Formula Selva 29 im Test: Formula war immer für seine Bremsen bekannt, aber auch im Suspension-Bereich sind die Italiener seit geraumer Zeit vertreten und haben sich eine Fangemeinde geschaffen. Mit der Formula Selva 29 ist ein großer Bruder zur 35 dazugekommen. Er wartet mit der gleichen Technologie auf, bietet dabei aber mehr Federweg: Bis zu 180 mm sind an der 27,5″-Gabel möglich. Wir haben die 29″-Ausführung mit 160 mm Federweg ans Rad geschraubt und ausprobiert, ob die komplex abstimmbare Federgabel aus Italien den Platzhirschen am Markt das Wasser reichen kann.
Steckbrief: Formula Selva 29
Formula will in der Selva sämtliches Wissen über Suspension vereint haben und damit die perfekte Federgabel für Enduro geschaffen haben. Getestet haben wir die 29″-Ausführung mit 160 mm Federweg, die für 1.190 € den Besitzer wechselt.
- Einsatzbereich: Trail/Enduro
- Laufradgrößen: 27,5″; 27,5+“; 29″
- Federweg: 120 – 160 mm (Standard-Version), 170 – 180 mm (Extended Version, 27,5″ only)
- Gewicht: 2.106 g
- Farben: Schwarz, Weiß, Violett
- www.rideformula.com
Preis: 1.190 € (UVP) | Bikemarkt: Formula Selva kaufen
Hier lang zum Formula Selva R-Test – der neuen Version mit Dual-Air-Feder!
Im Detail
„Sieht aus wie ein Uhrwerk. Irgendwie fast wie ein Prototyp …“
Als wir mit der Formula Selva 29 das erste Mal bei unserer wöchentlichen Standardrunde auftauchen, sind die Blicke neugierig und die Skepsis zunächst groß. Zugegeben: Besonders gewöhnlich sieht die Federgabel aus Fahrerperspektive nicht aus. Dazu tragen vor allem die filigran wirkenden Einsteller bei. Von der optischen Anmutung findet man erstaunlich wenig bella figura an der Formula Selva 29. Alle Formen sind zweckmäßig und die Decals sowie das Casting eher dezent gehalten. Aus Italien kennt man das normalerweise etwas lauter.
Ihrem technischen, unaufgeregten Aussehen zum Trotz, bietet die Gabel allerlei Möglichkeiten, die es erst einmal zu erfassen gilt. Alle Hebelchen und Einsteller sind eloxiert und wohin das Auge schaut, sind alle Kanten sauber entgratet. Dank ihrer Form fallen die Verstellknöpfe sehr griffig aus. Nettes Detail: Auf der Dämpfungsseite lässt sich die komplette Einheit verdrehen. So kann man den Lockout-Hebel in die persönliche Lieblingsposition bringen, um ihn im Praxiseinsatz leicht und Intuitiv zu erreichen.
Trotz gleicher Einbauhöhe sieht die Selva nach mehr Federweg aus. Unser Augenmaß täuscht uns nicht: Entleert man die Luftfeder und komprimiert die Gabel, lässt sich diese nicht bis zur Gabelkrone drücken. Intern gibt die Gabel zwar volle 160 mm frei, extern lässt man sich dadurch aber leicht täuschen. Die Einbauhöhe liegt mit 565 mm sogar eher im unteren Bereich für Gabeln dieser Kategorie.
Mit 2.106 Gramm ist die Formula Selva 29 nicht die leichteste im Test und das Gluckern des Öls im Inneren lässt vermuten, wo ein Teil des Gewichts herkommt. Die Krone ist mit dem Schaft verpresst und die 15 mm-Steckachse mit einem Schnellspannhebel versehen. Bremsscheiben findet via Postmount in der Größe von 160 mm ohne Adapter ihren Platz. Im Enduro-Bereich würden wir uns hier eher eine 180 mm Postmount-Aufnahme wünschen.
