie stumpfe Highspeed-Passagen.
Auch der Hinterbau trägt seinen Teil zum spaßigen Charakter des Bikes bei. Neben einem recht feinfühligen Ansprechverhalten und einer ordentlichen Endprogression bietet die Advanced Dynamics-Suspension auch einen schönen Gegenhalt für aktive Fahrmanöver und kleinen Sprungeinlagen. Wir hatten zudem das Glück, das neue Rallon sowohl mit Stahlfeder- als auch mit Luft-Dämpfer testen zu können. Als klarer Sieger des kleinen Shootouts ging dabei für uns die Coil-Variante hervor. Der Fox DHX2-Dämpfer sorgt für ein noch feineres Ansprechverhalten, folgt dem Untergrund eine Nuance besser und liefert etwas mehr Kontrolle auf der Bremse – und das alles, ohne dabei (abgesehen vom Zusatzgewicht und der etwas umständlicheren Sag-Einstellung) Nachteile mitzubringen.
Bleibt noch die Mullet-Thematik. Wie verändert sich das Orbea Rallon, wenn ein 27,5″-Hinterrad verbaut wird? Dank der fixen Orbea-Mechaniker hatten wir die Möglichkeit, auch dies kurz anzutesten: Im Mullet-Setup wird der Charakter des Enduros eine gute Spur verspielter und man ertappt sich des Öfteren dabei, das agile Rad durch die Gegend zu schnicken. Oft wird die Konfiguration mit 29″-Vorderrad und 27,5″-Hinterrad als Party-Modus bezeichnet, was unserer Meinung nach durchaus zutrifft. Man ist einfach ausgelassener und kreativer unterwegs. Zudem macht sich das kleine Hinterrad auch in steilen Geläuf und vor allem in engen Kurven positiv bemerkbar. Das reine 29er Setup setzt mehr Laufruhe, etwas mehr Kontrolle und zumindest bei mir einen saubereren Fahrstil dagegen.
Erster Eindruck: Orbea Rallon 2022
Orbea hat mit dem neuen Rallon praktisch alles richtig gemacht. Das Enduro-Bike kann nicht nur mit ausgezeichneten Uphill- und Downhill-Eigenschaften überzeugen, sondern brilliert auch in engen, technischen Sektionen. Darüber hinaus lassen praktische Storage-Lösungen wie der integrierte Kofferraum und das im Hauptlager versteckte Multitool das Herz jedes Enduristen höher schlagen. Als wäre das alles nicht genug hat man bei Orbea sogar die Möglichkeit, sich sein neues Bike im MyO-Konfigurator ganz nach den eigenen Vorlieben zu konfigurieren. Daumen hoch!
Wie gefällt euch das neue Orbea Rallon?
Testablauf
Wir hatten die Möglichkeit, das neue Orbea Rallon auf einem Pressecamp in Spanien für zwei Tage zu testen. Dabei wurden die meisten Höhenmeter per Shuttle zurückgelegt. Allerdings stand auch eine ausgiebige Enduro-Tour zur Bewertung der Uphill-Eigenschaften auf dem Programm. Die Kosten für das Pressecamp wurden von Orbea getragen.
Hier haben wir das Orbea Rallon getestet
- Val d’Aran, Spanien abwechslungsreiche teils gebaute, teils natürliche Trails jedweder Couleur. Von eng bis schnell und von wurzelig bis steinig war alles mit dabei.
- Fahrstil
- sauber, hohes Grundtempo
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Downhill
- Vorlieben beim Fahrwerk
- vorne straffer als hinten, schneller Rebound, nicht zu viel Dämpfung
- Vorlieben bei der Geometrie
- geräumiger Reach, keine zu kurzen Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
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