Ein paar Tage Sommer, Sonne und Sonnenschein zur Erholung am Strand von Finale haben wir uns nach dem anstrengenden Rennen in Pietra Ligure verdient – aber denkste! In der Zwischenzeit hat der Herbst auch in Finale Einzug gehalten und brachte einen massiven Temperatursturz mit regnerischem Wetter mit. Somit blieb uns die letzte Chance verwehrt, unsere doch recht einseitige Radfahrer-Bräunung auszugleichen. Stürmisches Wetter und heftige Niederschläge waren an der Tagesordnung und so ließ es sich so auch mal ganz gut in der Wohnung ausspannen. Gerade das ist sonst nicht wirklich unsere Stärke – meist finden wir etwas anderes Spannendes, was noch zu tun ist. Die forcierte Entspannung kommt uns ganz gelegen!
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Die Gehrig-Twins in Finale Ligure von IBC_Redaktion – Mehr Mountainbike-Videos
Rennbericht
Direkt am Sonntag nach dem Rennen in Pietra wird die Strecke für das Rennen in Finale Ligure bekanntgegeben. Ganz zu unserer Freude kennen wir drei der vier Abfahrtsetappen bereits und sind sehr zufrieden mit der Auswahl der Stages. Zwei davon, „Cacciatore“ und „Ca’bianca“, gehören zu den absoluten Finale Shuttle-Klassikern. „Black & White“ ist neu und die letzte Strecke „Briga right“, die „Queenstage“, ist eine super-physische Stage, die uns bereits von der EWS 2017 bekannt ist. Auf dieser Stage fuhr Anita damals die Bestzeit und konnte ihren ersten Stage-Sieg verbuchen! Uns freut es, dass die Abfahrt wieder im Rennen ist – doch viele andere meckern darüber, da sie ein paar sehr anstrengende Gegenanstiege bereithält. Mit 60 Kilometern Streckenlänge, 1850 Höhenmetern und 6:30 Stunden totaler Rennzeit ist der Rundkurs in Finale Ligure eine ganz schöne Nummer.
Am Donnerstag entscheiden wir uns nochmals, verschiedene Gabeln zu testen. Wir haben die Wahl zwischen einer Fox 38 mit 170 mm Federweg oder einer etwas leichteren Fox 36 mit 160 mm. Die Wahl fällt auf die 36 – wir finden, dass sich unser Bike mit der leichteren Gabel etwas agiler um die engen Bäume steuern lässt. Außerdem ist die Gabel etwas leichter und lässt sich besser die steilen Gegenanstiege – speziell auf der langen vierten Stage – hochbewegen, der steilere Lenkwinkel durch weniger Federweg gibt uns eine bessere Kletterposition.
Wir entscheiden uns, die vierte Stage – die Queenstage „Briga“ – vor dem Training abzulaufen. Normalerweise machen wir das eher selten, doch wir wissen, dass uns das auf dieser Etappe nur helfen kann. Schon vor der Trainingsfahrt alle Linien wieder zu erkennen, kann ein entscheidender Vorteil sein. Speziell, wenn eine Etappe so viele Flachpassagen und giftige schwierige Anstiege hat, kostet ein Verbremser viel Zeit. Wenn die Abfahrten steiler sind, nimmt man bei einem Fehler schneller wieder Fahrt auf, doch wenn es flach ist, schenkt das richtig ein.
Im Training vom Freitag starten wir mit „Black & White“, einem neuen Trail auf der San Bernardino-Seite, quasi auf dem Stadthügel von Finale. Diese Seite ist berühmt-berüchtigt für seine immer feuchte Erde und speziell rutschige Kalksteine, generell eher „No Flow-Territorium“. Der Regen am Vorabend macht die erste Tour am Morgen zu einer wilden Fahrt, ich muss mich nach dem ersten Drittel erstmal neu sammeln, nachdem ich x-mal fast vom Rad falle. Nochmals tief durchatmen – „Du kannst das!“
Zum Glück half das und der Rest der Abfahrt macht langsam Spaß, obwohl es auf einigen rutschigen Felspassagen eher haarsträubend hergeht. Mit meinem Gefühl bin ich nicht alleine – die meisten Fahrer*innen sind froh, die Abfahrt geschafft zu haben. Der Tag kann nur noch besser werden!
Die „Briga“-Stage bereitet uns keinerlei Mühe und das Ablaufen hat sich als eine gute Hilfe erwiesen – auch wenn Anita mit Vollschuss in eine verblockte Felspassage mit einer schwierigen Highline fährt und sich dabei einen platten Vorderreifen holt. Sie verpasste es schlicht und einfach, das Vorderrad etwas anzuheben. Mit VIER Salamis geflickt und weiter geht’s! ;-)
Die letzten beiden Abfahrtsetappen „Cacciatore“ & „Ca’Bianca“ trainieren wir zum Schluss des Tages. Bei der Hochfahrt mit dem Auto bemerken wir, wie sich ein ganz schöner Sturm am Horizont zusammenbraut. Die Hoffnung, trocken durchs Training zu kommen, ist schnell vorbei, aber zum Glück trifft uns der Hagel nicht und wir bleiben vom Gröbsten verschont.