Technik
- Material Schaft: Aluminium
- Material Standrohre: Aluminium
- Material Casting: Magnesium
- Schaftdurchmesser: Tapered 1 1/8″ – 1,5″
- Bremsaufnahme: Disc only, PM 6″
- Federweg: 160 mm
- Standrohrdurchmesser: 35 mm
- Laufradgröße: 29″
- Reifenfreiheit: 2,6″
- Schutzblech: Nein
Die technischen Daten aller Federgabeln in unserem 29″ Enduro-Federgabel-Vergleichstest findet ihr in dieser Tabelle zum Ausklappen:
DVO Diamond 29 | Formula Selva | Fox 36 HSC/LSC | MRP Ribbon | RockShox Lyrik RCT3 | Öhlins RXF36 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Federweg | 130 – 160 mm | 120 – 160 mm | 140 – 160 mm | 120 – 160 mm | 150 – 180 mm | 120 – 170 mm |
Verfügbare Laufradgrößen | 27,5" 27,5+ / 29" | 27,5" 27,5+ / 29" | 26" 27,5" 29" | 27,5" 27,5+ 29" | 27,5" 27,5+ / 29" | 27,5" 29" 27,5+ / 29" |
Lowspeed Druckstufe | Extern, 6 Klicks | Extern, 15 Klicks | Extern, 26 Klicks | Extern, 8 Klicks | Extern, 20 Klicks | Extern, 24 Klicks |
Highspeed Druckstufe | Extern, 30 Klicks | Intern | Extern, 22 Klicks | Intern | Intern | Extern, 5 Klicks |
Lowspeed Zugstufe | Extern, 20 Klicks | Extern, 15 Klicks | Extern, 10 Klicks | Extern, 16 Klicks | Extern, 20 Klicks | Extern, 24 Klicks |
Highspeed Zugstufe | Intern | Intern | Intern | Intern | Intern | Intern |
Volumen- veränderung | Intern, Ölvolumen | Intern, Ölvolumen | Intern, Volumen-Spacer | Extern, MRP Ramp Control, 16 Klicks | Intern, Volumen-Spacer | Extern, Ramp-Up-Chamber |
Weiteres Tuning | Druckstufen-Kolben kann umgedreht werden von Cosmic Sports | 7 verschiedene CTS | Shimstack anpassbar auf Kunden-Bedürfnisse durch Fox Deutschland | – | – | – |
Einbauhöhe | 27,5": 572 mm (170 FW) 29": 565 mm (160 FW) | 27,5": 570 mm (180 FW) 29": 565 mm (160 FW) | 27,5": 549 mm (170 FW) 29": 567 mm (160 FW) | 27,5": 562 mm (170 FW) 29": 572 mm (160 FW) | 27,5": 552 mm (160 FW) 29": 572 mm (160 FW) | 27,5": 553 mm (170 FW) 29": 568,5 mm (160 FW) |
Schaft | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5"; integrierter Konus |
Standrohr- durchmesser | 35 mm | 35 mm | 36 mm | 35 mm | 35 mm | 36 mm |
Achse | QR 15 mm Achse | QR 15 mm Achse | QR 15 mm Achse | QR 15 mm Achse | 15 mm Schraubachse ohne Klemmung | QR 15 mm Achse |
Offset | 51 mm | 51 mm | 51 mm, 44 mm | 51 mm (46 mm auf Anfrage) | 51 mm | 51 mm |
Einbaubreite | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm |
Reifenfreiheit | 3" | 2,6" | 2,5" | 2,6" | 2,8" | |
Farben | schwarz, grün, braun | schwarz, weiss, violett | schwarz, orange (Sonder-Edition) | schwarz, 9 Decal-Farben wählbar | mattschwarz, schwarz glänzend, weiss | schwarz |
Gewicht (nachgewogen) | 2.231 g | 2.106 g | 2.041 g | 1.947 g | 2.080 g | 2.092 g |
Preis (getestete Version) | 999 € | 1190 € | 1.399 € | 1.049 € | 1.145 € | 1.218,56 € |
Grundsätzlich ist der Aufbau der Formula Selva 29 konventionell. Kein einteiliges Kronen-Schaft-Standrohr-Bauteil wird verwendet, Formula verpresst hier ganz klassisch die Einzelteile zu einer Einheit. Auch die Materialien sind nicht weiter außergewöhnlich: Hier kommt größtenteils Aluminium zum Einsatz, das Casting ist aus Magnesium gefertigt.
Interessant wird es im Inneren der Gabel. Hier sollen mehrere Technologien für bessere Performance sorgen. Am Casting kommt beispielsweise eine hexagonale Versteifung zum Einsatz, die eine ideale Balance zwischen Flex und Steifigkeit bieten soll. Damit will Formula sowohl Sicherheit und Präzision bieten, als auch die Hände und damit Kraftreserven schonen. Um die Reibung der Kolben im Gabelinneren zu minimieren, sitzen diese auf einem Kugelgelenk. So soll selbst bei gröbster Fahrweise und dementsprechenden Flex des Gesamtsystems und der Kolbenstange immer gewährleistet sein, dass die Dichtung rechtwinklig zum Rohr steht und ideal gleitet.
An der Steckachse will Formula mit dem ILS-System eine perfekte Lösung für alle Vorlieben gefunden haben. Wer auf Schnellspann-Achsen setzt, weil der Laufradwechsel schnell gehen muss, kann die Achse ganz normal verbauen. Wer das zusätzliche Gewicht nicht mitschleppen möchte, kann den Schnellspanner einfach von der Achse abziehen und ohne Schnellspanner weiterfahren. Im Fahrbetrieb soll der Schnellspanner sicher sitzen und sich nicht lösen.
Federung & Dämpfung
Federung
Wer in der Selva mit der gleichen Luftfeder gerechnet hat wie in der Downhill-Federgabel Nero, also einem drei-Kammer-System, wird vorerst noch enttäuscht. Was sich hier in Zukunft tun wird, möchte Formula nicht präzisieren. Die Italiener legen jedoch großen Wert auf Rückwärts-Kompatibilität.
An der Selva kommt eine Mischung aus Luftfeder und einer Stahl-Negativ-Feder zum Einsatz. Wie auch an der DVO Diamond kann das Luftkammervolumen nicht über Volumenspacer angepasst werden, hier muss eine Mischung aus Gabelöl und Ballistol in die Luftkammer gegeben werden. So ist zwar gesichert, dass die Luftkammer nicht trocken läuft. Die Anpassung der Progression fällt aber in der Praxis etwas umständlicher aus.
In der Negativkammer findet sich ein einfaches System zur Federwegsanpassung der Formula Selva 29. Über weiße Platzhalter aus Kunststoff kann der Federweg reduziert werden. Der Umbau ist dabei kein Hexenwerk und kann dank Servicevideo auch vom interessierten Hobbyschrauber vorgenommen werden. Öffnet man die Federseite, fällt ein weiteres Detail auf: im Inneren der Negativfeder sitzt eine zweite Feder, die das Ansprechverhalten verbessern soll.
Dämpfung
In Summe sind zwischenzeitlich sieben verschiedene CTS-Dämpfungseinheiten verfügbar, die vom Kunden selbst getauscht werden können.
An den Einstellknöpfen zur Dämpfung auf der Oberseite der Gabel herrscht zuerst etwas Verwirrung. Wozu dienen alle diese Einstellhebel und Rädchen? Mit dem goldenen Hebel lässt sich die Gabel in den Lockmodus schalten. Dabei ist anzumerken, dass dieser nur bei vollständig umgelegten Hebel aktiv ist. Der Lockout bietet auf mittlerer Stellung keine Funktion, lässt sich aber durch den schwarzen Knopf in seiner Härte verstellen.
Wer grundsätzlich nur einen mittelharten Lockout will, kann hier einfach mit dem Innensechskant die schwarze Schraube betätigen, bis eine angenehme Härte gefunden wurde. Wer ein hartes Lockout will, muss systembedingt mit dem offenen und dem geschlossenen Modus auskommen. Am blauen Knopf lässt sich die Druckstufe verstellen. 12 Klicks, sowie sieben austauschbare, sogenannte CTS-Einheiten bieten hier viel Raum für das ideale Setup.