Für das Rennen am Samstagmorgen ist die Sonne zum Glück zurück und die Brise, die durch die Wälder fegt, trocknet die Trails wie mit einem Heißluftgebläse ab. Perfekte Bedingungen, besser geht es in Finale nicht! Anita gelingt ein super Start und sie positioniert sich nach den ersten beiden Stages auf dem dritten Zwischenrang – nur 2 Sekunden von der zweiten Position entfernt. Darüber ist sie superglücklich, das Finale-Terrain liegt ihr einfach! Ich für meinen Teil behaupte zwar dasselbe, auf dem Resultatblatt spiegelt sich das vor dem Mittagspause jedoch noch nicht wirklich wider … Nun ja, es sind ja noch zwei Etappen und diese zwei haben es in sich!
Weiter geht’s! Vor dem Start der vierten Stage erklärt mir Raphaela Richter, was „Werxboden“ ist – das Wort existiert im Schweizer Bike-Fachjargon wirklich nicht. Trotzdem wissen es natürlich auch wir sehr zu schätzen, wenn die Bodenbedingungen top sind! So lässt es sich nämlich beruhigter in diese echt komplizierte Stage fahren. Anita gibt mir den Tipp „Fahre wie eine Katze – flink und schnell“ – das nehme ich mir zu Herzen und fahre die Stage ohne große Fehler. Anita gelingt wieder eine schnelle Fahrt und sie fährt auf Rang 5.
Letzte Stage! Wow, das ging ja schnell. Kaum hat diese EWS-Saison begonnen, sind wir schon auf dem Weg zum Start der letzten Stage des Jahres. Nun hatte das Renngeschehen doch gerade erst begonnen, Fahrt aufzunehmen und spannend zu werden. Anita und ich umarmen uns vor dem Start nochmals – volle Fahrt voraus und ALLES in die Pedale hauen, was nur geht. Man will ja nicht die letzte Stage des Jahres beenden und sich nicht sicher sein, ALLES, aber auch wirklich ALLES gegeben zu haben. Ich bin mir sicher: Anita kann auf der Queenstage nochmals richtig einen raushauen. „Bring die Kiste nach Hause, Anita!“ Nur 2 Sekunden trennen sie von der zweitplatzierten Fahrerin.
Mir gelingt eine super Fahrt, bei der ich sogar zwei vor mir startende Fahrerinnen überholen muss und es schaffe, wirklich komplett an mein Limit zu gehen. Papa wartet im Ziel der Stage auf mich und zum Dank kotze ich ihm fast auf die Füße. Mein Tank ist leer, ich bin einfach nur fertig! Leider reicht meine Zeit, im Ziel der Stage auf Anita zu warten nicht, da ich meine Zeit einhalten muss, um im Zielgelände auszuchecken. Dort warte ich und werde langsam unruhig – warum ist sie noch nicht zurück? Als sie niedergeschlagen und mit aufgeschlagenem Ellbogen ins Ziel kommt, weiß ich Bescheid: sie ist wohl leider gestürzt.
Bitter ist, dass sie nicht nur einmal, sondern sogar zweimal hart zu Boden ging. Das erste Mal fiel sie ausgerechnet unserer guten Freundin Jacky vor die Füsse und das mit nur 8 Sekunden Rückstand zur 30 Sekunden vor ihr startenden Katy Winton. Jacky trieb der Anblick die Tränen in die Augen – sie wusste genau, dass Anita auf Podiumskurs fuhr und der Fehler wohl nicht sehr förderlich war, sich diesen zu sichern. Einen Sturz hätte sie wegstecken können, um es noch auf das Podium zu schaffen, denn am Ende fehlen Anita lediglich 9 Sekunden auf das Podium!
In der Endabrechnung heißt das nun: Ein sehr guter 5. Platz für Anita und ein 9. Platz für mich. Endlich schaffe ich es wieder einmal, die Top 10 zu erreichen und mein dritter Platz auf der letzten Stage gibt mir Hoffnung, dass ich immer noch schnell Rad fahren kann! Für uns ist dieses gelungene letzte EWS-Rennen superwichtig, um mit einem guten Gefühl in die Enduro-Rennpause zu gehen und eine tolle Motivation für das kommende Wintertraining.
Bleibt uns nur zu hoffen, dass unsere Winterpause nicht nochmal so lang wird wie in diesem Jahr. Was denkt ihr? Wird es im nächsten Jahr eine komplette Enduro World Series geben? Wir hoffen es auf jeden Fall schwer und um die Wartezeit etwas zu verkürzen, werden wir diese Woche noch beim Crankworx Innsbruck beim Downhill und Dual starten!
Bis bald!
Eure Caro & Anita
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