Im Lieferumfang enthalten sind zwei CTS-Einheiten. Verbaut ist ab Werk die blaue: „Regular Medium“. Als zweite Einheit liegt die rote „Regular Hard“ bei. Außerdem ist das CTS-Tool im Lieferumfang enthalten. Für die restlichen Einheiten werden jeweils 54 € aufgerufen.
Bei der genauen Dämpfungsarchitektur hält sich Formula bedeckt und verrät kaum Details. Einige wenige Infos gibt man uns aber: Während andere Hersteller ihre Dämpfung an einer Achse konzentrisch aufbauen, setzt Formula auf einen anderen Weg. Einzelne Funktionen sind nicht ineinander verschachtelt, sondern sitzen nebeneinander und sind so auf das Tuning optimiert. Dieser Aufbau ermöglicht nämlich die einzelne Entnahme der verschiedenen Funktionen, eben auch der Druckstufeneinheit.
Auffallend beziehungsweise etwas überraschend: Die CTS-Einsätze fallen erstaunlich klein aus. Ein genauer Blick lässt für Dämpfungsnerds aber ein wenig über die Eigenheiten spekulieren: Durchlässe am Körper des CTS führen zu dessen Mittelachse – hier sitzt vermutlich die Lowspeed-Druckstufe, die sich durch den blauen Knopf in ihrer Härte verstellen lässt. Auf der Unterseite des CTS kann dieses Öl wieder zurückfließen. Als Highspeed-Dämpfung dient ein Shim bzw. Shimstack. Hier sitzt ein eloxiertes Teil, unter dem die Shims sitzen.
Was ist der Mehrwert, den mir das CTS System bieten soll?
Unterscheidbar sind die CTS-Einheiten nur im ausgebauten Zustand – die Differenzierung erfolgt dabei durch die unterschiedliche Eloxierung des Highspeed-Kolbens. Beim genaueren Blick auf die Einheiten fällt aber auf: Sowohl der Körper, als auch der Highspeed-Kolben des CTS verfügen über eine unterschiedliche Anzahl an Bohrungen. Das lässt bereits anmuten: Formula bietet für die Federgabel mehrere Dämpfungscharakteristiken an, damit jeder sein Optimum finden kann.
Warum aber sieben Stück? Ähnlich einer Feder besitzt auch eine Dämpfung eine Kennlinie. Eine Grafik zeigt an, bei welchen Schaftgeschwindigkeiten welcher Gegenhalt erzeugt wird.
Dämpfung verhält sich nicht bei jeder (Einfeder-)Geschwindigkeit gleich. Formula bietet mit den CTS-Systemen also die Möglichkeit, im Rahmen der sieben Einsätze die Dämpfung individuell zu beeinflussen. Für aktive Fahrer sollen die „Special Tunes“ dienen, die bereits bei langsamer Schaftgeschwindigkeit guten Gegenhalt erzeugen und die Gabel so hoch im Hub halten sollen. Wer ein satteres Fahrgefühl haben möchte und bei langsamem Einfedern eine sensiblere Gabel bevorzugt, bekommt mit den „Regular Tunes“ drei Möglichkeiten.
Dabei gibt es aber – je nach Fahrergewicht und Progressions-Tuning in der Luftfeder – die Möglichkeit, bei starken Schlägen und schnellem Einfedern entweder mehr oder weniger Dämpfung zu nutzen. Sowohl Regular als auch Special bietet hier drei Versionen, die sich bei schnellen Schaftgeschwindigkeiten unterscheiden. Zu guter Letzt wird von Formula ein E-Bike Tune angeboten, der vor allem im mittleren Bereich mit einem Plus an Dämpfung überzeugen soll. Grundsätzlich bietet dieser abgesehen von starken Einschlägen die größte Dämpfung, um den höheren Systemgewichten und den Geschwindigkeiten von E-Bikes gerecht zu werden.
Montage & Bedienbarkeit
Bei der Montage der Formula Selva 29 steht man vor keiner großen Herausforderung. Konus aufschlagen, Ausmessen, Schaft ablängen, Kralle einschlagen, Gabel verbauen. Auch die Montage der Bremse ist nicht schwierig – wir wundern uns jedoch etwas über die 6″ Post Mount-Bremsaufnahme in Anbetracht des angedachten Einsatzbereichs der Gabel. Wer auf 180 mm-Scheiben setzten möchte, muss schon zum Adapter greifen. Eine Federgabel dieser Kategorie darf unserer Meinung nach ab Werk gerne mit 7″-Aufnahme ausgeliefert werden.
Der Laufrad-Einbau gelingt wiederum schnell – Schraubachse mit Hebel und Führung für die Nabe sei Dank. Kleines Detail an der Achse: Hier gibt es die Möglichkeit, den vermeintlichen Schnellspanner nach dem Festziehen abzuziehen. Obwohl der Hebel nach einer Spannfunktion aussieht, hat er genau diese nicht, sondern ist nur Hilfestellung zum Verschrauben der Achse. Klappt man ihn nach oben, rastet er in einer Vertiefung ein und bleibt so sicher in Position. Wer den Hebel dennoch schützen möchte, kann ihn aus der Achse abziehen und im Rucksack mitnehmen oder alternativ zu Hause lassen und die Achse mit dem Multitool lösen.
Das Basis-Setup gelingt schnell und trotz der vielen Möglichkeiten recht einfach. Ab Werk ist die Regular Medium-CTS-Einheit verbaut, die mit 12 Klicks-Druckstufen-Einstellung bereits viele Fahrer glücklich machen sollte. Auf der Rückseite der Federgabel ist eine Tabelle mit Luftdruck-Empfehlungen aufgeklebt. Diese Empfehlung passen schon sehr gut zu unseren Vorlieben. Bei der Druckstufe sollte man laut Formula bei sechs Klicks starten und auf dem Trail sich weiter zum idealen Setup vorarbeiten. Hier ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt: der blaue Knopf steht recht nah bei den anderen und ist für dicke Finger nicht ganz gut erreichbar. Der Knopf läuft aber leichtgängig genug, um hier keinen Frust entstehen zu lassen.
Auf dem Trail
Befüttert man Google-Translate mit dem Wort „Selva“ und lässt sich die deutsche Übersetzung anzeigen, kommt ein komisch anmutender Name für eine Federgabel heraus: „Wald“. Doch holzig ist das Ansprechverhalten aber in keinster Weise, denn mit allen getesteten CTS-Einsätzen war dieses sehr gut. Bei unruhiger Tretweise greift man so gerne zum Lockout, welches wie beschrieben über einen 3 mm-Inbus voreinstellbar ist. Man muss sich also vor der Ausfahrt überlegen, wie fest die Stütze gegen Sprinteinlagen sein soll – außer man verwendet das RCC-System.
Beim Weg nach oben zählt aber nicht nur das Lockout, hier spielen auch andere Faktoren eine wichtige Rolle: Wie steht es um Gewicht und Reifenfreiheit?
Die Formula Selva 29 ist die zweitschwerste Gabel im Test, das drückt auf das Gesamtgewicht und auf die Lastverteilung. Bergauf merken das empfindliche Fahrer auf technischen Uphills, auf denen das Vorderrad oft über Hindernisse gelupft werden will. Hier braucht man minimal mehr Krafteinsatz, dafür zieht die Gabel das Vorderrad auf den Boden. Wer sich das leichteste Bike aufbauen will, wird aus diesem Grund vielleicht einen Bogen um die Selva machen wollen, wer kurze Kettenstreben fährt, könnte es als Ausgleichsgewicht sehen – für den normalen Fahrer ist der Effekt aber vernachlässigbar.
Vor allem bei langsamer Fahrt kann eine geringe Reifenfreiheit zum Problem werden – kommt der Reifen nicht auf genug Geschwindigkeit, um sich selbst zu reinigen, könnte es eng werden. Formula gibt für die Selva bis zu 2,6″ an, ist also mit der Matschfreiheit nach links, rechts und oben auf der sicheren Seite: Hier ist genug Platz für Schmodder.
Sensibilität wird bei der Formula Selva 29 großgeschrieben und so überrascht es nicht, dass sie viel Grip am Vorderrad bereitstellt. Zu Beginn muss man sich etwas an die Geräuschkulisse der arbeitenden Dämpfung gewöhnen, die etwas über der der anderen Gabeln im Test liegt.
Bei langsamer Fahrweise bietet die Gabel bereits eine gute Performance, feinfühlig arbeitet sie auch sehr kleine Schläge solide weg. Extreme Gewichtsverlagerungen bei Vorderrad-Akrobatik in Spitzkehren kann die Kombination aus Luftkennlinie und Dämpfung sehr definiert ausbremsen. Überraschungen bleiben aus, die Formula Selva 29 vermittelt viel Kontrolle und scheint einem ständig zuzuflüstern, dass es schneller doch spaßiger wäre.
Lässt man die Finger von der Bremse und steuert durch grobe Steinfelder und Wurzelpassagen, bleibt oft nur ein Wort um die Gabel zu beschreiben. BOAH! Mit einem unbändigen Appetit verschlingt die Formula Selva 29 alles was wir ihr vorsetzen, mit jeder Menge Hunger nach mehr. Ähnlich wie die Fox 36 EVOL verwendet sie hierfür erstaunlich wenig Federweg, was den Testern sehr viel Sicherheit gab. Sei es in steilem Gelände oder in Passagen mit vielen Schlägen auf das Fahrwerk. Trotzdem kann sie durch ihre Feinfühligkeit viel Belastung von den Händen und Armen nehmen und dem Fahrer so viel Kraft sparen. Gleiches gilt für den Gegenhalt bei schnellen Richtungswechseln, Impulsen und Anliegern. Die Formula Selva 29 steht stramm und hält immer so viel dagegen, wie es braucht.
Je länger wir auf der Formula unterwegs waren, desto öfter dachten wir: „Ich wusste gar nicht, dass man die Stelle so schnell fahren kann.“
Über die CTS-Einheiten lässt sich haarfein einstellen, wie tief man dabei eintauchen möchte und wie satt oder stramm sich das Fahrwerk auf dem Trail anfühlen soll. Der Unterschied zwischen den einzelnen Einheiten ist schon in der Grunddämpfung spürbar. Bereits wenn man die Regular Tunes verwendet, wird man mit einem satten aber definierten Fahrgefühl belohnt. Im direkten Vergleich zu den Special Tunes muss man hier aber etwas mehr Luft fahren, um das gleiche Maß an Gegenhalt zu erhalten. Zwischen den Tunes kristallisiert sich deutlich heraus, für welchen Fahrer diese abgestimmt sind.
Regular spricht den Fahrer an, der zwar aktiv fährt, aber sich nicht mit der Brechstange durch Wellen und Kurven pusht. Wer zweiteren Fahrstil ausübt, kann mit den Special-CTS-Einsätzen viel Spaß haben, sollte aber etwas mehr Kraft mitbringen, denn auf einen ganzen Tag gesehen sind die Special Tunes ein wenig anstrengender zu fahren.
Formula hat an der Selva 29 ein sehr angenehmes Maß an Flex erreicht – die Gabel hilft so weiter, die Anstrengung vom Fahrer zu nehmen, bietet aber ausreichend Lenkpräzision, um nicht um sein Leben bangen zu müssen. All diese Eindrücke verbessern das Sicherheitsgefühl sehr stark und verschieben die Wohlfühl-Geschwindigkeit immer weiter in Richtung: „Ich wusste gar nicht, dass man die Stelle so schnell fahren kann.“
Durchschläge wurden auch bei moderater Ölmenge in der Luftkammer eher über den O-Ring als einen herausgerüttelten Zahn angezeigt. Harte Hinweise auf die volle Ausnutzung des Federwegs waren sehr selten. Hier darf man sich nicht täuschen lassen, wenn der Ring nicht oben an der Krone ansteht, denn die Standrohre sind etwas länger als 16 cm.
Tipps, Tuning & Haltbarkeit
CTS-Dämpfung
Formula bietet aktuell 7 verschiedene CTS-Einheiten Dämpfungseinheiten an. Im Laufe des Tests probierten wir vier verschiedene davon aus:
- Blau: Regular Medium
- Rot: Regular Hard
- Gold: Special Soft
- Grün: Special Hard
Wer sich schon etwas mit Dämpfung beschäftigt hat, kann anhand der Grafik im Abschnitt Dämpfung eine erste Vorstellung bekommen, wie die Gabel sich jeweils anfühlen wird.
Spannend dabei sind auch eher unpassend anmutende Kombinationen wie zum Beispiel aus Special Soft CTS mit verringertem Sag oder mehr Progression. Dies mag auch Fahrer glücklich machen, die zum Beispiel lieber über die Feder als über die Dämpfung fahren.
CTS-Tuning an der Formula Selva: So funktioniert der Umbau!
RCC
Remote Cartridge Control nennt Formula seine Lenkerfernbedienung. Diese ersetzt den Lockout-Hebel und ermöglicht so eine 13-stufige Einstellung des Lockouts. Wer also mit dem 1/0 Lockout via dem goldenen Hebel nicht glücklich ist, kann hier nachrüsten! Kostenpunkt: 62 €.
Progression
Unser Erstkontakt mit der Selva fand in Riva am Bikefestival statt. Wir bekam en die Gabel zunächst vom Fachmann montiert und ein Setup erstellt, bevor wir die Federgabel genauer unter die Lupe nehmen. Dabei befüllte der Techniker die Luftkammer mit etwas Öl, um die Endprogression zu erhöhen. Im Laufe des Tests stellen wir aber auf unseren Trails schnell fest: Das ist hier fast zu viel Endprogression. Wir entfernen also wieder etwas der Flüssigkeit.
Formula gibt folgende Empfehlung für das Progressions-Tuning: Zwischen 5 und 25 cc Öl dürfen verwendet werden. Dabei entsprechen 10 cc etwa einem großen Volumenspacer von Fox oder RockShox, das Tuning ist also vergleichbar mit zwei Tokens bzw. Volumenspacern. Grundsätzlich erlaubt der Einsatz von Öl aber natürlich die stufenlose Anpassung.
Haltbarkeit & Service
Im Rahmen des Tests sind an der Selva keine Defekte aufgetreten. Einziger Punkt, bei dem Vorsicht angesagt ist: Beim Ein- oder Ausbau der CTS-Einheiten sollte man sehr genau darauf achten, dass man das Werkzeug nicht schief ansetzt, um sicherzustellen, dass keiner der vier Pins abbricht. Uns ist in einer hektischen Umbauaktion ein Pin abgebrochen, was aber als Anwenderfehler zu werten ist.
- Schmierölservice durch Kunde durchführbar: ja, Gewährleistung bleibt erhalten, solange der Kunde nichts selbstverschuldet kaputt macht
- Spezialwerkzeug notwendig: nein
- empfohlenes Serviceintervall: alle 30 h
- Kosten Schmierölservice: 40 € (Netto) bei Cosmic Sports
- Komplettservice durch Kunde durchführbar: nein, die Kartusche darf zwar entlüftet, aber nicht zerlegt werden
- Spezialwerkzeug notwendig: ja
- empfohlenes Serviceintervall: 100 h oder 1 x im Jahr
- Kosten großer Service: 99 € (Netto) bei Cosmic Sports
- Kosten großer Service inkl. Buchsentausch: 149 € (Netto) bei Cosmic Sports
Fazit – Formula Selva 29
Mit ihrer extrem breiten Abstimmbarkeit richtet sich die Formula Selva 29 vor allem an Fahrer, die wissen was sie wollen und sich nicht scheuen, auch mal mit etwas Öl für die Progressions-Anpassung oder Werkzeug für die Dämpfung zu hantieren. Genau diese Möglichkeiten machen die Selva aus und in Puncto Dämpfungs- und Fahrqualität zum Spitzenreiter im Testfeld. Dazu kommt ein angenehmer Flex bei hoher Linientreue sowie auf eine gute Luftfeder. Besonders attraktiv macht die Federgabel zusätzlich der an der Leistung gemessene Preis. Für Nerds, Tuner und solche, die es werden wollen, ist die Formula Selva 29 die erste Wahl.
Selva Pro / Contra
Pro
- Dämpfung
- Preis-Leistung
- Tuning Möglichkeiten
Contra
- Nutzerfreundlichkeit
- Gewicht für die Grammfuchser
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres 29″ Enduro-Federgabel-Vergleichstests 2018:
- Im Test: 6 Modelle von DVO, Öhlins, Formula, Fox, MRP & RockShox: Die besten 29″ Enduro-Federgabeln mit 160 mm
- Formula Selva 29 im Test: Anpassbar für alle!
- Fox 36 2018 im Test: Das orange Arbeitstier
- Öhlins RXF 36 29 im Test: Schwedisches Performance-Wunder?
- MRP Ribbon 29 im Test: Underdog mit Sonderlösungen
- RockShox Lyrik RCT3 im Test: Pechschwarzer Platzhirsch
- DVO Diamond 29 im Test: Giftgrüner Experte
Testablauf
Im Rahmen des Federgabeltests wurden über mehrere Monate die Gabeln zwischen verschiedenen Testern durchgetauscht. Wichtig war an dieser Stelle vor allem, dass jeder Tester die Gabeln in seinem eigenen Bike fährt. So herrscht für jedes Produkt Chancengleichheit. Auch das Wetter ist hinsichtlich des langen Testzeitraums vernachlässigbar. Jede Federgabel wurde in unterschiedlichen Bedingungen gefahren und musste sich von trocken, staubigen Böden, bis hin zu nassen Verhältnissen beweisen.
Hier haben wir die Formula Selva 29 getestet
- Bikepark: Unterschiedlichstes Terrain, lose und harte Böden, Sprünge, Downhill- und Flow-Trails
- Singletrails: Lose Böden, offene Kurven, steil, schnell
Jens Staudt
- Testername: Jens Staudt
- Körpergröße: 190 cm
- Gewicht (fahrfertig): 95 kg
- Schrittlänge: 91 cm
- Armlänge: 61 cm
- Oberkörperlänge: 56 cm
- Fahrstil: Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
- Ich fahre hauptsächlich: Singletrails, sprunglastiger Local Spot, Freeride, DH
- Vorlieben beim Fahrwerk: Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, progressive Kennlinie
- Vorlieben bei der Geometrie: Kettenstreben nicht zu kurz (ca. 430 mm oder gerne länger), Lenkwinkel tendenziell eher flacher
Christoph Spath
- Testername: Christoph Spath
- Körpergröße: 190 cm
- Gewicht: 65 kg
- Gewicht (fahrfertig): 70 kg
- Schrittlänge: 94 cm
- Armlänge: 60 cm
- Oberkörperlänge: 49 cm
- Fahrstil: Schnell bergauf und bergab, sauber, selten überm Limit
- Ich fahre hauptsächlich: Von Dirt Jump über Trail und Enduro bis Downhill, gerne schnell, in grobem Gelände und mit viel Luftstand
- Vorlieben beim Fahrwerk: Viel Low Speed-Compression am Dämpfer, Front etwas straffer als das Heck, hinten gerne progressiv
- Vorlieben bei der Geometrie: Vorne lang, hinten je nach Einsatzbereich kurz bis mittellang, flach
Um euch den bestmöglichen und breitesten Testeindruck zu bieten, fahren immer mehrere Tester ein Bike. Neben den aufgeführten Testern mit detaillierten Profil arbeiten wir immer mit weiteren Fahrern unterschiedlicher Könnerstufen, Gewichte, Körpergrößen sowie Vorlieben zusammen. Im direkten Dialog stellen wir das richtigen Setup sicher und dokumentieren in gemeinsamen Ausfahrten die Eindrücke. Dies stellt sicher, dass wir alle Eigenheiten eines Bikes in allen Bereichen beurteilen können.
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